European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:010OBS00175.21I.0222.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Entscheidungsgründe:
[1] Den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildet die Frage, ob bei der Beurteilung, ob die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer zum Stichtag 1. Juli 2020 abschlagsfrei in Anspruch genommen werden kann (§ 120 [zweiter] Abs 7 GSVG idF BGBl I 2019/103), auch Ersatzzeiten für Präsenzdienstleistung im Jahr 1978 den Beitragszeiten aufgrund einer Erwerbstätigkeit gleichzustellen sind.
[2] Der im Juni 1958 geborene Kläger erwarb zum 1. 7. 2020 insgesamt 535 Beitragsmonate der Pflichtversicherung aus Erwerbstätigkeiten nach dem ASVG und dem GSVG sowie 28 Monate an Ersatzzeiten nach dem ASVG. An Ersatzzeiten erwarb der Kläger ua 8 Monate der Präsenzdienstleistung von April bis November 1978.
[3] Infolge des Antrags des Klägers vom 10. 1. 2020 gewährte ihm die beklagte Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen mit Bescheid vom 8. 7. 2020 ab dem 1. 7. 2020 eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer in Höhe von monatlich 2.972,50 EUR brutto.
[4] Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Zuerkennung einer vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer in gesetzlicher Höhe, jedenfalls aber in Höhe von monatlich 3.334,92 EUR brutto. Zur Vermeidung einer unsachlichen Ungleichbehandlung seien auch die 8 Monate Zeiten des Präsenzdienstes als Beitragsmonate im Sinn des § 120 Abs 7 GSVG zu behandeln.
[5] Die Beklagte wandte dagegen ein, dass die Präsenzdienstzeiten des Klägers zwar für die Erfüllung der Wartezeit als Voraussetzung für die Zuerkennung einer vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer zu berücksichtigen seien, nicht aber für deren Abschlagsfreiheit gemäß § 120 Abs 7 GSVG.
[6] Das Erstgericht sprach dem Kläger dem Grund nach eine abschlagsfreie vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer ab 1. 7. 2020 zu und trug der Beklagten eine vorläufige Zahlung von monatlich 3.334,92 EUR brutto auf. Das darüber hinausgehende Mehrbegehren wies es unangefochten ab. Während § 298 Abs 12 GSVG (Schlussbestimmungen zum BBG 2003, BGBl I 2003/71) Ersatzmonate für Zeiten eines Präsenz‑ oder Zivildienstes als Beitragsmonate berücksichtige und unter den dort gegebenen Voraussetzungen eine Abschlagsfreiheit oder – ab 1. 1. 2014 – eine begünstigende Abschlagsregelung zur Anwendung komme, sehe § 120 Abs 7 GSVG die Anrechenbarkeit von Präsenz‑ oder Zivildienstzeiten für die Abschlagsfreiheit nicht vor. Diese Unterscheidung sei sachlich nicht gerechtfertigt. Einerseits treffe nur Männer die Wehrpflicht, sodass Frauen früher unter Nutzung der Abschlagsfreiheit in Pension gehen könnten. Andererseits seien Männer, die keinen Präsenz‑ oder Zivildienst leisten, gegenüber anderen, die einen solchen Dienst leisten müssten, bevorzugt. Die Nichtaufnahme von Präsenzdienstzeiten als zu berücksichtigende Ersatzzeiten in § 120 Abs 7 GSVG stelle eine planwidrige Lücke dar. Im Weg der Analogie sei § 120 Abs 7 GSVG – unter Berücksichtigung der Wertungen des § 298 Abs 12 GSVG – dahin verfassungskonform auszulegen, dass Ersatzzeiten der Erfüllung der Präsenz‑ oder Zivildienstpflicht als Beitragsmonate einer Erwerbstätigkeit im Sinn des § 120 Abs 7 GSVG gelten.
