OGH 4Nc2/22i

OGH4Nc2/22i28.1.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi und die Hofrätin Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* Ges.m.b.H., *, vertreten durch die KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. D* GmbH, *, vertreten durch die oehner & partner rechtsanwaelte gmbh in Linz, und 2. K*-GmbH, *, vertreten durch Bernhard Scharmüller, Rechtsanwalt in Linz, wegen 226.122,45 EUR sA, über den Delegierungsantrag der klagenden Partei in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0040NC00002.22I.0128.000

 

Spruch:

Zur Verhandlung und Entscheidung in dieser Rechtssache wird anstelle des Landesgerichts Linz das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien bestimmt.

Die Kosten des in der Klage enthaltenen Delegierungsantrags sind weitere Verfahrenskosten.

Die Parteien haben die übrigen Kosten ihrer Äußerungen im Delegierungsverfahren selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin mit Sitz in Wien brachte beim Landesgericht Linz eine Schadenersatzklage gegen die beiden Beklagten mit Sitz in Oberösterreich ein. Die Klägerin sei für ein Bauvorhaben in Wien als Generalunternehmerin tätig gewesen. Nach Wassereintritten habe sie für Mängelbehebungsarbeiten rund eine halbe Mio Euro aufwenden müssen. Die Beklagten seien von der Bauherrin mit der Planung und der Bauphysik beauftragt gewesen. Die Wassereintritte seien unter anderem auch auf ihre Fehler zurückzuführen, sodass sie 23,33 % bzw 10 % der Sanierungskosten verursacht hätten.

[2] Sowohl in der Klage als auch in einem späteren Schriftsatz beantragte die Klägerin die Delegierung des Verfahrens an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien. Dort sei bereits ein Schadenersatzprozess der Klägerin gegen den von ihr beauftragten Planer mit Sitz in Wien anhängig. Auch diesem seien Fehler vorzuwerfen, die zu den Wassereintritten beigetragen und 6,67 % der Sanierungskosten verursacht hätten. Es gelte, eine Über- oder Unterkompensation der Klägerin infolge divergierender Gutachten zu vermeiden.

[3] Beide Beklagte sprachen sich gegen die Delegierung aus.

[4] Das Landesgericht Linz hält die Delegierung für zweckmäßig.

Rechtliche Beurteilung

[5] Der Delegierungsantrag ist berechtigt.

[6] 1. Nach § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden.

[7] Zielsetzung der Delegierung ist eine wesentliche Verkürzung und/oder Verbilligung des Verfahrens sowie eine Erleichterung des Gerichtszugangs oder der Amtstätigkeit (RS0046333 [T6]). Ein Delegierungsantrag ist daher zweckmäßig, wenn die Rechtssache von einem anderen als dem zuständigen Gericht aller Voraussicht nach rascher und mit geringerem Kostenaufwand zu Ende geführt werden kann (RS0053169). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Beweisverfahren oder ein maßgeblicher Teil davon vor dem erkennenden Gericht durchgeführt werden kann, weil die Wahrung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes bedeutsamer erscheint als die Einhaltung der örtlichen Zuständigkeitsordnung (RS0046333 [T3]). Die Zweckmäßigkeit ist daher vor allem anhand des Wohnorts bzw Sitzes der Parteien und der zu vernehmenden Zeugen zu beurteilen (RS0046540; RS0053169 [T12]).

[8] Im vorliegenden Fall boten sämtliche Parteien bisher insgesamt die Einvernahme von drei Personen mit Wohnsitz in Oberösterreich und von fünf Personen aus Wien an. Außerdem beantragte die Klägerin die Beiziehung eines bautechnischen Sachverständigen, der seine Befundaufnahme erforderlichenfalls vor Ort in Wien durchzuführen hätte.

[9] Für die Delegierung spricht auch die Möglichkeit, die beiden dann am Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien anhängigen Schadenersatzprozesse – allenfalls auch nur für die Einholung des Sachverständigengutachtens – zu verbinden, um die mehrfache Beweisaufnahme zu denselben Beweisthemen zu vermeiden und eine nicht unerhebliche Kostenersparnis zu erzielen (vgl RS0046589 [T11]; RS0046528 [T12, T21]; RS0046333 [T9]).

[10] In der Gesamtschauist die Delegierung nach Wien damit eindeutig zweckmäßig, sodass trotz des Ausnahmecharakters der Delegierung und der Einwände der Beklagten die Delegierung anzuordnen war (vgl RS0046589).

[11] 2.1. Die Beklagten haben die Kosten ihrer erfolglosen Beteiligung am Delegierungsverfahren selbst zu tragen (RS0036025 [T3]).

[12] 2.2. Die Klägerin hat zwar in diesem Zwischenstreit obsiegt, ihre Klage enthält aber neben dem Delegierungsantrag auch Vorbringen zur Sache. Diese Prozesshandlung ist daher auch im Hauptverfahren verwertbar und kann im Zwischenstreit nicht honoriert werden (RS0036025 [T5]).

[13] Der Schriftsatz vom 21. 12. 2021 enthält zwar nur den Delegierungsantrag, beschränkt sich aber auf die Wiederholung der schon in der Klage vorgebrachten Argumente und war daher nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig.

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