European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0150OS00005.22G.0309.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * S* des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB (I./) und des Verbrechens der kriminellen Organisation nach § 278a StGB (II./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 5. November 2017 in G* und andernorts
I./ sich als Mitglied (§ 278 Abs 3 StGB) an der terroristischen Vereinigung Hay'at Tahrir al-Sham, vormals Jabhat al-Nusra, in dem Wissen beteiligt, diese dadurch in deren Ziel der Errichtung eines nach radikal-islamistischen Grundsätzen ausgerichteten, auch als 'Kalifat' bezeichneten Gottesstaats und deren zur Erreichung dieses Ziels als erforderlich angesehenen terroristischen Straftaten nach § 278c Abs 1 StGB zu fördern, indem er am 5. November 2017 vom Flughafen G* (US 6: nach entsprechender Zusage) nach Istanbul und von dort weiter nach Gaziantep flog, um einige Tage später mit Hilfe von Schleppern über die grüne Grenze nach Syrien in das von der terroristischen Vereinigung kontrollierte Gebiet einzureisen und sich als Mitglied der genannten terroristischen Vereinigung anzuschließen, wobei die Einreise nach Syrien scheiterte, weil er am 22. November 2017 noch in der Türkei von der türkischen Polizei festgenommen und inhaftiert wurde und nach seiner Entlassung aus der rund dreimonatigen Haft wieder zurück nach Österreich reiste;
II./ sich durch die unter Punkt I./ dargestellten Taten als Mitglied (§ 278 Abs 3 StGB) an der terroristischen Vereinigung Hay'at Tahrir al-Sham, vormals Jabhat al-Nusra, sohin einer auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Anzahl von Personen, die, wenn auch nicht ausschließlich, auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen, ausgerichtet ist, indem sie seit der zweiten Hälfte des Jahres 2011 in Syrien unter Anwendung besonderer Grausamkeit durch terroristische Straftaten gemäß § 278c Abs 1 StGB die Zerstörung des syrischen Staats zur Errichtung eines nach radikal-islamistischen Grundsätzen ausgerichteten totalitären Gottesstaats (Kalifat) anstrebt, die dadurch eine Bereicherung in großem Umfang anstrebt, indem sie seit der zweiten Hälfte des Jahres 2011 in den eroberten Gebieten in Syrien die sich nicht ihren Zielen unterordnende Zivilbevölkerung tötet oder vertreibt und sich deren Vermögen aneignet sowie die vorgefundenen Kunst- und Bodenschätze, insbesondere Erdöl, zu ihrer Bereicherung ausbeutet, die andere durch angedrohte und ausgeführte Terroranschläge einschüchtert und sich auf besondere Weise, nämlich durch Geheimhaltung ihres Aufbaus, ihrer Finanzierungsstruktur, der personellen Zusammensetzung der Organisation und der internen Kommunikation gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen sucht, in dem Wissen beteiligt, dadurch diese Verbindung und deren strafbare Handlungen zu fördern.
Rechtliche Beurteilung
[3] Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a und b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – ihr Ziel verfehlt.
[4] Das Schöffengericht traf unter anderem folgende Festellungen: Der Angeklagte nahm Kontakt mit Mitgliedern der terroristischen Vereinigung Hay'at Tahrir al-Sham, vormals Jabhat al-Nusra, auf und sicherte diesen zu, nach Syrien zu reisen, um sich der Vereinigung anzuschließen und im syrischen Bürgerkrieg zu kämpfen. Schließlich trat er die Reise Richtung Syrien an, indem er vom Flughafen G* nach Istanbul und dann weiter nach Gaziantep flog, um sich – nach Instruktion durch Kontaktpersonen der Hay'at Tahrir al-Sham, was im Falle seiner Festnahme durch die türkischen Behörden anzugeben sei – mit drei weiteren Personen zu einer von einem Schlepper geführten Gruppe für den weiteren Weg nach Syrien zusammenzuschließen (US 5 f). Aus welchem Grund diese Aktivitäten des Angeklagten bloß als „straflose Vorbereitungshandlungen“ zu beurteilen (und solcherart noch keine Beteiligung darstellen) sollten (vgl aber RIS-Justiz RS0129800; Plöchl in WK² StGB § 278b Rz 11 und § 278a Rz 28 iVm § 278 Rz 39), erklärt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht.
[5] Der Vorwurf des Fehlens von Feststellungen zur subjektiven Tatseite (Z 9 lit a) zufolge bloßer „Anführung von verba legalia“ legt nicht dar, inwieweit die darauf bezogenen (auf den US 6 ff getroffenen) Urteilskonstatierungen den erforderlichen Sachverhaltsbezug nicht aufweisen sollten und welcher weiterer Feststellungen es aus Beschwerdesicht für eine ausreichende Tatsachengrundlage nach § 278b Abs 2 StGB (I./) und nach § 278a StGB (II./) bedurft hätte (RIS‑Justiz RS0099620 [T7]).
[6] Ein Strafverfolgungshindernis erblickt die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit b) darin, dass der Angeklagte vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation, nämlich der Hay'at Tahrir al-Sham, vormals Jabhat al-Nusra, mit Urteil des türkischen Schwurgerichts Hatay vom 13. März 2018 freigesprochen wurde (US 6 f). Inwieweit sich aber aus den – auch für die Türkei anwendbaren – Garantien der Europäischen Menschenrechtskonvention (MRK) ein Recht ableiten lassen sollte, nicht in verschiedenen Konventionsstaaten erneut vor Gericht gestellt zu werden, entbehrt der gebotenen Ableitung aus dem Gesetz (RIS‑Justiz RS0116565; vgl dagegen den – innerstaatlich auch in § 17 Abs 1 StPO umgesetzten – Art 4 des 7. ZPMRK, wonach niemand „wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden“ darf; RIS‑Justiz RS0127862 [T1 und T2]).
[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
[8] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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