OGH 12Os122/21i

OGH12Os122/21i22.10.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Oktober 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin AAss Schaffhauser in der Strafsache gegen * P* wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 13. Juli 2021, GZ 610 Hv 2/21b‑76, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E133096

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde P* des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 17. Oktober 2020 in W** S* zu töten versucht, indem er ihr in seinem Auto sitzend mit einem Küchenmesser mit 20 Zentimeter Klingenlänge Stiche versetzte, wodurch sie zahlreiche Schnittwunden sowie eine schwere posttraumatische Belastungsstörung mit ausgeprägter Angststörung erlitt, wobei es beim Versuch blieb, weil S* ihre Arme schützend vor ihren Oberkörper hielt sowie die Knie anzog und sodann aus dem Auto flüchtete.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus Z 4, 10a und 12 des § 345 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.

[4] Die Verfahrensrüge (Z 4) erblickt in der Vernehmung der Zeugin S* in der Hauptverhandlung per Videokonferenz einen Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz, weil sie einen Mund-Nasenschutz getragen habe, der die Erkennbarkeit der Mimik hintangehalten hätte. Solcherart wird der behauptete Nichtigkeitsgrund nicht aufgezeigt. Denn der Sinn und Zweck des Öffentlichkeitsgrundsatzes liegt in der Kontrollfunktion der Allgemeinheit gegenüber der Gerichtsbarkeit (Danek/Mann, WK‑StPO § 228 Rz 4; vgl RIS‑Justiz RS0098120), die allein durch das Tragen einer (in Pandemiezeiten gebräuchlichen) Gesichtsmaske nicht tangiert wurde. Bleibt anzumerken, dass es der Verteidigung unbenommen geblieben wäre, die Frage der Wahrnehmbarkeit des Mienenspiels der Zeugin mittels geeigneter Antragstellung (§ 345 Abs 1 Z 5 StPO) an den Schwurgerichtshof heranzutragen.

[5] Die Tatsachenrüge (Z 10a) weckt mit eigenständig beweiswürdigenden Erwägungen zur Anzahl und zur Intensität der dem Opfer versetzten Stiche und daraus abgeleiteten Zweifeln an der Annahme vorsätzlichen Handelns keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen.

[6] Aus welchem Grund die Hauptfrage nicht anklagekonform (vgl aber § 312 Abs 1 erster Satz StPO), sondern wegen einer „Tat nach §§ 83, 84“ StGB (siehe im Übrigen die ohnedies gestellte Eventualfrage in Richtung § 85 Abs 2 iVm Abs 1 Z 1 dritter Fall StGB) zu stellen gewesen wäre, gibt die Rüge (der Sache nach Z 6) nicht bekannt.

[7] Zur nominell erhobenen Subsumtionsrüge (Z 12) erstattet der Beschwerdeführer kein Vorbringen.

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO). Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§§ 285i, 344 StPO).

[9] Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

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