European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00161.21V.0221.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 22 Abs 4 WGG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG und § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Antragsteller sind Mieter in einer von der Antragsgegnerin, einer gemeinnützigen Bauvereinigung, im eigenen Namen errichteten Wohnhausanlage. Am 30. 7. 2015 wurde Wohnungseigentum begründet. Die Antragsgegnerin ist die Wohnungseigentümerin der von den Antragstellern angemieteten Objekte.
[2] Die Antragsteller begehrten die Überprüfung der Jahresbetriebskostenabrechnung für 2015 und 2016. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrenssind jeweils nur mehr zwei Abrechnungspositionen: die fiktiven Mietkosten für das Hausbetreuungszentrum und die Kosten einer Internetverbindung („UPC“).
Rechtliche Beurteilung
[3] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf.
[4] 1. Auf Betriebskosten, öffentliche Abgaben und Kosten des Betriebs von Gemeinschaftsanlagen finden die Bestimmungen der §§ 21, 23 und 24 MRG (mit Ausnahme der Verwaltungskosten nach § 21 Abs 1 Z 7 iVm § 22 MRG und der Verteilungsgrundsätze des § 24 Abs 1 MRG) voll Anwendung (§ 20 Abs 1 Z 1 lit a und b, Z 2 WGG; 5 Ob 138/17f).
[5] 2. § 21 MRG stellt einen Katalog jener vom Vermieter aufgewendeten Kosten auf, die als Betriebskosten auf die Mieter eines Hauses überwälzt werden dürfen. Diese Aufzählung ist taxativ; eine extensive Gesetzesauslegung zu Lasten der Mieter ist unzulässig (5 Ob 138/17f mwN; RIS‑Justiz RS0069690; RS0067039).
[6] § 24 MRG eröffnet dem Vermieter die Möglichkeit, auch Aufwendungen des laufenden Betriebs für Gemeinschaftsanlagen, die nicht notwendigerweise in allen Häusern vorhanden und im allgemeinen Betriebskostenkatalog daher nicht erfasst sind, auf die Mieter zu überwälzen. Auch im Bereich von Gemeinschaftsanlagen iSd § 24 Abs 2 MRG sind (nur) die Kosten des Betriebs selbst überwälzbar. Es können daher die Kosten der Betreuung der funktionierenden Anlagen, also die Kosten der Wartung und Aufsicht, nicht aber die Kosten der Herstellung oder Reparatur verrechnet werden (5 Ob 138/17f).
[7] 3. Die im Revisionsrekursverfahren strittigen Abrechnungspositionen stehen im Zusammenhang mit dem in der Wohnhausanlage eingerichteten Hausbetreuungszentrum. Mit derartigen Kosten hat sich der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt auseinandergesetzt (5 Ob 270/08d; 5 Ob 72/09p; 5 Ob 138/17f).
[8] In der Entscheidung 5 Ob 270/08d wurde geprüft, ob nach § 23 Abs 2 lit a MRG die Überwälzung fiktiver Miete für den Arbeitsplatz der Hausbetreuer (also für das Hausbetreuungszentrum) gestattet ist. Der Fachsenat kam zum Ergebnis, dass eine Subsumtion der fiktiven Miete für das Hausbetreuungszentrum unter dem Begriff des dem Dienstnehmer gebührenden Entgelts von vornherein ausscheidet. Auch mit den Begriffen „Gerätschaften“ und „Materialien“ verbinden sich nach allgemeinem Verständnis keinesfalls Vorstellungen, die mit (der Bereitstellung von) Räumlichkeiten zu tun haben. Die Verrechnung fiktiver Mietkosten als Betriebskostenlasse sich auch nicht mit ArbeitnehmerInnenschutzbestimmungen begründen. Nur mit dem Entgelt des Dienstnehmers im Zusammenhang stehende Lasten des Vermieters im Sinn von Lohnnebenkosten könnten überwälzt werden, nicht jedoch sonstige, wenn auch aus dem Dienstverhältnis resultierende gesetzlich auferlegte Verpflichtungen, wie zum Beispiel die in § 20 Abs 1 ASchG normierte Pflicht, Arbeitsstätten entsprechend den Vorschriften dieses Bundesgesetzes sowie den dazu erlassenen Verordnungen und entsprechend den für sie geltenden behördlichen Vorschreibungen einzurichten und zu betreiben.
[9] In der Entscheidung 5 Ob 72/09p übertrug der Oberste Gerichtshof diese Erwägungen auf die durch die Einrichtung eines Hausbetreuungszentrums verursachten Miet‑, Energie‑ und Kommunikationskosten, in der Entscheidung 5 Ob 138/17f auf die Anschaffung von Einrichtungsgegenständen, Büromaterial und Bürogeräten. Auch die damit verbundenen Aufwendungen können daher nach der Rechtsprechung des Fachsenats nicht als Betriebskosten nach § 23 Abs 2 lit a MRG auf die Mieter überwälzt werden.
[10] 4.1. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die fiktiven Mietkosten für das Hausbetreuungszentrum und die Kosten der Internetverbindungseien keine Betriebskosten iSd § 21 MRG und keine besonderen Aufwendungen iSd § 24 MRG, entspricht dieser Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.
