OGH 15Os18/22v

OGH15Os18/22v9.3.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. März 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Mag. Wagner als Schriftführerin in der Strafsache gegen * H* wegen des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB, AZ 1 U 25/21w des Bezirksgerichts Kirchdorf an der Krems, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 7. Juli 2021 und einen weiteren Vorgang erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0150OS00018.22V.0309.000

 

Spruch:

 

Im Verfahren AZ 1 U 25/21w des Bezirksgerichts Kirchdorf an der Krems verletzen die Durchführung der Hauptverhandlung und die Fällung des Urteils am 7. Juli 2021 in Abwesenheit des am 23. April 2001 geborenen Angeklagten § 32 Abs 1 erster Satz JGG iVm § 46a Abs 2 JGG.

Dieses Urteil sowie die unter einem ergangenen Beschlüsse auf Anordnung von Bewährungshilfe und auf Vorbehalt der Entscheidung über den Widerruf bedingter Strafnachsichten werden aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Kirchdorf an der Krems verwiesen.

 

Gründe:

[1] Gegen den am 23. April 2001 geborenen * H*erhob die Staatsanwaltschaft Steyr im Verfahren AZ 1 U 25/21w des Bezirksgerichts Kirchdorf an der Krems Strafantrag wegen eines dem Vergehen des Betrugs nach § 146 StGB subsumierten Verhaltens (ON 3).

[2] Der – eigenhändig geladene (ON 9) – Angeklagte erschien nicht zur Hauptverhandlung am 7. Juli 2021, worauf der Beschluss auf Durchführung der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten gemäß § 427 Abs 1 StPO erging (ON 10 S 2).

[3] Mit Abwesenheitsurteil vom selben Tag wurde * H* des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB schuldig erkannt (ON 11).

[4] Unter einem ergingen die Beschlüsse auf Anordnung der Bewährungshilfe und dahin, die Entscheidung über den Widerruf bedingter Strafnachsichten dem Landesgericht Linz zu AZ 37 Hv 106/19t und dem Bezirksgericht Linz zu AZ 31 U 207/20i gemäß § 494a Abs 2 letzter Satz StPO vorzubehalten.

[5] Das Abwesenheitsurteil und die Beschlüsse erwuchsen nach Zustellung an den Angeklagten in Rechtskraft.

Rechtliche Beurteilung

[6] Die Durchführung der Hauptverhandlung sowie die Urteilsfällung in Abwesenheit des Angeklagten stehen – wie die Generalprokuratur zutreffend ausführt – mit dem Gesetz nicht im Einklang.

[7] * H* war zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung junger Erwachsener (§ 1 Abs 1 Z 5 JGG).

[8] Nach § 32 Abs 1 erster Satz JGG iVm § 46a Abs 2 JGG sind die Bestimmungen über das Abwesenheitsverfahren bei Angeklagten, die – wie hier – im Zeitpunkt der Verfahrenshandlung das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anzuwenden (vgl Schroll in WK² JGG § 46a Rz 5 f, § 32 Rz 6; RIS‑Justiz RS0121343 [T1]). Ist der junge Erwachsene zur Hauptverhandlung nicht erschienen, so ist diese zu vertagen und gegebenenfalls die Vorführung des Angeklagten anzuordnen (§ 32 Abs 1 zweiter Satz JGG).

[9] Die Durchführung der Hauptverhandlung sowie die Urteilsfällung in Abwesenheit des Angeklagten waren daher unzulässig.

[10] Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich diese Gesetzesverletzungen zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, seiner Entscheidung konkrete Wirkung zuzuerkennen, das Urteil sowie die damit verbundenen Beschlüsse aufzuheben und Verfahrenserneuerung anzuordnen.

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