European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0120NS00078.21Y.1118.000
Spruch:
Die Sache wird dem Oberlandesgericht Wien zur Zuweisung an das zuständige Gericht übermittelt.
Gründe:
[1] Mit Anklageschrift vom 29. Juli 2021 (ON 158) legte die Staatsanwaltschaft Graz den in der Folge genannten Personen jeweils Sachverhalte zur Last, die sie in Betreff der Angeklagten M* C*, * A*, * B*, Mi* C*, * Co*, * F*, * M* und * P* als das Verbrechen des „teils versuchten“ gewerbsmäßig schweren und im Rahmen einer kriminellen Vereinigung durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 1 und 2 erster und zweiter Fall, „15“ StGB, sowie in Betreff der Angeklagten * D*, * L*, * N* und * Ca* als das Vergehen des „versuchten“ schweren und im Rahmen einer kriminellen Vereinigung durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 15, 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 1 zweiter Fall StGB beurteilte.
[2] Danach haben in einverständlichem Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgten * R* und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung, die auf die Begehung von (teils) Einbruchsdiebstählen von Kupfermaterial spezialisiert ist, nachgenannten Personen fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 Euro übersteigenden Gesamtwert (teils) durch Einbruch in Gebäude und Lagerplätze mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, wobei M* C*, * A*, * B*, Mi* C*, * Co*, * F*, * M* und * P* gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB) handelten, nämlich:
I./ in * P* Berechtigten der E* AG durch Aufzwicken des das Firmenareal umgrenzenden Zauns und Aufbrechen von Türen und Fenstern zum Firmengebäude, und zwar:
1./ nachts zum 7. Juni 2021 M* C*, * A*, * B*, Mi* C*, * Co*, * D*, * F*, * L*, * M*, * N* und * P* und * Ca* zumindest 3.825 Kilogramm Kupfer im Wert von 12.827,52 Euro;
2./ vom 14. Mai 2021 bis zum 25. Mai 2021 M* C*, * A*, Mi C*, * M* und * P* zumindest 6.412,50 Kilogramm Kupfer im Wert von 19.912,72 Euro;
3./ vom 4. Mai 2021 bis zum 5. Mai 2021 * B* zumindest 848 Kilogramm Kupfer im Wert von 4.044,25 Euro;
4./ vom 16. Mai 2021 bis 17. Mai 2021 * A*, * B*, Mi* C*, * Co* und * F* zumindest 3.764 Kilogramm Kupfer im Wert von 12.534,13 Euro;
5./ vom 13. Mai 2021 bis zum 14. Mai 2021 M* C*, * A*, * B*, Mi* C*, * Co*, * F* und * P* zumindest 2.004,50 Kilogramm Kupfer im Wert von 6.855,39 Euro;
6./ vom 9. Mai 2021 bis zum 10. Mai 2021 M* C*, * A*, * B*, Mi* C*, * Co*, * F* und * P* zumindest 3.306,50 Kilogramm Kupfer im Wert von 15.307,36 Euro;
II./ in * Y* Berechtigten der S* GmbH
1./ vom 28. März 2021 bis zum 29. März 2021 M* C* und * M* zumindest 549 Kilogramm Kupfer im Gesamtwert von zumindest 2.964,60 Euro;
2./ am 5. Februar 2021 M* C* eine unbekannte Menge Kupfer in einem unbekannten Wert;
III./ am 6. Februar 2021 in * I* Berechtigten der St* GmbH M* C* zumindest 1.392 Kilogramm Kupfer im Gesamtwert von 6.417,12 Euro durch Aufzwängen einer Blechverkleidung.
[3] In der Anklageschrift gründete die Staatsanwaltschaft Graz die Zuständigkeit des angerufenen Landesgerichts für Strafsachen Graz ohne nähere Ausführungen auf „§ 31 Abs 3 Z 6a StPO“.
[4] Mit Verfügung vom 2. August 2021 legte die Vorsitzende des Schöffengerichts die Akten gemäß § 213 Abs 6 zweiter Satz StPO dem Oberlandesgericht Graz wegen Bedenken gegen die örtliche Zuständigkeit des Landesgerichts für Strafsachen Graz vor, wobei sie die Zuständigkeit des Landesgerichts St. Pölten als möglich erachtete (ON 159).