[7] Das Berufungsgericht stellte über Berufung der Beklagten den Inhalt des angefochtenen Bescheids wieder her und wies das Klage‑(mehr‑)begehren ab. Der Kläger habe nicht zumindest 540 Beitragsmonate im Sinn des § 120 Abs 7 GSVG erworben. Präsenzdienstzeiten seien nicht als Beitragsmonate zu berücksichtigen. Von der Frage, welcher Versicherungsfall vorliege, sei die Frage der Abschlagsfreiheit der Pensionsleistung zu unterscheiden. Die Nichtberücksichtigung von Ersatzzeiten des Präsenz‑ oder Zivildienstes in § 120 Abs 7 GSVG verstoße schon deshalb nicht gegen den Gleichheitssatz, weil diese Zeiten ohnehin als qualifizierte Versicherungsmonate für die Erfüllung der Wartezeit für die Erlangung einer vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer berücksichtigt worden seien. Die Revision sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Berücksichtigung von Präsenzdienstzeiten für die Abschlagsfreiheit nach § 120 Abs 7 GSVG nicht vorliege.
[8] Gegen diese Entscheidung richtet sich die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers, mit der er die Wiederherstellung des Ersturteils beantragt.
Rechtliche Beurteilung
[9] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.
[10] 1.1 Der Gesetzgeber hat mit dem Steuerreformgesetz 2020, BGBl I 2019/103, ein zweites Mal einen Abs 7 in § 120 GSVG geschaffen, sodass § 120 GSVG in weiterer Folge über zwei Absätze 7 verfügte. § 120 GSVG trägt die Überschrift „Wartezeit“. Der hier relevante zweite Abs 7 in § 120 GSVG trat am 1. 1. 2020 in Kraft (§ 376 Z 1 GSVG) und lautete: „(7) Hat die versicherte Person mindestens 540 Beitragsmonate auf Grund einer Erwerbstätigkeit erworben, so ist eine Verminderung der Leistung nach diesem Bundesgesetz sowie nach dem APG unzulässig; § 139 Abs. 4 dieses Bundesgesetzes sowie die §§ 5 Abs. 2 und 6 Abs. 1 APG sind nicht anzuwenden. Als Beitragsmonate auf Grund einer Erwerbstätigkeit gelten auch bis zu 60 Versicherungsmonate für Zeiten der Kindererziehung (§§ 3 Abs. 3 Z 4, 116a oder 116b dieses Bundesgesetzes oder §§ 8 Abs. 1 Z 2 lit. g, 227a oder 228a ASVG oder §§ 4a Abs. 1 Z 4, 107a oder 107b BSVG), wenn sie sich nicht mit Zeiten einer Pflichtversicherung auf Grund einer Erwerbstätigkeit decken.“ Eine inhaltsgleiche Regelung fand sich ua in § 236 Abs 4b ASVG, der mit dem Pensionsanpassungsgesetz 2020, BGBl I 2019/98 (PAG) eingeführt wurde und ebenfalls am 1. 1. 2020 in Kraft trat.
[11] 1.2 Gemäß § 383 Abs 2 GSVG trat „§ 120 Abs. 7“ GSVG mit Ablauf des 31. 12. 2021 außer Kraft (Art 2 Z 3 und Z 7 SVÄG 2020, BGBl 2021/28). Die Gesetzesmaterialien enthalten keine Klarstellung, welcher der beiden Absätze 7 in § 120 GSVG außer Kraft treten sollte. Die Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrats legen eher den Bezug auf den jüngeren, also hier anzuwendenden Absatz nahe (10439 BlgBR 27. GP 4; Pacic, GSVG [132. ErgLfg] 310/3, Hinweis vor § 120 Abs 7; vgl auch § 745 Abs 2 ASVG zum gleichzeitigen Außerkrafttreten von § 236 Abs 4b ASVG). § 120 [zweiter] Abs 7 GSVG ist jedenfalls auf den Kläger gemäß § 383 Abs 4 GSVG weiterhin anwendbar.
