OGH 9Ob76/21y

OGH9Ob76/21y17.2.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Rechtssache der klagenden Partei B* mbH, *, vertreten durch Mag. Dieter Niederhumer, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei B* GmbH, *, vertreten durch Worthing‑Smith Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Wels, wegen 35.836,02 EUR sA (Revisionsinteresse: 17.146,28 EUR sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 13. August 2021, GZ 2 R 105/21f‑54, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels vom 24. Mai 2021, GZ 8 Cg 28/19t‑49, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0090OB00076.21Y.0217.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.175,22 EUR (darin 195,87 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Zahlung des restlichen Werklohns von 35.836,02 EUR für Baumeisterarbeiten, die sie für die Beklagte erbracht habe. Den von ihr abgerechneten Zusatzleistungen seien vom Bauleiter der Beklagten beauftragte notwendige Änderungen und Zusätze im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben zugrunde gelegen. Sie habe die von der Beklagten verminderte Schlussrechnungszahlung auch nicht widerspruchslos akzeptiert.

[2] Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, Zusatzaufträge seien nicht wirksam erteilt worden. Die Klägerin habe die von der Beklagten vorgenommene Schlusszahlung auch vorbehaltlos akzeptiert und von ihrem Recht, binnen drei Monaten nach Erhalt der Zahlung schriftlich einen gegründeten Vorbehalt (Pkt 8.4.2. der ÖNÖRM B 2110) zu machen, keinen Gebrauch gemacht.

[3] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Umfang von 17.146,28 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren ab.

[4] Das Berufungsgericht gab der dagegen gerichteten Berufung der Beklagten nur im Kostenpunkt Folge, ließ aber die Revision zur Frage zu, ob eine im Rahmen einer Schlussrechnungsbesprechung der Streitteile angefertigte schriftliche Liste der offenen und strittigen Positionen samt Erklärungen und Unterschriften noch zusätzlich vom Werkunternehmer dem Werkbesteller nachweislich übermittelt werden müsse, um von einem begründeten und schriftlichen Vorbehalt im Sinn des Punktes 8.4.2. der ÖNORM 2210 ausgehen zu können.

Rechtliche Beurteilung

[5] Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch unzulässig. Die Zurückweisung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

[6] 1. Die Beklagte richtet sich zunächst dagegen, dass ihr Bauleiter zum Abschluss der Zusatzaufträge ausreichend bevollmächtigt gewesen sei (§ 54 UGB, § 1029 ABGB).

[7] Um Vertretungsmacht iSd § 1029 ABGB begründen zu können, muss ein „äußerer Tatbestand“ die Grundlage für die Überzeugung des Dritten vom Vorhandensein der Vertretungsmacht bieten und vom Vertretenen selbst geschaffen sein (RS0020145). Es muss somit ein durch das Verhalten des Geschäftsherrn zurechenbar veranlasster bestimmter Sachverhalt vorliegen, der objektiv dazu geeignet ist, im Dritten den begründeten Glauben an die Berechtigung des Vertreters zum Abschluss des beabsichtigten Geschäfts zu erwecken (RS0020145 [T16]). Ob die Voraussetzungen einer Anscheinsvollmacht vorliegen, richtet sich nach den Umständen des jeweils zu beurteilenden Falls und begründet damit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0020145 [T15, T17]).

[8] Aus dem vorliegenden Fall ist hervorzuheben, dass der Geschäftsführer der Beklagten mit der Klägerin den Werkvertrag abgeschlossen hatte, in der Folge aber selbst nie vor Ort war. Während des gesamten, über ein Jahr dauernden Bauvorhabens nahm (nur) der Bauleiter an den Baubesprechungen teil. Er blieb einziger Ansprechpartner der Klägerin, dies auch, als sich – wie es insbesondere bei längerfristigen Bauvorhaben häufig der Fall ist – der Bedarf nach Abänderungen und zusätzlichen Arbeiten während der Projektdurchführung ergab. Die Änderungen und Nachtragsarbeiten wurden von der Klägerin schriftlich dokumentiert und dem Bauleiter per Mail kommuniziert. Nachdem die Klägerin der Beklagten mitgeteilt hatte, den von ihr getätigten Abstrich zur Schlussrechnung nicht zu akzeptieren, war es der Bauleiter, der zuletzt an der Besprechung der beanstandeten Schlussrechnung teilnehmen sollte und dort einzelne Positionen anerkennen, ihre Nichtverrechnung oder weitere Abklärungen vereinbaren konnte. Eine allfällige Vollmachtsüberschreitung des Bauleiters wurde der Klägerin auch zu diesem Zeitpunkt nicht kommuniziert. Wenn das Berufungsgericht danach von einer Vollmacht des Bauleiters kraft äußeren Tatbestands ausging, ist das nach der Lage des Falls nicht weiter korrekturbedürftig.

[9] Auf die Frage, ob die Zusatzaufträge und Nachträge hier zu den Rechtshandlungen zählten, die die Vornahme der einem Bauleiter aufgetragenen Geschäfte iSd § 54 UGB gewöhnlich mit sich bringt (vgl RS0019707), oder ob sie im Einzelnen oder erst in Summe diese Dimension überschritten hatten, kommt es danach nicht an.