[5] Das Oberlandesgericht Graz hegt in seinem Beschluss vom 8. September 2021, AZ 1 Bs 100/21x, ebenfalls Bedenken gegen die örtliche Zuständigkeit des Landesgerichts für Strafsachen Graz und hält es seinerseits für möglich, dass ein im Sprengel eines anderen Oberlandesgerichts liegendes Gericht zuständig sei. Es legte daher die Akten – nach Verneinen eines der in § 212 Z 1 bis 5 sowie Z 7 und 8 StPO genannten Mängel und nach Entscheidung über die Untersuchungshaft (vgl RIS-Justiz RS0124585 [T4, T7]) – gemäß §§ 213 Abs 6 letzter Satz, 215 Abs 4 zweiter Satz StPO dem Obersten Gerichtshof vor.
Das Oberlandesgericht führt dazu Folgendes aus:
Primärer Anknüpfungspunkt für die örtliche Zuständigkeit im Hauptverfahren (gegen – wie hier – Erwachsene) ist gemäß § 36 Abs 3 erster Satz StPO der Ort, in dessen Sprengel die Straftat ausgeführt wurde oder ausgeführt werden sollte (Oshidari in WK‑StPO § 36 Rz 6; Fabrizy/Kirchbacher, StPO14 § 36 Rz 4; zur Anknüpfung von Subsumtionseinheiten [hier: nach § 29 StGB] s. RIS-Justiz RS0131445 und Oshidari in WK‑StPO § 37 Rz 5/1).
Im hier vorliegenden Fall subjektiv-objektiver Konnexität (mehrere Straftaten mehrerer Täter und zumindest Beteiligung iS des § 12 StGB in Ansehung einer strafbaren Handlung [hier: Anklagefaktum I.1.]) ist gemäß § 37 Abs 1 StPO bei (wie hier) gleichzeitiger Anklage das Hauptverfahren vom selben Gericht gemeinsam zu führen. Dabei ist unter Gerichten verschiedener Ordnung das höhere, unter Gerichten gleicher Ordnung jenes mit Sonderzuständigkeit für alle Verfahren zuständig, wobei das Gericht, das für einen unmittelbaren Täter zuständig ist, das Verfahren gegen Beteiligte an sich zieht (§ 37 Abs 2 erster Satz StPO). Im Übrigen kommt das Verfahren im Fall mehrerer Straftaten dem Gericht zu, in dessen Zuständigkeit die frühere Straftat fällt (§ 37 Abs 2 zweiter Satz StPO). Wenn jedoch für das Ermittlungsverfahren eine Staatsanwaltschaft bei einem Gericht zuständig war, in dessen Sprengel auch nur eine der angeklagten strafbaren Handlungen begangen worden sein soll, so ist dieses Gericht zuständig (§ 37 Abs 2 dritter Satz StPO).
Nach der Aktenlage (zum Bezugspunkt der Zuständigkeitsprüfung vgl. RIS-Justiz RS0131309 [T3]) fand keiner der von der Anklage umfassten Diebstähle im Sprengel des Landesgerichts für Strafsachen Graz statt. Damit fehlt es an Anknüpfungspunkten für dessen örtliche Zuständigkeit. Vielmehr indizieren die bisherigen Verfahrensergebnisse aufgrund der in * P* (Anklagefaktum I.; s. nur S. 3 des Berichts ON 2a in ON 31; S. 2 und 3 des Berichts ON 144), * Y* (Anklagefaktum II.; s. nur S. 2 und 6 des Berichts ON 144) und * I* (Anklagefaktum III.; s. nur S. 2 und 6 des Berichts ON 144; S. 1 und 2 des Berichts ON 145) gelegenen Tatorte die Zuständigkeit eines im Sprengel des Oberlandesgerichts Wien gelegenen Landesgerichts zur Führung des Hauptverfahrens.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:
[6] Wie das Oberlandesgericht Graz zutreffend aufzeigt, findet sich kein Anknüpfungspunkt für die örtliche Zuständigkeit des Landesgerichts für Strafsachen Graz, weil sämtliche Tatorte im Sprengel des Oberlandesgerichts Wien liegen. Dieses Gericht wird daher die Sache gemäß §§ 213 Abs 6 letzter Satz, 215 Abs 4 erster Satz StPO dem zuständigen Landesgericht zuzuweisen haben (RIS-Justiz RS0124585 [insb T2]).
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