OGH 14Os69/21k

OGH14Os69/21k16.11.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. November 2021 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Vizthum in der Strafsache gegen * E*wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 24. März 2021, GZ 24 Hv 28/20k‑18, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E133235

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteilwurde *E* des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB (I./) und „des Vergehens“ der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in der Justizanstalt S*

I./ am 21. Juli 2020 mit dem Vorsatz, dadurch die Republik Österreich an ihrem Recht auf einen den gesetzlichen Zwecken entsprechenden Strafvollzug (§ 20 Abs 1 StVG; US 8) und auf Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt (§ 20 Abs 2 StVG) zu schädigen, den Justizwachebeamten * J* wissentlich zu bestimmen versucht, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte, nämlich die Abnahme verbotener Gegenstände (US 6 und 8), vorzunehmen, zu missbrauchen, indem er ihn mit der Äußerung, ob er hier in S* gut verdienen würde und ob er Interesse habe, „etwas Geschäftliches mit Handys zu machen“, ersuchte, ein Mobiltelefon in die Justizanstalt einzuschleusen,

II./ am 31. August 2020 die Justizwachebeamten * D*, * W*, * B* und * M* durch die Äußerung: „Wenn ich raus komm, finde ich euch alle und bringe euch um“, gefährlich mit einer Verletzung am Körper bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

[4] Die Mängelrüge zum Schuldspruch I./ stützt ihren Einwand aktenwidriger Begründung (Z 5 fünfter Fall) der Feststellung, nach der der Angeklagte den Justizwachebeamten J* bewusst zur Überlassung eines Mobiltelefons und damit zum vorsätzlichen Missbrauch seiner Befugnisse veranlassen wollte (US 3 f), ausschließlich auf die Behauptung inhaltlich unrichtiger Wiedergabe der Angaben des Zeugen D*. Zwar ist das Erstgericht im Rahmen seiner beweiswürdigenden Erwägungen tatsächlich irrig davon ausgegangen, dass der – zu diesem Themenkomplex gar nicht befragte (ON 17 S 11 f) – Zeuge D* (statt richtig der Zeuge H*; ON 17 S 9) die an J* gerichtete Aufforderung, ein Handy in die Justizanstalt zu schmuggeln, ernst nahm (US 5 f). Diese Annahme stellt aber erkennbar keine notwendige Bedingung für die bekämpfte Konstatierung, sondern einen von mehreren als erheblich beurteilten Umständen (darunter das objektive Tatgeschehen, die Verantwortung des Angeklagten selbst sowie die Depositionen des Zeugen J*; erneut US 5 f) dar und bildet damit keinen zulässigen Bezugspunkt des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0116737).

[5] Zu II./ begründeten die Tatrichter die (für die Rechtsfrage nach der Besorgniseignung bedeutsame [vgl Jerabek/Ropper in WK² StGB § 74 Rz 33mit Beispielen relevanter Tatumstände]) Annahme, dass es dem Angeklagten möglich gewesen wäre, die Justizwachebeamten (aufgrund nicht erfolgter Identifizierung im Tatzeitpunkt [US 4] offenkundig gemeint) im Nachhinein anhand ihrer Stimmen oder Statur zu erkennen und ihre Identität herauszufinden (US 4 f), mit der allgemeinen Lebenserfahrung (US 6; vgl RIS‑Justiz RS0098390). Dass dies den Beschwerdeführer nicht überzeugt und aus seiner Sicht andere, für ihn günstigere Schlüsse plausibler gewesen wären, stellt kein Begründungsdefizit dar (RIS‑Justiz RS0099455).

[6] Dem weiteren Vorbringen zuwider (Z 5 zweiter Fall) steht der genannten Urteilskonstatierung die auf den Tatzeitpunkt bezogene Aussage des Zeugen D*, wonach der Angeklagte die Justizwachebeamten nicht habe erkennen können (ON 17 S 13), nicht erörterungsbedürftig entgegen (RIS‑Justiz RS0098646).

[7] Der Schluss vom Verhalten des Angeklagten – nämlich von der sich als Drohung mit einer Verletzung am Körper manifestierenden Äußerung und dem aufgebrachten, Zwangsmaßnahmen erfordernden Zustand (US 4) – auf den die Bedeutung und den Sinn seiner Worte erfassenden Vorsatz (US 5 ff), ist – der Beschwerde zuwider (Z 5 vierter Fall) – unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden und bei (wie hier) nicht geständigen Angeklagten methodisch auch nicht zu ersetzen (RIS‑Justiz RS0116882).

[8] Bleibt zur Stellungnahme der Generalprokuratur zu bemerken, dass es dem Angeklagten nach den Urteilskonstatierungen darauf ankam, bei den Bedrohten den Eindruck einer ernstgemeinten Ankündigung einer bevorstehenden Verletzung am Körper zu wecken (US 5). Vor dem Hintergrund dieses Sinngehalts der Äußerung geht aus der (am Gesetzeswortlaut orientierten) Feststellung, wonach der Angeklagte drohte, um die Justizwachebeamten in Furcht und Unruhe zu versetzen (US 10), hinreichend deutlich die von § 107 Abs 1 StGB geforderte Absichtlichkeit hervor.

[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft folgt (§ 285i StPO).

[10] Bleibt anzumerken, dass das Schöffengericht beim Strafausspruch verfehlt von einer nach § 39 Abs 1 StGB erweiterten Strafbefugnis, nämlich einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu siebeneinhalb Jahren Freiheitsstrafe, ausging (US 11). Denn in Ansehung der dem § 302 Abs 1 StGB subsumierten Tat vom 21. Juli 2020 (Punkt I./ des Schuldspruchs) ergeben sich aus den Entscheidungsgründen (insb aus der Schilderung des Vorlebens auf US 2 f) keine rückfallsbegründenden Vortaten iSd § 39 Abs 1 StGB (zu den von § 302 Abs 1 StGB geschützten Rechtsgütern vgl Nordmeyer in WK² StGB Vor § 302 Rz 11 f). Die Voraussetzungen des § 39 Abs 1 StGB liegen zwar hinsichtlich der dem § 107 Abs 1 StGB subsumierten Tat vom 31. August 2020 (Punkt II./ des Schuldspruchs) vor, bei Zusammentreffen mehrerer konkurrierender strafbarer Handlungen bestimmt sich die Obergrenze des Strafrahmens aber nach jenem Gesetz, das die – unter Berücksichtigung des zwingend anzuwendenden (vgl RIS‑Justiz RS0133600) § 39 Abs 1 StGB – höchste Strafobergrenze androht (§ 28 Abs 1 StGB; vgl zu § 39 Abs 1 StGB aF Ratz in WK² StGB § 28 Rz 7; Bruckmüller, SbgK § 39 Rz 108). Demnach wäre bei der Strafbemessung (ausgehend von den Entscheidungsgründen) aufgrund der in § 302 Abs 1 StGB angedrohten höheren Obergrenze und dem Fehlen einer Mindeststrafe in § 107 Abs 1 StGB von einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe auszugehen gewesen. Da dieser nicht geltend gemachten Nichtigkeit des Strafausspruchs (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO; RIS‑Justiz RS0125294 [zu § 39 Abs 1 StGB], RS0125243 [ua zu § 28 StGB]) im Rahmen der Entscheidung über die vom Angeklagten ergriffene Berufung Rechnung getragen werden kann (RIS‑Justiz RS0119220; Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 29), bedarf es keiner amtswegigen Maßnahme nach § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO.

[11] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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