OGH 8Ob7/22w

OGH8Ob7/22w22.2.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers N* M*, vertreten durch bfp Brandstetter Feigl Pfleger Rechtsanwälte GmbH in Amstetten, gegen die Antragsgegnerin R* A*, wegen Nichtanerkennung einer ausländischen Entscheidung (§ 99 AußStrG), über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 23. November 2021, GZ 15 R 260/21t‑14, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0080OB00007.22W.0222.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Die Zurückweisung eines Revisionsrekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).

[2] 2. Der Antragsteller begehrt den Ausspruch der Nichtanerkennung des Beschlusses des syrischen Schariagerichts in Hama vom 21. 5. 2017, mit dem seine Eheschließung mit der Antragsgegnerin am 1. 6. 2016 bestätigt wurde.

[3] Das Erstgericht wies den Antrag mangels eines Verweigerungsgrundes iSd § 97 Abs 2 AußStrG ab.

[4] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG für nicht zulässig.

[5] 3. Nach § 97 AußStrG wird eine ausländische Entscheidung über die Ehescheidung, Trennung, Ungültigerklärung sowie über die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe in Österreich anerkannt, wenn sie rechtskräftig ist und kein Grund zur Verweigerung der Anerkennung vorliegt.

[6] 3.1. Ein die Anerkennung hindernder Verstoß gegen den ordre public (§ 97 Abs 2 Z 1 AußStrG) liegt nur bei einer Verletzung grundlegender Wertungen des österreichischen Rechts vor. Verstoßen werden kann gegen den materiellen sowie den verfahrensrechtlichen ordre public (Fuchs in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2 §§ 97–100 AußStrG Rz 19; Nademleinsky/Neumayr, Internationales Familienrecht Rz 05.75 mwN).

[7] Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den materiellen ordre public sind bei der inhaltlichen Kontrolle des vorliegendenPersonenstandsbeschlusses aber nicht zu erkennen, ist doch – wie der Revisionsrekurs letztlich einräumt – auch im Bereich der Europäischen Union eine Eheschließung durch bevollmächtigte Stellvertreter nicht generell unzulässig. Bis zum Jahre 1983 hat die Möglichkeit einer Ferntrauung sogar dem österreichischen Rechtsbestand angehört.

[8] Die im Revisionsrekurs gegen die Eheschließung durch Stellvertreter geäußerten allgemeinen Bedenken entfernen sich vom festgestellten Sachverhalt. Weder ist im vorliegenden Verfahren ein mangelnder Ehewille der volljährigen Verfahrensparteien hervorgekommen, noch hat der Antragsteller behauptet, dass es sich bei der Antragsgegnerin nicht um die Person handle, mit der er eine Ehe schließen wollte.

[9] 3.2. Nach § 97 Abs 2 Z 2 AußStrG ist die Anerkennung der ausländischen Entscheidung auch zu verweigern, wenn das rechtliche Gehör eines der Ehegatten nicht gewahrt wurde, es sei denn, er ist mit der Entscheidung offenkundig einverstanden. Dabei handelt es sich um eine besondere Ausprägung des verfahrensrechtlichen ordre public (Fuchs in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 97 Rz 20).

[10] Fest steht, dass der Antragsteller den Willen hatte, die Antragsgegnerin zu heiraten, dass er den gegenständlichen Beschluss bereits im Jahr 2017 erhalten und dass er ihn sodann vor österreichischen Behörden mehrfach zum Nachweis seiner Ehe und zur Ermöglichung der Familienzusammenführung verwendet hat. Bei diesem Sachverhalt bestehen gegen die Beurteilung der Vorinstanzen, dass er mit der gegenständlichen Entscheidung im Sinn des § 97 Abs 2 Z 2 AußStrG einverstanden war, keine Bedenken. Ob der Antragsteller seinen Ehewillen nachträglich wieder verloren hat, ist für die Anerkennung der gegenständlichen Statusentscheidung ohne Relevanz.

[11] 3.3. Nach dem Sachverhalt hat das von der Antragsgegnerin angerufene syrische Gericht seine Entscheidung über die Feststellung der Eheschließung aufgrund der Aussage der Antragsgegnerin und zweier Zeugen in freier Beweiswürdigung getroffen.

[12] Abgesehen von der Beachtung der grundlegenden Anerkennungsvoraussetzungen nach § 97 Abs 2 Z 1 und 2 AußStrG findet im inländischen Anerkennungsverfahren keine Überprüfung des ausländischen Verfahrens oder der ausländischen Entscheidung auf prozessuale und materielle Richtigkeit statt. Ausländische Entscheidungen werden nach § 97 Abs 1 AußStrG vielmehr ipso iure anerkannt, sofern kein Grund für die Verweigerung im Sinn des Abs 2 vorliegt (vgl 3 Ob 121/13k).

[13] Insgesamt zeigt der Revisionsrekurs daher keine die Zulässigkeit des Rechtsmittels begründende erhebliche Rechtsfrage auf.

Stichworte