European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:009OBA00107.21G.1215.000
Spruch:
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.308,05 EUR (darin 384,68 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Klägerin ist Vertragslehrerin des Landes Steiermark für Volksschulen. Sie wurde erstmals im Jahr 1988 und erneut im Jahr 2003 angestellt. Mit Schreiben des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung aus dem Juli 2017 wurde die Klägerin davon in Kenntnis gesetzt, dass sie von der Steiermärkischen Landesregierung gemäß § 26 Abs 3 Landesvertragslehrpersonengesetz 1966, BGBl 1966/172, in der geltenden Fassung mit Wirksamkeit vom 1. 9. 2017 mit der Leitung der Volksschule E* unter gleichzeitiger Zuweisung an diese Schule beauftragt werde. Die Beauftragung mit der Schulleitung erfolge analog zu den Bestimmungen des § 26a Abs 2 des Landeslehrer‑Dienstrechtsgesetz 1984, BGBl 1984/302, in der geltenden Fassung zunächst für einen Zeitraum von vier Jahren, wobei in diesen Zeitraum bis zu einem Höchstausmaß von zwei Jahren Zeiten der Betrauung mit der Funktion als Schulleiter einzurechnen seien. Im Hinblick auf die vorangegangene langjährige Betrauung mit der Leitung anderer Volksschulen sei die Beauftragung mit der Leitung der Volksschule E* bis zum 31. 8. 2019 wirksam. Voraussetzung für den Entfall der vierjährigen Befristung sei gemäß § 26a Abs 2 LDG die Bewährung als Schulleiterin und die erfolgreiche Teilnahme am Schulmanagementkurs – Berufsbegleitender Weiterbildungslehrgang. Mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 11. 8. 2017, GZ ABD06-285752/2015‑30, wurde die Klägerin zur Leiterin der Volksschule E* bestellt.
[2] Mit Schreiben der Bildungsdirektion Steiermark vom 4. 6. 2020 erhielt die Klägerin die Mitteilung, dass aufgrund der ab 1. 1. 2019 neu in Kraft getretenen gesetzlichen Bestimmungen ihre befristete Beauftragung mit der Leitung der Volksschule E* um ein Jahr verlängert werde (mit Verweis auf die Bestimmung des § 15 Abs 3 LVG). Im Schreiben wurde auch darauf hingewiesen, dass die Schulleiterfunktion mit Ablauf des 31. 8. 2020 ende und dass – da keine Wiederbestellung erfolgt sei – gemäß § 15 Abs 4 LVG das Dienstverhältnis in ein Dienstverhältnis als Landesvertragslehrperson ohne Schulleitungsfunktion umgewandelt werde.
[3] Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ihre Schulleitungsfunktion bezüglich der Volksschule E* über den 31. 8. 2020 hinaus aufrecht und unbefristet bestehe.
[4] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
[5] Das Berufungsgericht gab der dagegen von Seiten der Klägerin erhobenen Berufung keine Folge, ließ aber die ordentliche Revision zur Frage der Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen (§ 26 LVG sowie § 207h BDG) zu.
[6] In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Klägerin die Abänderung des Berufungsurteils im Sinn einer Klagsstattgabe.
[7] Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu, ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[8] I. Die Revision ist mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig, weil sich die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen aufgrund bestehender, im Wortlaut eindeutiger gesetzlicher Regelungen sowie bestehender Rechtsprechung lösen lassen. Der Oberste Gerichtshof ist diesbezüglich an den Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts nicht gebunden. Die Zurückweisung einer Revision kann sich auf die Zurückweisungsgründe beschränken (§510 Abs 3 ZPO).
[9] II.1. Die Klägerin richtet sich dagegen, dass das Berufungsgericht das Bildungsreformgesetz 2017 (BGBl I 2017/138) fallaktuell nur zum Teil, und zwar ausschließlich zu ihren Lasten, angewendet habe, indem es für die (damals zwingende) Einrechnung von Vordienstzeiten in die Funktionsdauer die alte Rechtslage, sonst aber die neue Rechtslage (im Wesentlichen Verlängerung der befristeten Funktionsdauer; Notwendigkeit einer Wiederbestellung statt ex lege Entfall der zeitlichen Begrenzung bei Bewährung, wenn keine Mitteilung des Dienstgebers einer Nichtbewährung erfolgt) angewandt habe.
[10] II.2. Nach § 5 ABGB wirken Gesetze im Allgemeinen auf abgeschlossene Sachverhalte oder auf vergangene Zeitabschnitte bei Dauerrechtsverhältnissen nicht zurück (8 ObA 70/15z Pkt 2.1; 9 ObA 8/16s). Sofern es sich aber um Dauertatbestände handelt, ist der in den Zeitraum der Herrschaft der neuen Rechtsnorm herüberreichende Abschnitt des Dauertatbestands nach den Vorschriften des neuen Gesetzes zu beurteilen, falls nicht Übergangsbestimmungen etwas anderes anordnen (RS0008747; RS0008715 [T7, T19], RS0031419 [T24]). Vor allem bei einem Dauerrechtsverhältnis, das vor dem Beginn seines zeitlichen Geltungsbereichs begonnen hat und während seines zeitlichen Geltungsbereichs andauert, ist das neue Gesetz hinsichtlich jener Zeitabschnitte anzuwenden, die auf den Zeitraum nach dem Beginn des zeitlichen Geltungsbereichs entfallen (9 ObA 8/16s). Die Rückwirkung eines Gesetzes bezieht sich nur auf jene Tatbestände, für die die Rückwirkung ausdrücklich ausgesprochen wird (RS0008694), sodass Rechtsänderungen auf abschließend verwirklichte Sachverhalte nicht zurückwirken, sofern der Gesetzgeber nicht ausdrücklich Gegenteiliges anordnet (RS0008694 [T8]) oder der besondere Charakter einer zwingenden Norm nicht deren rückwirkende Anordnung verlangt (RS0008694 [T4]).
