OGH 6Ob181/21t

OGH6Ob181/21t20.10.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny, die Hofrätin Dr. Faber und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen A*****, geboren ***** 2017, vertreten durch die Mutter J*****, beide *****, wegen Obsorge und Kontaktrecht, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters M*****, Slowakei, vertreten durch Dr. Günther Leissler, Rechtsanwalt in Wien, als Verfahrenshelfer, dieser vertreten durch Dr. Erich Gmeiner, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 19. Juli 2021, GZ 48 R 47/21y‑139, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0060OB00181.21T.1020.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Obsorge über die ***** 2017 geborene Minderjährige kommt allein der Mutter zu. Die Minderjährige lebt bei der Mutter in Wien; der Vater lebt in der Slowakei.

[2] Mit dem erstgerichtlichen Beschluss wurde der Antrag des Vaters auf Übertragung der alleinigen Obsorge auf ihn, hilfsweise der Anordnung der gemeinsamen Obsorge und Festlegung des hauptsächlichen Aufenthalts bei ihm abgewiesen; weiters wurde das Kontaktrecht des Vaters geregelt.

[3] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[4] Dieser ist auch nicht zulässig.

[5] 1. Das Rekursgericht erblickte in dem Umstand, dass die Entscheidung des Erstgerichts dem durch einen österreichischen Rechtsanwalt vertretenen Vater in deutscher Sprache und ohne Übersetzung in die slowakische Sprache zugestellt wurde, weder einen Verfahrensmangel noch einen Nichtigkeitsgrund.

[6] 1.1. Eine vom Rekursgericht verneinte Mangelhaftigkeit des außerstreitigen Verfahrens erster Instanz kann im Revisionsrekurs nicht mehr geltend gemacht werden (RS0030748; RS0050037), sofern nicht eine Durchbrechung dieses Grundsatzes zur Wahrung des Kindeswohls erforderlich ist (RS0030748 [T2, T5, T18]; RS0050037 [T1, T4, T8]). Gründe, die die Wahrnehmung des Verfahrensmangels zur Wahrung des Kindeswohls erforderlich machen, werden im außerordentlichen Revisionsrekurs aber nicht konkret dargetan; sie sind auch nicht ersichtlich. Der bloße Verweis auf die im Verfahren erster Instanz erstatteten Eingaben lässt derartige Gründe jedenfalls nicht erkennen.

[7] 1.2. Auch soweit die Rechtsmittelausführungen darauf abzielen, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Vaters zu rügen, ergibt sich aus ihnen nicht die Zulässigkeit des Revisionsrekurses. Die in § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG genannten Mängel, zu denen die Verletzung des rechtlichen Gehörs gemäß § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG zählt (vgl RS0121265 [T4]), können zwar auch dann in einem Revisionsrekurs geltend gemacht werden, wenn sie vom Rekursgericht verneint wurden (RS0121265). Der Anfechtungsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist aber dadurch gekennzeichnet, dass er nicht mehr absolut – wie die Nichtigkeitsgründe der ZPO – wirkt, sondern nur dann zur Aufhebung führen kann, wenn er zum Nachteil des Rechtsmittelwerbers ausschlagen könnte (RS0120213). Der Rechtsmittelwerber hat daher die Relevanz des Verfahrensverstoßes aufzuzeigen (RS0120213 [T14, T21]), indem er darlegt, welches konkrete (zusätzliche) Vorbringen er erstattet hätte, wenn der Gehörverstoß nicht stattgefunden hätte (RS0120213 [T9]).

[8] Diesem Erfordernis wird der außerordentliche Revisionsrekurs nicht gerecht. Beanstandet wird, das Unterbleiben der Zustellung einer übersetzten Beschlussausfertigung habe das Recht auf ein faires Verfahren iSd Art 8 (gemeint: Art 6) EMRK verletzt, weil es infolge der Zustellung des erstgerichtlichen Beschlusses am 22. 12. 2020 wegen der Weihnachtsfeiertage und der „Covid 19-Situation“ unmöglich gewesen sei, den Beschluss so rechtzeitig in die slowakische Sprache übersetzen zu lassen, dass eine sinnvolle Informationsaufnahme mit dem Vater zu den zu erstattenden Rekursausführungen möglich gewesen wäre. Welches andere, zusätzliche Rekursvorbringen bei Zustellung einer übersetzten Beschlussausfertigung erstattet worden wäre, wird im außerordentlichen Revisionsrekurs aber nicht ausgeführt. Damit ist die Relevanz des Verfahrensmangels nicht dargetan.

[9] 2. Sowohl die Entscheidung, welchem Elternteil die Obsorge für das Kind übertragen werden soll (RS0007101), als auch die konkrete Ausgestaltung des Kontaktrechts (RS0097114) sind von den Umständen des Einzelfalls abhängig und begründen daher in der Regel keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG. Dass das Rekursgericht von den Grundsätzen der Rechtsprechung abgewichen wäre, wird im Rechtsmittel nicht aufgezeigt. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass ein weitergehendes Kontaktrecht des Vaters erst nach einer stärkeren Festigung der Vater-Kind-Beziehung eingeräumt werden soll, ist im vorliegenden Einzelfall vertretbar.

[10] Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters ist daher zurückzuweisen.

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