European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00197.21H.1214.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks mit einem im 19. Jahrhundert darauf errichteten Gebäude, für das im Flächenwidmungsplan eine Widmung als „Wohngebäude im Grünland“ besteht. 2009 wurde ihr von der beklagten Gemeinde für die Errichtung eines Zubaus auf einem zu diesem Zweck abgeschriebenen Teil ihres Grundstücks eine Bauplatz- sowie Baubewilligung erteilt. Da die Bauführung nicht innerhalb der Grenzen des genehmigten Bauplatzes erfolgte, untersagte die Beklagte deren Fortsetzung. In weiterer Folge beantragte die Klägerin – in Absprache mit Organen der Beklagten – eine Änderung des Flächenwidmungsplans durch „Verschiebung“ der für das bestehende Wohngebäude ausgewiesenen Baufläche auf jenen Teil des (abgeschriebenen) Grundstücks, auf dem das neue Gebäude (im Rohbau) bereits errichtet worden war. Gleichzeitig erklärte sie sich dazu bereit, das alte Gebäude – nach Rechtskraft einer für den Neubau zu erteilenden Baubewilligung – abzutragen, da die Beklagte die Auffassung vertrat, bei der gegebenen Widmung dürfe nur ein Hauptgebäude bestehen. Nachdem die rechtsanwaltlich vertretene Beklagte diesen Lösungsvorschlag zur „Sanierung“ des Schwarzbaus der Klägerin mit der Gemeindeaufsichtsbehörde (mit Juristen des Verfassungsdienstes des Amts der oberösterreichischen Landesregierung) „abgestimmt“ hatte, beschloss der Gemeinderat am 9. 7. 2015 eine Änderung des Flächenwidmungsplans im Sinn des Antrags der Klägerin „unter Berücksichtigung, dass die Kundmachung der Flächenwidmungsplanänderung erst nach erfolgtem Abbruch des Altbaus durchzuführen ist“. Bereits mit Beschluss vom 11. 6. 2015 hatte der Gemeinderat den Bürgermeister „beauftragt“, die Kundmachung der Flächenwidmungsplanänderung erst nach Abbruch des bestehenden Wohnhauses vorzunehmen, „damit […] nicht mehrere Hauptgebäude bestehen bzw ein Gebäude im Grünland situiert wird – was eindeutig des [den] Raumordnungsgrundsätzen und den rechtlichen Vorgaben widersprechen würde“. Die Landesregierung als Gemeindeaufsichtsbehörde genehmigte den (mit ihr abgestimmten) Beschluss über die Flächenwidmungsplanänderung.
[2] Am 7. 3. 2016 – kurz vor dem beabsichtigten Abbruch durch die Klägerin – stellte das Bundesdenkmalamt (nachdem es die Klägerin selbst vom bevorstehenden Abbruch informiert hatte) das bestehende Wohngebäude unter Denkmalschutz. Am 7. 7. 2016 beschloss der Gemeinderat nach Vorlage der Angelegenheit durch den Bürgermeister, dass von der Flächenwidmungsplanänderung vom 9. 7. 2015 „aufgrund Gesetzwidrigkeit (Verstoß gegen Raumordnungsgrundsätze) Abstand genommen wird und der bisher in Kraft befindliche Flächenwidmungsplan weiter gilt“. Gleichzeitig wurde für die Grundstücke der Klägerin für zwei Jahre ein Neuplanungsgebiet verordnet. Gegen den Gemeinderatsbeschluss vom 7. 7. 2016 erhobene Aufsichtsbeschwerden der Klägerin blieben erfolglos. Mit Beschluss vom 22. 7. 2018 wurde die Neuplanungsgebietsverordnung für ein weiteres Jahr (bis 23. 7. 2019) verlängert. 2017 wurde der Klägerin die Abtragung ihres Rohbaus aufgetragen. Die von der Klägerin dagegen erhobenen Rechtsmittel an den Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof blieben ohne Erfolg. Am 13. 9. 2019 wurde ihr die Ersatzvornahme angedroht.
[3] Die Klägerin begehrt die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle Schäden und Nachteile aus der „Nichtkundmachung“ der Flächenwidmungsplanänderung vom 9. 7. 2015 sowie aus der Unterlassung einer Neuplanung im Flächenwidmungsplan „gemäß der Neuplanungsgebietsverordnung vom 7. 7. 2016“, insbesondere für die Kosten und sonstigen Nachteile aus einem vollständigen oder teilweisen Abbruch bzw aus einem Rück- oder Umbau des neu errichteten Wohnhauses (samt Schuppen und Senkgrube) sowie die Kosten der „darüber geführten“ bzw noch zu führenden baubehördlichen und verwaltungsgerichtlichen Verfahren.
