European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00190.21D.1214.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass es lautet:
„Der Beschluss des Erstgerichts, das Verfahren über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Amtsgerichts Laufen (Deutschland) über den Antrag der Antragstellerin auf Versorgungsausgleich zu unterbrechen, wird ersatzlos aufgehoben.“
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
[1] Die Ehe der Streitteile, die beide österreichische Staatsbürger sind, wurde mit Urteil des Erstgerichts vom 13. 6. 2019 aus dem Verschulden der Antragstellerin geschieden.
[2] Sie begehrte, dem Antragsgegner die während der Ehe erworbene Eigentumswohnung zuzuweisen und ihn zu einer Ausgleichszahlung an sie in der Höhe von 308.880 EUR zu verpflichten.
[3] Der Antragsgegner stellte seinerseits den Antrag, die Ausgleichszahlung mit 137.735 EUR festzusetzen. Dazu brachte er unter anderem vor, die Antragstellerin habe vor dem Amtsgericht Laufen einen Antrag nach dem (deutschen) Versorgungsausgleichsgesetz gestellt. Das habe zur Folge, dass er als schuldlos geschiedener Partner einen Teil seiner Pension an die Antragstellerin abtreten werde müssen. Der korrespondierende Kapitalwert der Versorgungsrente, also jenes Betrags, um den sich seine Rente mindere, betrage nach Auskunft der deutschen Rentenversicherung 96.144,87 EUR. Dieser Betrag sei im Rahmen der Billigkeit bei Festlegung der Ausgleichszahlung zu berücksichtigen.
[4] Das Erstgericht unterbrach das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung des zuständigen deutschen Amtsgerichts über den Versorgungsausgleich der Antragstellerin. Das dem österreichischen Recht fremde Instrument des Versorgungsausgleichs weise sowohl Aspekte unterhaltsrechtlicher als auch aufteilungsrechtlicher Natur auf. Es sei eine Anwartschaft „angespart“ worden, welche gleich einem angesparten Wertpapierdepot oder einer angesparten Lebensversicherung aufzuteilen sei.
[5] Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts, soweit es das Aufteilungsverfahren „hinsichtlich des Begehrens, den Antragsgegner zu einer Ausgleichszahlung von 96.144,87 EUR zu verpflichten“, unterbrochen hat, und behob sie im Übrigen ersatzlos. Die Antragstellerin habe aufgrund der Scheidung der Ehe aus ihrem Verschulden keine Unterhaltsansprüche gegenüber dem Antragsgegner, sodass dieser ein Eigeneinkommen der Antragstellerin aus dem Versorgungsausgleich nicht als Minderung einer Unterhaltsverpflichtung einwenden könne. Damit sei sie durch ihren Anspruch auf einen Teil der vom Antragsgegner während der ehelichen Lebensgemeinschaft durch Beitragszahlungen erworbenen Rentenansprüche, wodurch dessen Anspruch gemindert werde, besser gestellt als ein schuldig geschiedener Ehegatte, der keinen Anspruch auf Versorgungsausgleich habe, weil sein Ehegatte nur in Österreich Pensions‑ oder Rentenansprüche erworben habe. Zwar lehne der Oberste Gerichtshof die Einbeziehung einer bloßen Anwartschaft aus einem Versicherungsvertrag vor dem Eintritt des Versicherungsfalls in die Aufteilungsmasse ab, fraglich sei aber, ob tatsächlich nur der Eintritt des Versicherungsfalls während ehelicher Gemeinschaft berücksichtigt werden solle. Trete der Versicherungsfall nämlich erst danach, allerdings noch vor dem Zeitpunkt der Aufteilungsentscheidung ein, so würde dies insofern nicht der Billigkeit entsprechen, als einem Ehegatten ein zu diesem Zeitpunkt tatsächlich bereits angefallenes Vermögen alleine verbleibe würde, obwohl es aus Beiträgen während der Ehe und daher durch einen Konsumverzicht beider Ehegatten geschaffen worden sei. Aus diesem Grund erscheine es gerechtfertigt, bei der Aufteilung auch den Eintritt des Versicherungsfalls und damit die Realisierung einer Anwartschaft bis zum Zeitpunkt der Aufteilungsentscheidung zu berücksichtigen. Da die Rentenansprüche im vorliegenden Fall aufgrund des Alters der Parteien bereits angefallen und auch der Höhe nach feststellbar seien, könne eine Berücksichtigung des der Antragstellerin zustehenden Versorgungsausgleichs im Rahmen der nach Billigkeit zu treffenden Aufteilungsentscheidung nicht ausgeschlossen werden. Der im Aufteilungsverfahren allenfalls zu berücksichtigenden Anspruch belaufe sich höchstens auf den vom Antragsgegner eingewendeten Betrag von 96.144,87 EUR, sodass eine darüber hinausgehende Unterbrechung des Verfahrens keinesfalls gerechtfertigt sei.