[11] II.3. Von der Klägerin wird nicht bestritten, dass die durch das Bildungsreformgesetz 2017, BGBl I 2017/138, geänderten Fassungen der §§ 26 ff LDG bzw § 207h BDG, soweit hier von Bedeutung, jeweils mit 1. 1. 2019 in Kraft traten und eine auf den Sachverhalt anzuwendende Übergangsregelung, wonach auf sämtliche vor diesem Zeitpunkt bereits bestehenden befristeten Bestellungen die alte Rechtslage weiterhin anzuwenden wäre, nicht getroffen wurde. Nach den dargelegten Grundsätzen ist daher für die Frage der Einrechnung der Vordienstzeiten in die Funktionsdauer die alte Rechtslage (§ 26a LDG 1984 idF BGBl I 2015/65) anzuwenden, weil sie die Ernennung der Klägerin mit der Leitung der Volksschule im Jahr 2017 betrifft, für die auch die Funktionsdauer festzulegen war. Dies bedeutete hier eine gesetzlich vorgesehene, antragsunabhängige Einrechnung von (höchstens) zwei Jahren in die damals vierjährige Funktionsdauer als Schulleiter/in. Dafür, dass diese bereits erfolgte Einrechnung mit dem Bildungsreformgesetz 2017 nachträglich ungültig werden sollte und die Frage der Einrechnung während der laufenden Funktionsdauer neu bewertet werden sollte, gibt es keine Grundlage. Dass eine Einrechnung nach neuer Rechtslage nur mehr über Antrag erfolgen kann, ist für den vorliegenden Fall daher ohne Belang – gleich, ob nach den infolge der Bildungsreform 2017 geltenden Bestimmung des § 207h Abs 1 BDG (iVm §§ 26 Abs 1 lit a LVG 1966, §§ 43a Abs 4 S 3, 90a VBG) oder den Bestimmungen des § 26 Abs 3 LVG 1966 iVm § 26b Abs 3 LDG analog (mit der Dienstrechtsnovelle 2020, BGBl I 2020/153, korrigiertes Redaktionsversehen in § 26 Abs 3 LVG 1966).
[12] II.4. Die mit der Bildungsreform 2017 erfolgte gesetzliche Verlängerung der Funktionsdauer um ein Jahr betraf dagegen den Ablauf der (ursprünglichen) Frist, der bereits unter das Regime der neuen Rechtsnorm fiel und daher nach den Vorschriften des neuen Gesetzes zu beurteilen war. Der darin vorgesehenen verlängerten Funktionsdauer wurde von der Beklagten in ihrem Schreiben vom 4. 6. 2020, in dem sie als neues Fristende den 31. 8. 2020 bekannt gab, auch Rechnung getragen.
[13] II.5. Weiter ergibt sich aus den dargelegten Grundsätzen, dass die Verlängerung der Leiterfunktion über das Fristende hinaus nicht mehr nach alter Rechtslage zu erfolgen hatte, die noch einen „Automatismus“ dahin kannte, dass die zeitliche Begrenzung der Funktion von Gesetzes wegen entfiel, sofern dem Inhaber der Funktion nicht spätestens drei Monate vor Ablauf des Bewährungszeitraums mitgeteilt wurde, dass er sich auf seinem Arbeitsplatz nicht bewährt habe (Möglichkeit der „Abberufung“ statt nunmehr Möglichkeit der Wiederbestellung).
[14] Nach neuer Rechtslage ist zwar vorgesehen, dass dem Schulleiter/der Schulleiterin frühestens sechs und spätestens drei Monate vor Fristablauf mitzuteilen ist, ob eine Wiederbestellung erfolgen soll – was sohin nicht nur bei beabsichtigter Wiederbestellung, sondern bei jeder Entscheidung darüber, insbesondere auch bei beabsichtigtem Auslaufen‑Lassen der Frist, gilt (arg.: „ob“). Das ist aber als Ordnungsvorschrift zu verstehen, weil selbst bei unterbliebener Mitteilung nach neuer Rechtslage keine gesetzliche Anordnung einer Verlängerung der Leiterfunktion ohne aktives Zutun des Dienstgebers mehr besteht. Der früher angeordnete Entfall der zeitlichen Begrenzung aus dem Grund der Bewährung „kraft Gesetzes“ (§ 207h Abs 3 BDG 1979, § 26a Abs 3 LDG 1984, in der jeweils bis 31. 12. 2018 geltenden Fassung) existiert nicht mehr. Die Anwendung der neuen Rechtslage auf noch nicht definitiv gestellte Schulleiter/innen trägt insoweit auch dem Bestreben des Gesetzgebers der Bildungsreform 2017 nach einer Weiterentwicklung eines bundesweit einheitlichen Objektivierungsverfahrens für Führungskräfte im Schuldienst Rechnung (s ErlBem 2254/A 25. GP S 180).
[15] II.6. Da damit weder für eine unbefristete Verlängerung des Dienstverhältnisses der Klägerin noch für ein „frühestes Ende des Dienstverhältnisses zum 31. 8. 2022“ eine Rechtsgrundlage ersichtlich ist, ist die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
[16] III. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO; die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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