[12] 1.3 § 120 [zweiter] Abs 7 GSVG wurde erst im Zuge des Gesetzgebungsprozesses durch den Abänderungsantrag AA‑125 26. GP geschaffen. Die Begründung des Gesetzgebers für diese Bestimmung lautete: „Wer mindestens 45 Jahre lang erwerbstätig war, soll in Zukunft keine Pensionsabschläge mehr haben, auch wenn der Pensionsantritt vor dem 65. Lebensjahr erfolgt. Dabei werden auch bis zu 60 Versicherungsmonate der Kindererziehung als Beitragsmonate der Erwerbstätigkeit berücksichtigt.“
[13] 1.4 Zu den Bestimmungen des § 236b Abs 4 ASVG und des § 120 [zweiter] Abs 7 GSVG hat der Oberste Gerichtshof bisher entschieden, dass es sich dabei um Regelungen über die Erfüllung der Wartezeit handelt, die die Wartezeitregelungen für die (Übergangs‑)Bestimmungen über die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer ergänzen. Sie stellen überdies Vorschriften für die Berechnung einer vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer dar (10 ObS 140/21t Rz 22 mwH).
[14] 2.1 Ersatzzeiten sind bestimmte Zeiten, die, ohne dass für sie ein Beitrag entrichtet worden wäre, als leistungswirksam berücksichtigt werden. Es sind in der Regel Zeiten, während derer der Versicherte aus verschiedenen vom Gesetzgeber anerkannten Gründen nicht in der Lage war, Beiträge zu entrichten (RS0084574). Ersatzzeiten aus der Zeit nach dem 31. 12. 1955 und vor dem 1. 1. 2005 sind gemäß § 227 Abs 1 Z 7 und 8 ASVG (vgl § 116 Abs 1 Z 3 GSVG) Zeiten, in denen der Versicherte aufgrund des Wehrgesetzes 2001 Präsenz‑ oder Ausbildungsdienst oder aufgrund der Bestimmungen des Zivildienstgesetzes ordentlichen oder außerordentlichen Zivildienst bzw einen Auslandsdienst geleistet hat. Darunter fallen die vom Kläger im Jahr 1978 erworbenen Ersatzzeiten für die Ableistung seines Präsenzdienstes.
[15] 2.2 Schon nach dem klaren Wortlaut des § 120 [zweiter] Abs 7 GSVG sind die Ersatzzeiten des Präsenzdienstes des Klägers nicht von dieser Bestimmung erfasst (ebenso Marek, Ab Stichtag 1. 1. 2020 kein Abschlag bei Hacklerpensionen für Männer [aber nicht immer], ARD 6672/5/2019, 4 und Beispiel 2; dieselbe in Poperl/Trauner/Weißenböck, ASVG Praxiskommentar [72. Lfg], § 236 ASVG Rz 32; offen lassend Beck, Pensionsanpassung, Pensionsbonus, abschlagfreie „Frühpension“ sowie Beitragsentlastung versus Sachlichkeitsgebot und Generationengerechtigkeit [Teil III], SozSi 2020, 123 [125] und FN 16; kritisch Weißensteiner, Aus für Abschlagsfreiheit – Neuer Frühstarterbonus kommt, DRdA‑infas 2021, 61; Panhölzl in SV‑Komm [291. Lfg] § 236 ASVG Rz 72).
[16] 2.3 Eine verfassungskonforme Auslegung dieser Bestimmung mit dem vom Revisionswerber gewünschten Ergebnis, dass danach auch die von ihm geleisteten Ersatzzeiten für Präsenzdienst als Beitragsmonate anzusehen sind, kommt nicht in Betracht. Auch die verfassungskonforme Auslegung muss ihre Grundlage im Gesetz haben. Das verfassungskonforme Ergebnis muss im Rahmen des mit Hilfe der Auslegungsgrundsätze der §§ 6 und 7 ABGB erschließbaren Normsinns liegen (RS0008798). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben, weil Ersatzzeiten für Präsenzdienst in § 120 [zweiter] Abs 7 GSVG nicht genannt sind.