[11] 4.2. Die Antragsgegnerin bestreitet dies und steht auf dem Standpunkt, im vorliegenden Fall dürfe sie die anteiligen fiktiven Mietkosten für das Hausbetreuungszentrum nach § 24 MRG auf die Mieter überwälzen, weil nach den Feststellungen des Erstgerichts im Hausbetreuungszentrum auch die für den Betrieb (dieser Gemeinschaftseinrichtungen) erforderlichen Überwachungsanlagen für die Brandmeldeanlagen, Garagentor, CO-Brandmeldeanlage, Sauna und Aufzugsanlage untergebracht sind und sichergestellt werden muss, dass Unbefugte keinen Zutritt haben, dieser Raum daher versperrt bleiben muss.
[12] Das Rekursgericht hielt diesem Argument entgegen, dass die Tatsache der Unterbringung in einem versperrbaren Raum nicht gleichbedeutend damit sei, dass ein Hausbetreuungszentrum (mit Küche, Sanitäranlagen und Büroausstattung) erforderlich sei. Wie in dem der Entscheidung 5 Ob 270/08d zugrunde liegenden Fall stehe auch hier gerade nicht fest, dass das Hausbetreuungszentrum für die Fernüberwachung notwendig sei.
[13] Diese Beurteilung des Rekursgerichts ist das Ergebnis der Auslegung einer in einer gerichtlichen Entscheidung enthaltenen Feststellung im Einzelfall, die in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG bildet (RS0118891). Dem Rekursgericht ist auch keine aus Gründen der Rechtssicherheit ausnahmsweise auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen (RS0118891 [T5]). In der Gewinnung tatsächlicher Feststellungen durch Schlussfolgerungen kann auch keine Aktenwidrigkeit gelegen sein (RS0043421 [T4, T6]).
[14] 4.3. Die in den Betriebskostenabrechnungen enthaltenen Kosten der Internetverbindung sollen nach der Auffassung der Antragsgegnerin deshalb als besondere Aufwendungen iSd § 24 MRG auf die Mieter überwälzbar sein, weil sie dem laufenden Betrieb der „behördlich vorgeschriebenen computerunterstützten Fernüberwachung“ technischer Anlagen der Liegenschaft dienten. In ihrem Revisionsrekurs verweist sie dazu auf die Entscheidung 5 Ob 138/17f, in der der Fachsenat die Kosten einer Telefonverbindung als überwälzbare besondere Aufwendungen iSd § 24 MRG ansah. Diese Entscheidung betraf die Kosten der Telefonverbindung zu dem Unternehmen, das zum Brandschutzbeauftragten der Liegenschaft bestellt war. Diese Kosten resultierten unmittelbar aus der für den Betrieb der Brandmeldeanlage behördlich vorgeschriebenen Fernüberwachung und sind deshalb (als Kosten des Betriebs der Brandmeldeanlage) Betriebskosten.
[15] Nach den Feststellungen des Erstgerichts sind die in den Betriebskostenabrechnungen 2015 und 2016 enthaltenen Kosten („UPC“) für die Internetverbindung „für die computerunterstützte Fernüberwachung der technischen Anlagen“ angefallen. Das Rekursgericht verneinte die Überwälzbarkeit dieser Kosten, weil es sich nicht um verrechenbare Leistungen einer Hausbetreuung oder Kostenersätze nach § 23 MRG handle. Soweit sie Beseitigung von Gebrechen beträfen, dienten sie der rascheren Wahrnehmung und sodann Behebung; damit bildeten sie wie die Beseitigungskosten selbst einen Erhaltungsaufwand. Das Rekursgericht versteht daher die festgestellte „computerunterstützte Fernüberwachung“ offenbar als Teil des mit der Einrichtung eines Hausbetreuungszentrums verbundenen Kommunikationssystems.
[16] Den Feststellungen lässt sich tatsächlich nicht entnehmen, dass die Funktion der Internetverbindung hier über die bloß interne Kommunikation hinausreicht und der Funktion einer für die behördlich vorgeschriebene Fernüberwachung durch den externen Brandschutzbeauftragten notwendigen Telefonverbindung gleicht. Vor allem aber hat die Antragsgegnerin die Verrechnung der Kosten für die Internetverbindung im Verfahren erster Instanz noch nicht damit begründet, dass diese Kosten unmittelbar aus der behördlich vorgeschriebenen Fernüberwachung resultierten. Noch in ihrem Rekurs begründete sie die Überwälzbarkeit der Kosten für die Internetverbindung bloß damit, dass die Hausbetreuer den Internetzugang zur Kommunikation mit Hausverwaltung, der Abwicklung von Schadensmeldungen und zu Vergaben von Terminen benötigten. Die erstmals im Revisionsrekurs aufgestellte Behauptung, die Internetverbindung sei notwendiger Bestandteil einer behördlich vorgeschriebenen Fernüberwachung, ist daher eine unzulässige Neuerung (§ 52 Abs 2 WEG iVm § 37 Abs 3 Z 14 MRG; RS0070485).
[17] 5. Der außerordentliche Revisionsrekurs ist daher mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG unzulässig und zurückzuweisen.
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