[6] Den Revisionsrekurs erklärte das Rekursgericht für zulässig, weil eszur Frage, ob der Erwerb einer Anwartschaft auf einen Versorgungsausgleich in Deutschland durch den nach österreichischem Recht schuldig geschiedenen Ehegatten im Aufteilungsverfahren aus Billigkeitsgründen nicht doch zu berücksichtigen sei und es dazu ausreiche, wenn der Versorgungsfall erst nach der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft, aber noch vor der Aufteilungsentscheidung eintrete, von den Rechtssätzen in den dazu bisher ergangenen Entscheidungen abgewichen sei.
Rechtliche Beurteilung
[7] Der vom (Antragsgegner beantwortete) Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig und berechtigt.
[8] 1.1 Nach § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG, der § 190 Abs 1 ZPO nachgebildet ist, kann das Gericht das Verfahren – auch von Amts wegen – unterbrechen, wenn eine Vorfrage über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses den Gegenstand eines anderen anhängigen oder eines von Amts wegen einzuleitenden Verfahrens vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde bildet, die Lösung der Vorfrage im anhängigen Verfahren nicht ohne einen erheblichen Verfahrensaufwand möglich und mit der Unterbrechung keine unzumutbare Verzögerung verbunden ist.
[9] 1.2 Grundvoraussetzung für eine solche Unterbrechung ist also ein anhängiges (oder ein von Amts wegen einzuleitendes) Verfahren vor einem Gericht oder vor einer Verwaltungsbehörde, in welchem – als Hauptfrage! – über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses zu entscheiden ist, das im zu unterbrechenden Verfahren als Vorfrage zu beurteilen ist (Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG² § 25 Rz 41; Rechberger in Rechberger, AußStrG³ § 25 Rz 9).
[10] 2. Ziel des Aufteilungsverfahrens ist die billige Aufteilung der ehelichen Errungenschaft. Damit ist das während der Ehe, genauer bis zur Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft, Erarbeitete oder Ersparte gemeint (RIS‑Justiz RS0057486), wobei nicht entscheidend ist, ob die Errungenschaft durch gemeinsame Tätigkeit geschaffen wurde (RS0057486 [T3]) oder ob sie auf Anstrengungen oder Konsumverzicht (Zurückhaltung) beruht (RS0057486 [T8, T11]).
[11] 3.1 Zwischen geschiedenen Ehepartnern findet gemäß § 1587 BGB nach Maßgabe des Versorgungsausgleichsgesetzes (VersAusglG vom 3. 4. 2009, dt BGBl I S 700) ein Ausgleich von im In‑ und Ausland bestehenden Anrechten, insbesondere aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder anderen Regelsicherungssystemen sowie aus der betrieblichen oder der privaten Altersversorgung statt. Dieser Versorgungsausgleich gleicht die während der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften der Ehepartner aus, indem vom Rentenkonto des Partners mit den höheren Anwartschaften die Hälfte der Anwartschaftsdifferenzen auf den anderen übertragen werden. Insoweit erwirbt der Begünstigte Anwartschaften ohne eigene Beitragszahlungen (vgl dazu 10 ObS 41/13x mwN) und das Recht, diese selbst gegenüber der Rentenversicherung zur Versorgung im Alter beanspruchen zu können. Ein güterrechtlicher Ausgleich findet nach § 2 Abs 4 VersAusglG für Anrechte nach diesem Gesetz nicht statt.
[12] 3.2 Dem österreichischen Recht ist ein solcher Versorgungsausgleich durch die Aufteilung von Anwartschaften für geschiedene Ehegatten fremd (1 Ob 53/02d; RS0119984). Der Ehegatte, der während der Dauer der Ehe Versicherungsmonate in der Unfall‑ und Pensionsversicherung erworben hat, bleibt auch nach Ehescheidung ungeschmälert im Besitz seiner Anwartschaften gegenüber den Versicherungsträgern (1 Ob 53/02d). Solche Pensionsanwartschaften oder auch Ansprüche auf vorzeitige Pensionsauszahlungen sind nicht als eheliche Ersparnisse anzusehen (1 Ob 187/09w). Von einer Ersparnis kann nur bei Wertanlagen gesprochen werden, die ihrer Art nach üblicherweise für eine Verwertung bestimmt sind (RS0057792). Das trifft auf das Recht, eine gesetzliche Altersversorgung in Anspruch zu nehmen, nicht zu.