[17] 3.1 Die Voraussetzungen für die vom Revisionswerber gewünschte Analogie – etwa zu § 298 Abs 12 GSVG – liegen nicht vor. Eine Analogie setzt eine Gesetzeslücke im Sinn einer planwidrigen Unvollständigkeit voraus (RS0098756 [T1]). Eine solche Lücke ist dort anzunehmen, wo das Gesetz gemessen an seiner eigenen Ansicht und immanenten Teleologie unvollständig und ergänzungsbedürftig ist, ohne dass eine Ergänzung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht (RS0098756 [T14]). Die bloße Meinung des Rechtsanwenders, eine Regelung sei wünschenswert, rechtfertigt die Annahme einer Gesetzeslücke noch nicht (RS0098756 [T3]). Hat der Gesetzgeber für einen bestimmten Sachverhalt eine bestimmte Rechtsfolge bewusst nicht angeordnet, fehlt es an einer Gesetzeslücke und daher auch an der Möglichkeit ergänzender Rechtsfindung (RS0008757 [T1]; RS0008866 [T8]).
[18] 3.2 Von einer planwidrigen Unvollständigkeit kann hier schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil dem Gesetzgeber – wie die Berücksichtigung von Ersatzzeiten für Kindererziehung in § 120 [zweiter] Abs 7 GSVG und ihre ausdrückliche Erwähnung in den Gesetzesmaterialien zeigt – das Problem der Berücksichtigung von Ersatzzeiten bei der Schaffung dieser Bestimmung bewusst war. Die Berücksichtigung von Ersatzzeiten der Kindererziehung ist wiederum doppelt eingeschränkt, sodass auch infolge dieser detaillierten Regelung nicht von einem „Übersehen“ von– auch anderen – Ersatzzeiten ausgegangen werden kann: Nur bis zu 60 Versicherungsmonate für Zeiten der Kindererziehung können nach § 120 [zweiter] Abs 7 GSVG berücksichtigt werden, und dies nur dann, wenn sie sich nicht mit Zeiten einer Pflichtversicherung aufgrund Erwerbstätigkeit decken. Schließlich ist § 120 GSVG eine Wartezeitregel, die begrifflich von Versicherungsmonaten ausgeht, zu denen Ersatzzeiten gehören (§ 119 Z 1 GSVG). Auch § 120 [erster] Abs 7 enthält in unmittelbarster Nähe des zweiten Absatzes 7 dieser Bestimmung eine Regelung über die Berücksichtigung von Ersatzzeiten der Kindererziehung, sodass auch aus diesem Grund nicht von einem „Übersehen“ der Ersatzzeitenproblematik die Rede sein kann.
[19] 3.3 Der vom Revisionswerber gewünschten Analogie stehen auch die bereits vom Erstgericht zitierten Regelungen entgegen: Die Abschläge bei Inanspruchnahme einer vorzeitigen Alterspension regelt § 139 Abs 4 GSVG. Diese Bestimmung ist nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 298 Abs 12 GSVG nicht anwendbar (§ 298 Abs 12 Satz 3 GSVG). Für Versicherte, die wie der Kläger nach dem 31. 12. 1953 geboren sind, gelangt jedoch § 306 Abs 10 GSVG zur Anwendung, der nur auf § 298 Abs 12 Satz 1 GSVG verweist. Grundsätzlich haben daher Versicherte, die die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer unter Anwendung des § 306 Abs 10 GSVG in Anspruch nehmen, mit Abschlägen zu rechnen. Genau solche Abschläge soll § 120 [zweiter] Abs 7 GSVG verhindern, worauf das Erstgericht hingewiesen hat. In § 298 Abs 12 Satz 1 GSVG sind Ersatzzeiten für die Ableistung des Präsenzdienstes ausdrücklich genannt und als Beitragsmonate nach dieser Bestimmung zu berücksichtigen. Auch aus diesem Grund kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber Ersatzzeiten für Präsenz‑ oder Zivildienst in der zu diesem Regelungskomplex in enger Beziehung stehenden Bestimmung des § 120 [zweiter] Abs 7 GSVG „übersehen“ hätte.