[10] 2. Im Hinblick auf den im Werkvertrag vereinbarten Schriftformvorbehalt, den die Beklagte missachtet sieht, haben die Vorinstanzen zutreffend darauf hingewiesen, dass es den Parteien obliegt, jederzeit einvernehmlich davon abzugehen (RS0014378; RS0038673). Dem Vorbringen, dass der Bauleiter dazu nicht bevollmächtigt gewesen wäre, stehen die obigen Erwägungen entgegen.

[11] 3. Die Beklagte bringt auch vor, die Klägerin habe gegen die Schlusszahlung der Beklagten vom 10. 7. 2018 keinen wirksamen Vorbehalt iSd Pkt 8.4.2. der ÖNORM B 2110 erhoben. Es müsse sich um einen begründeten Vorbehalt handeln, der dem Werkbesteller auch zugehen müsse.

[12] Punkt 8.4.2. der ÖNORM B 2110 in der hier unstrittig anzuwendenden Fassung ab 15. März 2013 sieht vor, dass die Annahme der Schlusszahlung aufgrund einer Schluss- oder Teilschlussrechnung nachträgliche Forderungen für die vertragsgemäß erbrachten Leistungen ausschließt, „wenn nicht ein Vorbehalt in der Rechnung enthalten ist oder binnen drei Monaten nach Erhalt der Zahlung schriftlich erhoben wird. Der Vorbehalt ist schriftlich zu begründen. Weicht die Schlusszahlung vom Rechnungsbetrag ab, beginnt die Frist von drei Monaten frühestens mit schriftlicher Bekanntgabe der nachvollziehbaren Herleitung des Differenzbetrages.“

[13] Die sachliche Rechtfertigung dieser Regel liegt im Zweck der Bestimmung, die Rechtslage bei Bauprojekten mit zumeist hohen Auftragssummen möglichst innerhalb kurzer Zeit zu klären (s RS0122419, insbes [T6, T7]). Dem Auftragnehmer, der die vom Auftraggeber korrigierte und mit Gründen dafür versehene Schlussrechnung zurückgestellt und auch die verkürzte Schlusszahlung erhalten hat, ist es durchaus zumutbar, seinerseits innerhalb von drei Monaten nach Erhalt dieser Zahlung seine Vorbehalte gegen den Abzug schriftlich zu erheben, um seinen Anspruch auf Nachforderung des gekürzten Betrags nicht zu verlieren. Der Auftraggeber soll nämlich zu einem möglichst frühen Zeitpunkt das gesamte Ausmaß seiner Verpflichtungen überschauen und erfahren können (9 Ob 81/14y mwN). Die Frage, ob der Auftragnehmer bzw Werkunternehmer einen ausreichenden Vorbehalt im Sinn der genannten Bestimmung erhoben hat, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden und begründet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (7 Ob 209/11b; 10 Ob 65/12z; 9 Ob 81/14y).

[14] Allein durch eine schriftliche Erklärung, dass der Werkunternehmer „die Abstriche beeinspruche“ und dass „die Korrekturen falsch seien“, wird in der Regel noch kein begründeter Vorbehalt abgegeben (8 Ob 109/04v). Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass bei der Verpflichtung, den Vorbehalt zu begründen, keine unnötigen, vom Normzweck nicht verlangte Hürden aufgebaut und die Anforderungen an den Werkunternehmer nicht überspannt werden dürfen, muss der Vorbehalt zumindest die vorbehaltenen Ansprüche in erkennbarer Weise individualisieren und – wenigstens schlagwortartig – den Standpunkt des Werkunternehmers erkennen lassen (9 Ob 111/06y).

[15] Hier sandte die Beklagte der Klägerin am 3. 7. 2018 das Korrekturblatt zur Schlussrechnung mit der handschriftlich korrigierten Schlussrechnung. Am 4. 7. 2018 teilte die Klägerin mit, dass die Rechnungskorrektur zur Schlussrechnung aufgrund der fehlenden Unterlagen weder prüfbar noch nachvollziehbar sei und die getätigten Abstriche nicht akzeptiert würden. Am 10./11. 7. 2018 erfolgte die Überweisung des von der Beklagten korrigierten Schlussrechnungsbetrags. Am 12. 7. 2018 fand eine Besprechung zur Schlussrechnung statt, die zu keiner Einigung führte. Am 16. 7. 2018 teilte die Klägerin der Beklagten schriftlich mit, den getätigten Abstrich nicht anzuerkennen und ihn nachzufordern. Am 19. 7. 2018 fand eine weitere Besprechung zur Abklärung der Abstriche statt, bei der anhand einer Liste der von der Klägerin nicht anerkannten Abstriche festgelegt wurde, welche Positionen von der Beklagten (durch ihren Bauleiter) anerkannt wurden, abzuklären verblieben oder einvernehmlich nicht verrechnet werden sollten. Da die Liste jeweils eine Erklärung der Klägerin für die Nichtakzeptanz der Abstriche enthielt (Beil ./P), ist hier auch nicht von einem unbegründeten Vorbehalt auszugehen. Zum Zugang der Liste an den Werkbesteller ist auf die Vertretungsbefugnis des Bauleiters zu verweisen, der die Liste mit der Klägerin auch durchbesprochen und unterzeichnet hat. Die Positionierung der Klägerin bezüglich der vorbehaltenen Ansprüche konnte von der Beklagten danach nicht verkannt werden. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO liegt auch in diesem Zusammenhang nicht vor.

[16] 4. Die Revision der Beklagten ist daher zurückzuweisen.

[17] Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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