[4] Das Erstgericht wies die Klage ab. Dass der Bürgermeister die Kundmachung der am 9. 7. 2015 beschlossenen Flächenwidmungsplanänderung unterließ und den Gemeinderat (im Juni 2016) – nachdem das bestehende Gebäude unter Denkmalschutz gestellt worden war – neuerlich mit der Angelegenheit befasste, sei rechtlich vertretbar gewesen, weil eine Kundmachung vor Abriss des bestehenden Gebäudes gegen raumordnungsrechtliche Vorgaben verstoßen hätte. Das Unterbleiben der Kundmachung habe auch den Vorgaben des Gemeinderats entsprochen und sei Teil der von der Klägerin angestrebten Lösung zur „Sanierung“ ihrer konsenslosen Bauführung gewesen. Nach Aufhebung des Beschlusses vom 9. 7. 2015 mit Beschluss vom 7. 7. 2016 habe keine Grundlage mehr für dessen Kundmachung bestanden. Soweit das Feststellungsbegehren auf die unterbliebene Neuplanung trotz erlassener Neuplanungsverordnung gestützt werde, sei nicht nachvollziehbar, welche konkreten Planungsschritte die Beklagte setzen hätte sollen, um einen Schaden der Klägerin abzuwenden.
[5] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Klägerin leite ihren Amtshaftungsanspruch daraus ab, dass die Beklagte einen rechtswidrigen Zustand (nämlich die Bewilligung der Errichtung eines Neubaus im Grünland) nicht hergestellt und den diesbezüglichen Wünschen der Klägerin nicht entsprochen habe. Das Flächenwidmungsverfahren sei nur deshalb eingeleitet worden, weil die Klägerin von der ihr erteilten Baubewilligung keinen Gebrauch gemacht, sondern ein anderes Gebäude an einer anderen Stelle ihrer Liegenschaft errichtet habe, womit sie „ihre erworbenen Rechte selbst zunichte gemacht habe“. Es sei in unzähligen Gesprächen – unter Einholung juristischer Beratung durch beide Seiten sowie Einbeziehung der Gemeindeaufsichtsbehörde – versucht worden, eine Lösung zu finden, bei der ein Abriss des neu errichteten Gebäudes vermieden und der „Schwarzbau“ saniert werden könne. Dies sei aber nur unter der „Bedingung“ möglich gewesen, dass das bestehende Gebäude abgetragen werde, womit die Klägerin einverstanden gewesen sei. Letztlich sei dies aber – aufgrund des Verhaltens der Klägerin – unmöglich geworden. Der Bürgermeister habe sich bei der unterlassenen Kundmachung des Beschlusses vom 9. 7. 2015 rechtlich vertretbar auf § 59 Abs 2 Oö GemO gestützt, wonach dieser eine neuerliche Beratung und Beschlussfassung des beschlussfassenden Kollegialorgans zu veranlassen hat, wenn der Bürgermeister der Ansicht ist, dass durch einen Beschluss ein Gesetz oder eine Verordnung verletzt wird. Dass der Abriss des alten Gebäudes eine „Bedingung“ für die Flächenwidmungsplanänderung gewesen sei, habe auch keinen Schaden der Klägerin verursacht, weil das neue Gebäude sonst keinesfalls errichtet werden hätte dürfen.
[6] Zum auf die Verordnung eines Neuplanungsgebiets bzw auf die Unterlassung einer dementsprechenden Neuplanung gestützten Feststellungsbegehrens erachtete das Berufungsgericht die Berufung als nicht gesetzmäßig ausgeführt, es sei auch nicht ersichtlich, inwieweit der Klägerin durch die unterbliebene Neuplanung Schäden entstehen sollten; sowohl der Verfassungs- als auch der Verwaltungsgerichtshof hätten die Neuplanungsverordnung als gesetzmäßig angesehen.
[7] Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 30.000 EUR. Die ordentliche Revision sei mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
[8] Die Revision der Klägerin ist nicht zulässig, weil sie keine solche Rechtsfrage aufzeigt.
[9] 1. Im Amtshaftungsverfahren ist nur zu prüfen, ob eine Rechtsansicht vertretbar war (RIS‑Justiz RS0049951; RS0049955). Die Beurteilung der Vertretbarkeit hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet typischerweise keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0110837; RS0049955 [T10]).