[20] 4.1 Der Revisionswerber argumentiert, dass die Bestimmung gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz verstoße, weil es sachlich nicht rechtfertigbar sei, dass Zeiten der Kindererziehung, nicht jedoch Zeiten des Präsenzdienstes als Beitragsmonate im Sinn des § 120 [zweiter] Abs 7 GSVG berücksichtigt werden. Sowohl weibliche Versicherte, die keinen Präsenz‑ oder Zivildienst leisten müssten, als auch männliche Versicherte, die keinen Präsenz‑ oder Zivildienst leisten müssen, würden gegenüber Versicherten in der Situation des Klägers unsachlich bevorzugt.
[21] 4.2 Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs verbietet der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber, Differenzierungen zu schaffen, die sachlich nicht begründbar sind. Sachlich begründbare – also nicht sachfremde – Differenzierungen vorzunehmen, ist dem Gesetzgeber durch das Gleichheitsgebot nicht verwehrt (VfSlg 13.026/1992 mwN uva; RS0054018 [T2]). Dem Gesetzgeber steht verfassungsrechtlich ein Gestaltungsspielraum insoweit zu, als er in seinen rechtspolitischen und wirtschaftspolitischen Zielsetzungen frei ist. Gerade im Sozialversicherungsrecht ist eine durchschnittliche Betrachtungsweise erforderlich, die auf den Regelfall abstellt und damit Härten in Einzelfällen nicht ausschließen kann (RS0053889 [T2]).
[22] 4.3 Ermöglicht der Gesetzgeber einer Gruppe (jüngerer) Versicherter, die ein besonders langes Erwerbsleben hinter sich gebracht und entsprechend viel an Sozialversicherungsbeiträgen gezahlt haben ungeachtet der Regelung des § 306 Abs 10 GSVG unter bestimmten Voraussetzungen die Inanspruchnahme einer abschlagsfreien vorzeitigen Alterspension, so hält er sich im Rahmen der ihm zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit, wenn er lediglich Kindererziehungszeiten als Ersatzzeiten den Beitragsmonaten in diesem Zusammenhang gleichstellt. Kindererziehungszeiten werden in der Regel (noch immer) von weiblichen Versicherten erworben, die aber schon wegen des erst ab 2024 steigenden Pensionsalters regelmäßig erst ab diesem Zeitpunkt die begünstigende Regelung des § 120 [zweiter] Abs 7 GSVG (45 Jahre einer Erwerbstätigkeit!) in Anspruch nehmen könnten, wäre sie noch in Kraft. § 120 [zweiter] Abs 7 GSVG kommt daher vor allem Männern zugute (Pinggera/Körner, Neues in der Pensionsversicherung 2019 – Ein Überblick, Jahrbuch Sozialversicherungsrecht 2020, 135 [141 f]). Dass wiederum Männer, die keinen Präsenz‑ oder Zivildienst leisten mussten, allenfalls früher als ein Versicherter in der Situation des Klägers in den Genuss einer abschlagsfreien vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer gelangen können, ist lediglich dadurch bedingt, dass sie zu einem entsprechend früheren Zeitpunkt 540 Beitragsmonate erworben haben. Nicht jede subjektiv als ungerecht empfundene einfachgesetzliche Regelung verletzt den Gleichheitsgrundsatz (10 ObS 148/03t SSV‑NF 17/68).
5. Ergebnis:
[23] Bei der Beurteilung, ob ein Versicherter die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer zum Stichtag 1. Juli 2020 ohne Abschläge (§ 120 [zweiter] Abs 7 GSVG idF BGBl 2019/103) in Anspruch nehmen kann, sind Ersatzzeiten für Präsenzdienstleistung im Jahr 1978 nicht den Beitragszeiten aufgrund einer Erwerbstätigkeit gleichgestellt.
[24] 6. Der Revision ist daher nicht Folge zu geben.
[25] Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aus der Aktenlage.
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