OGH 3Ob104/21x

OGH3Ob104/21x21.10.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* M*, vertreten durch Dr. Christof Herzog, Rechtsanwalt in Feldkirchen, gegen die beklagte Partei O* K*, Russische Föderation, vertreten durch Dr. Susanne Heger und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über die Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 14. April 2021, GZ 1 R 51/21a‑18, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Feldkirchen vom 14. Dezember 2020, GZ 3 R 162/20b‑14, teilweise bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0030OB00104.21X.1021.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden, soweit sie das Klagebegehren auf Hemmung bzw Erlöschen des betriebenen Anspruchs im Umfang von (weiteren) 28.778,85 EUR abweisen, aufgehoben und es wird die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Mit Beschluss des Erstgerichts vom 29. 7. 2020 zu 3 E 933/20s wurde das Urteil des Kassationsgerichts der Republik Bulgarien Nr 218 vom 29. 11. 2016 für Österreich für vollstreckbar erklärt und dem hier Beklagten aufgrund dieses Exekutionstitels gegen den Kläger die Forderungsexekution gegen bekannte und unbekannte Drittschuldner, die Fahrnisexekution und die Exekution durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung bewilligt. Der Kläger (Verpflichtete) erhob dagegen kein Rechtsmittel.

[2] Mit Oppositionsklage vom 31. 8. 2020 begehrte der Kläger, den vom Beklagten betriebenen Anspruch für gehemmt, in eventu für erloschen zu erklären. Er stützte sich dabei auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs im bulgarischen Titelverfahren wegen eines Vertretungsmangels sowie auf die Zahlung von umgerechnet 7.165,34 EUR im Rahmen des privaten Gerichtsvollzugs in Bulgarien.

[3] Der Beklagte entgegnete (unter anderem), dass Zahlungen oder exekutiv hereingebrachte Beträge nach dem anzuwendenden bulgarischem Recht zuerst auf Kosten und Zinsen anzurechnen seien; erst danach werde die Hauptsache getilgt. Die Hauptforderung hafte daher in voller Höhe aus.

[4] In der Verhandlung vom 14. 12. 2020 brachte der Kläger ergänzend vor, das auch im österreichischen Exekutionsverfahren ein (Teil-)Betrag einbringlich gemacht worden sei. Dies wurde vom Beklagten bestätigt, der vorbrachte, dass am 23. 10. 2020 ein Betrag in Höhe von 28.778,85 EUR von der R* auf das Anderkonto des Beklagtenvertreters überwiesen worden sei. Diese Teilzahlung ist Gegenstand des Revisionsverfahrens.

[5] Das Erstgericht wies die Oppositionsklage ab. Auf die vom Kläger geltend gemachten Teilzahlungen ging es nicht ein.

[6] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge und hob das angefochtene Urteil im Umfang der Abweisung der Feststellung der Hemmung bzw des Erlöschens des betriebenen Anspruchs im Umfang von 7.135,64 EUR an Kapital sowie in Bezug auf die Nebenforderungen (gestaffelte Zinsen aus 95.523,51 EUR und Kosten des bulgarischen Titelverfahrens von 16.944,11 EUR) auf. Im Übrigen (Abweisung des Klagebegehrens auf Hemmung bzw Erlöschen des betriebenen Anspruchs im Umfang von 88.552,45 EUR) bestätigte es die Entscheidung des Erstgerichts. Hinsichtlich dieses bestätigenden Teils seiner Entscheidung behielt es die Entscheidung über die Verfahrenskosten der Endentscheidung vor und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Zur behaupteten Teilzahlung von umgerechnet 7.135,64 EUR könne die Frage, ob der betriebene Anspruch teilweise an Kapital bzw hinsichtlich der betriebenen Zinsen und der Kosten des Titelverfahrens erloschen sei, wegen fehlender Feststellungen nicht abschließend beantwortet werden. Das Urteil müsse daher zufolge sekundärer Feststellungsmängel aufgehoben werden. Soweit sich im fortgesetzten Verfahren eine Leistung des Klägers auf die dem Exekutionstitel zugrunde liegende Forderung feststellen lasse, werde mit ihm zu erörtern sein, welchen Teilanspruch er damit getilgt habe. Auf die vom Kläger weiters behauptete Teilzahlung von 28.778,85 EUR ging auch das Berufungsgericht nicht ein.