[10] 2. Die Klägerin wirft der Beklagten zusammengefasst vor, dass der Beschluss des Gemeinderats vom 9. 7. 2015, mit dem der Flächenwidmungsplan geändert werden sollte, vom Bürgermeister nicht gemäß § 34 Abs 5 Oö ROG bzw § 94 Abs 3 Oö GemO kundgemacht wurde. Die Vorgehensweise, wonach die Flächenwidmungsplanänderung – die sich nur auf die Grundstücke der Klägerin bezog und eine nachträgliche „Sanierung“ ihrer konsenswidrigen Bauführung bezweckte – erst nach Abbruch des alten Gebäudes „wirksam“ werden sollte, war jedoch mit ihr abgestimmt. Aus den erstinstanzlichen Feststellungen ergibt sich auch, dass die von der Klägerin angestrebte Änderung des Flächenwidmungsplans ohne einen solchen Abbruch nicht beschlossen worden wäre. Somit wäre diese auch dann unterblieben (worauf die Klägerin ihr erstes Feststellungsbegehren stützt), wenn der Gemeinderat auf die behauptete Unzulässigkeit seines Vorgehens, den Bürgermeister anzuweisen, seinen Beschlusses erst nach Abriss des alten Gebäudes kundzumachen, Bedacht genommen hätte. Dann wäre nämlich jegliche Beschlussfassung – und damit auch die von der Klägerin angestrebte Änderung – unterblieben. Diese „Anweisung“ war daher für das potenziell schädigende Ereignis (das Unterbleiben einer wirksamen Flächenwidmungsplanänderung) nicht ursächlich, was schon im Feststellungsprozess zu berücksichtigen ist (vgl RS0038915 [T2]; 1 Ob 48/20w).
[11] 3. Davon abgesehen begegnet es keinen Bedenken, dass es die Vorinstanzen als rechtlich vertretbar ansahen, dass die mit großem „Entgegenkommen“ speziell auf die Klägerin zugeschnittene Änderung des Flächenwidmungsplans vom Bürgermeister (als gemäß § 94 Abs 3 Oö GemO zur Kundmachung von Gemeindeverordnungen berufenes Organ) nicht kundgemacht wurde. Die Beklagte kam der Klägerin insoweit entgegen, als sie eine Änderung des Flächenwidmungsplans zum Zweck der „Sanierung ihres Schwarzbaus“ für den Fall erwog, dass das alte Gebäude abgetragen wird, weil für dieses nach Ansicht der Organe der Beklagten (sowie der Aufsichtsbehörde) sonst (also nach dem geänderten Flächenwidmungsplan) die erforderliche Widmung als Bauland nicht mehr bestanden hätte. Vor dem Hintergrund dieser mit der Klägerin sowie der Gemeindeaufsichtsbehörde abgestimmten Vorgehensweise kann der Beschluss des Gemeinderats vom 9. 7. 2015 – und auch der Genehmigungsbescheid – durchaus dahin verstanden werden, dass die im ausschließlichen Interesse der Klägerin gelegene Flächenwidmungsplanänderung nur unter der Bedingung wirksam werden sollte, dass das bestehende Gebäude abgetragen wird. Dies ergibt sich auch aus der in diesem Beschluss enthaltenen Formulierung „unter Berücksichtigung, dass die Kundmachung der Flächenwidmungsplanänderung erst nach erfolgtem Abbruch des Altbaus durchzuführen ist“. Da jede Verordnung erst mit ihrer Kundmachung wirksam wird, wollte der Gemeinderat damit ersichtlich zum Ausdruck bringen, dass sein Beschlusses erst nach Abriss des bestehenden Gebäudes wirksam werden sollte. Der Bürgermeister durfte daher rechtlich vertretbar annehmen, dass noch kein unbedingt wirksamer Gemeinderatsbeschluss bestand und insoweit auch keine Kundmachung zu erfolgen hatte. Die Ansicht des Berufungsgerichts, es sei rechtlich vertretbar gewesen, dass der Bürgermeister schon damals – und umso mehr nach dem Beschluss des Gemeinderats vom 7. 7. 2016 – endgültig von einer Kundmachung des ersten Beschlusses Abstand nahm, ist nicht korrekturbedürftig.
[12] 4. Zu ihrem aus der trotz Neuplanungsverordnung (gemäß § 45 Oö BauO) unterbliebenen Neuplanung abgeleiteten Feststellungsbegehren legt die Revisionswerberin (neuerlich) nicht dar, welche – ihr rechtlich zustehende – konkrete Änderung des Flächenwidmungsplans oder des Bebauungsplans die Beklagte rechtswidrig und schuldhaft unterlassen haben soll. Sie setzt sich auch nicht damit auseinander, inwieweit ihr ausgehend von der festgestellten Zielsetzung der Neuplanungsverordnung, „die Reduktion der im Planungsraum vorhandenen Objekte auf ein Hauptgebäude sicherzustellen“, durch das Unterbleiben einer solchen Neuplanung Nachteile drohen könnten. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zeigt die Revisionswerberin somit auch zu ihrem zweiten Feststellungsbegehren nicht auf.
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