[13] 3.3 Gegenstand des von der Antragstellerin vor dem Amtsgericht Laufen anhängig gemachten Verfahrens sind nach der vom Antragsgegner vorgelegten (unstrittigen: dazu RS0040083 [T1]) Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung, die sich in der Anwartschaftsphase befinden. Der (öffentlich‑rechtliche: dazu Deixler‑Hübner in Czernich/Deixler‑Hübner/Schauer, Schiedsrecht Rz 25.22 (Stand 1. 5. 2019, rdb.at) Versorgungsausgleich nach deutschem Recht setzt voraus, dass während der Ehe Anwartschaften zur Versorgung im Alter oder Ansprüche auf laufende Versorgung erworben wurden, die dann geteilt werden können. Solche Anwartschaften (Ansprüche) eines Ehegatten gegenüber der Rentenversicherung werden aber auch deshalb nicht zur Ersparnis nach § 81 Abs 3 EheG, weildie laufenden Beitragsleistungen während der Ehe (bis zur Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft) nicht für die gemeinsame Lebensführung zur Verfügung standen. Diese folgen aus der Rechtsnatur einer gesetzlichen Rentenversicherung, sodass darin – entgegen der Auffassung des Rekursgerichts – kein Konsumverzicht des anderen Teils erblickt werden kann. Kann aber schon die Versorgungsanwartschaft nicht als eheliche Ersparnis anerkannt werden, scheidet auch eine Berücksichtigung des vom Antragsgegner bei seiner Berechnung kapitalisierten (und von ihm gleich einem der Antragstellerin vorweg zugekommenen Teil der ehelichen Ersparnisse von einer möglichen Ausgleichszahlung in Abzug gebrachten) Anspruchs der Antragstellerin auf Versorgungsausgleich im Aufteilungsverfahren aus. Der Oberste Gerichtshof hat die Einbeziehung von Ansprüchen aufgrund eines in anderen Rechtsordnungen vorgesehenen Versorgungsausgleichs in das nacheheliche Aufteilungsverfahren schon wiederholt abgelehnt (vgl nur 5 Ob 113/17d mwN).
[14] 4.1 Eine Einbeziehung des von der Antragstellerin vor dem Amtsgericht Laufen geltend gemachten Anspruchs in das Verfahren nach den §§ 81 ff EheG kommt entgegen der Ansicht der Vorinstanzen auch aus Billigkeitserwägungen nicht Betracht. Oberster Grundsatz bei der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach den §§ 81 ff EheG ist zwar die Billigkeit (RS0079235). Billigkeitserwägungen kommen aber nur dort zum Tragen, wo tatsächlich ein Konnex zur Aufteilungsmasse besteht (6 Ob 22/98y; Gitschthaler in Schwimann/Kodek, ABGB § 83 EheG Rz 2; Deixler‑Hübner in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR §§ 83–84 Rz 5).
[15] 4.2 Bei dem von der Antragstellerin vor dem Amtsgericht Laufen geltend gemachten Anspruch auf Versorgungsausgleich geht es um Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung und nicht um eine Aufteilung von Wertanlagen im Sinn des § 81 Abs 3 EheG. Da Versorgungsanwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung ausgeglichen werden, kann ein Konnex zur Aufteilungsmasse auch nicht dadurch begründet werden, dass der Antragsgegner, weil die Antragstellerin ihm gegenüber keinen Unterhaltsanspruch hat, ein Eigeneinkommen aus dem ihr nach deutschem Recht zustehenden Ausgleichswert „nicht geltend machen“ kann. Die Vorschriften über die nacheheliche Aufteilung verfolgen einen billigen Ausgleich bei der endgültigen Zuordnung der ehelichen Errungenschaft. Um Vermögenswerte in die Aufteilungsmasse einzubeziehen, ist nach Art des Zustandekommens sowie Verwendung auf die bis zur Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft erwirtschafteten Vermögenswerte abzustellen. Dass damit auch mögliche Folgen aus dem nach deutschem Recht vorgesehenen Gesamtausgleich der während der Ehe erworbenen (öffentlich-rechtlichen) Anwartschaften in die gesetzliche Rentenversicherung zu berücksichtigen wären, kann mit dem Zweck der Aufteilung ehelicher Ersparnisse nicht in Einklang gebracht werden. Eine solche extensive Auslegung der Vorschriften über die nacheheliche Aufteilung, die vom Unterhaltsrecht ganz unabhängig sind, kann auch mit Billigkeitserwägungen nicht gerechtfertigt werden.
[16] 5. Daraus folgt, dass der Gegenstand des Verfahrens vor dem Amtsgericht Laufen für die nacheheliche Aufteilung nach den §§ 81 ff EheG keine Vorfrage darstellt, sodass die von den Vorinstanzen ausgesprochene Unterbrechung des Verfahrens einer gesetzlichen Grundlage entbehrt. Ob es mit den der Bestimmung des § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG innewohnenden prozessökonomischen Erwägungen überhaupt vereinbar ist, ein Verfahren, dem ein Begehren auf Leistung einer Ausgleichszahlung zugrunde liegt, (nur) hinsichtlich eines Teils der begehrten Leistung zu unterbrechen, muss damit nicht mehr thematisiert werden.
[17] 6. Der Kostenvorbehalt beruht darauf, dass die Sache noch nicht im Sinne des § 78 Abs 1 AußStrG erledigt wird. Angesichts der amtswegigen Unterbrechung liegt auch kein Zwischenstreit vor, in dem eine eigene Kostenentscheidung zu treffen wäre (vgl 1 Ob 135/16h).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)