[7] Eindeutig erkennbar nur gegen das die Abweisung des Begehrens auch hinsichtlich des Betrags von 28.778,85 EUR bestätigende Teilurteil des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers, die auf eine Stattgebung des Oppositionsklagebegehrens auch in diesem Umfang abzielt.

[8] Mit seiner – vom Obersten Gerichtshof freigestellten – Revisionsbeantwortung beantragt der Beklagte, die Revision der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, dieser den Erfolg zu versagen.

[9] Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision zulässig und im Sinn des subsidiär gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[10] 1. Der Kläger führt in seiner Revision aus, dass am 23. 10. 2020 im Rahmen des österreichischen Exekutionsverfahrens eine weitere Teilzahlung von 28.778,85 EUR einbringlich gemacht worden sei und er diese Tilgung auch als Oppositionsgrund geltend gemacht habe. Das Berufungsgericht habe dieser Einwendung, die völlig gleichgelagert zu jener betreffend die Teilzahlung von 7.135,64 EUR sei, allerdings nicht berücksichtigt.

Damit ist der Kläger im Recht:

[11] 2. Mit Oppositionsklage kann das gänzliche oder teilweise Erlöschen (oder eine entsprechende Hemmung) eines vollstreckbaren Anspruchs geltend gemacht werden (RS0000824). Dies gilt insbesondere auch für die Einwendung des Verpflichteten (Oppositionsklägers), dass der betriebene Anspruch durch Teilzahlung erfüllt worden sei. Der Leistung durch den Verpflichteten stehe die Leistung eines Dritten gleich, wenn sie für den Verpflichteten schuldbefreiend wirkte. (Teil-)Zahlungen des Klägers oder auch eines Drittschuldners auf die betriebene Forderung bilden demnach einen tauglichen Oppositionsgrund (RS0000824 [T3 und T4]; vgl auch RS0001908; 3 Ob 292/05w).

[12] In der Rechtsprechung und Lehre ist zudem anerkannt, dass der Oppositionskläger bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Oppositionsprozess sein Klagebegehren zusätzlich auf eine erst im Zuge dieses Rechtsstreits vorgenommene Erfüllung des Anspruchs des betreibenden Gläubigers stützen kann, zumal dieses Vorbringen nicht gegen die Eventualmaxime verstößt (vgl RS0001398). Darunter fallen auch Zahlungen, die im Rahmen der bekämpften Exekution eingegangen sind (RS0001398 [T2]).

[13] Die Beurteilung des Zahlungszeitpunkts, der zulässigen Zahlungsart und der Reihenfolge der Tilgung bei Bestehen mehrerer Forderungen oder von Haupt- und Nebenforderungen richtet sich nach der materiellen Rechtslage für den betriebenen Anspruch (vgl Jakusch in Angst/Oberhammer, EO3 § 35 EO Rz 23/1).

[14] 3. Mit der (vom Beklagten bestätigten) Behauptung, dass auch im österreichischen Exekutionsverfahren ein (Teil-)Betrag einbringlich gemacht worden sei, hat sich der Kläger auf eine weitere, erst im Zuge des Oppositionsverfahrens erfolgte Teilzahlung durch einen Drittschuldner berufen. Damit hat er zulässigerweise eine weitere Tilgung des betriebenen Anspruchs geltend gemacht, wobei die Reihenfolge der Tilgung in Bezug auf die Hauptforderung und die Nebenforderungen strittig ist.

[15] Die Vorinstanzen haben diesen Tilgungseinwand, den der Kläger auch in seiner Berufung geltend gemacht hat, unberücksichtigt gelassen. Damit liegen auch dazu ein Erörterungsmangel und sekundäre Feststellungsmängel vor. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur bisher nicht geprüften Teilzahlung von 7.135,64 EUR gelten gleichermaßen auch für die hier in Rede stehende weitere teilweise Tilgung durch Einbringlichmachung des Betrags von 28.778,85 EUR.

[16] 4. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher auch hinsichtlich der Abweisung des Klagebegehrens auf Hemmung bzw Erlöschen des betriebenen Anspruchs in diesem Umfang aufzuheben.

[17] Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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