OGH 14Os78/21h

OGH14Os78/21h12.10.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Oktober 2021 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Scheichel in der Strafsache gegen DDr. ***** T***** und andere Beschuldigte sowie belangte Verbände wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 12 zweiter Fall, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 333 HR 151/19d des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die Anträge des ***** P***** sowie der Pe***** GmbH auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0140OS00078.21H.1012.000

 

Spruch:

Die Anträge werden zurückgewiesen.

 

Gründe:

[1] Die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption führt zu AZ 62 St 1/19x gegen DDr. *****T***** und andere Beschuldigte sowie belangte Verbände ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 12 zweiter Fall, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen. In diesem fand am 27. Juni 2019 (unter anderem) eine Durchsuchung der Geschäftsräume der Pe***** GmbH in ***** statt. Bei dieser wurde ein externer Datenspeicher mit vier Festplatten sichergestellt, der ein Back-up der elektronischen Aktivitäten eines Zeitraums von mehreren Jahren der Rechtsanwaltskanzlei E***** Rechtsanwälte GmbH beinhalten soll (vgl ON 318, 363 S 7, 11, 31 ff, 73 ff).

[2] Mit Beschluss vom 30. Oktober 2020 gab das Landesgericht für Strafsachen Wien den gegen die Sicherstellung des zuvor genannten Datenspeichers gerichteten Einsprüchen wegen Rechtsverletzung des ***** P***** sowie der Pe***** GmbH (ON 340) nicht Folge (ON 1040). Den dagegen erhobenen Beschwerden der Genannten (ON 1058) gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 18. März 2021, AZ 21 Bs 376/20b, nicht Folge (ON 1288).

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richten sich die gemeinsam eingebrachten, Verletzungen der Art 6 Abs 1 und Art 8 MRK sowie Art 9 StGG und § 1 DSG reklamierenden, nicht auf ein Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gestützten Anträge des***** P***** sowie der Pe***** GmbH auf Erneuerung des Verfahrens gemäß § 363a StPO.

[4] Grundlage eines Erneuerungsantrags im (wie hier) erweiterten Anwendungsbereich (vgl RIS‑Justiz RS0122228) ist eine als grundrechtswidrig bezeichnete (letztinstanzliche) Entscheidung oder Verfügung eines dem Obersten Gerichtshof untergeordneten Strafgerichts (vgl dazu Rebisant, WK‑StPO §§ 363a–363c Rz 34 ff). Der Antrag hat – weil die Opfereigenschaft nach Art 34 MRK nur anzunehmen ist, wenn der Beschwerdeführer substantiiert und schlüssig vorträgt, in einem bestimmten Konventionsrecht verletzt zu sein (Grabenwarter/Pabel, EMRK7 § 13 Rz 16; zur sinngemäßen Geltung aller gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen vgl RIS‑Justiz RS0122737) – eine Grundrechtsverletzung deutlich und bestimmt darzulegen (RIS‑Justiz RS0122737 [T17]) und sich mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in allen relevanten Punkten auseinanderzusetzen (RIS‑Justiz RS0124359).

[5] Die Behandlung eines Erneuerungsantrags bedeutet daher nicht die Überprüfung einergerichtlichen Entscheidung oder Verfügung nach Art einer zusätzlichen Beschwerde- oder Berufungsinstanz, sondern beschränkt sich auf die Prüfung der reklamierten Verletzung eines Rechts nach der MRK oder einem ihrer Zusatzprotokolle (vgl RIS‑Justiz RS0129606 [T2, T3], RS0132365). Ebenso wenig eröffnet ein Antrag auf Verfahrenserneuerung die Möglichkeit, allgemein das Vorgehen von Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft oder Gerichten in einer bestimmten Strafsache einer höchstgerichtlichen Kontrolle zu unterziehen (vgl zu allem 14 Os 31/21x).

[6] Soweit die Erneuerungsanträge die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom 18. März 2021 bloß zum Anlass nehmen, behauptete – hier aber von vornherein gar nicht gegenständliche – Gesetzesverletzungen im Zuge der Durchsuchung der Geschäftsräume der Pe***** GmbH an den Obersten Gerichtshof heranzutragen, entziehen sie sich einer inhaltlichen Erwiderung.

[7] Zur gegenständlichen Sicherstellung wird vorgebracht, diese verletze das Umgehungsverbot nach § 157 Abs 2 StPO, welches sich nicht auf im Gewahrsam des Berufsgeheimnisträgers befindliche Datenträger beschränke, erfülle nicht die Kriterien des § 110 Abs 4 StPO, weil sowohl die Filterung der – ausschließlich der Rechtsanwaltskanzlei E***** Rechtsanwälte GmbH zugehörigen – Daten in den Räumlichkeiten der Pe***** GmbH, als auch die Herstellung von (bloß) Kopien der sichergestellten Daten unterlassen worden sei, und die Sicherstellung sei mit Blick auf das Recht anwaltlicher Verschwiegenheit im vorgenommenen Umfang weder erforderlich noch verhältnismäßig gewesen.

[8] Damit unterbleibt aber nicht nur eine prozessordnungskonforme inhaltliche Auseinandersetzung mit der (allein maßgeblichen) Entscheidung des Beschwerdegerichts, sondern wird auch ein nachvollziehbarer Bezug zwischen dieser und einem von den Antragstellern (jeweils) für sich selbst in Anspruch genommenen, als verletzt erachteten Recht der MRK oder eines ihrer Zusatzprotokolle, nicht hergestellt (vgl RIS‑Justiz RS0128393 [T2]).

[9] Selbiges gilt für die Behauptungen, die Sicherstellungsanordnung sei rechtswidrig der Pe***** GmbH verspätet sowieder Rechtsanwaltskanzlei E***** Rechtsanwälte GmbH gar nicht zugestellt worden, im Sicherstellungprotokoll sei rechtsfehlerhaft nur P***** als Betroffener genannt, und die Kriminalpolizei habe die Herstellung einer Sicherungskopie der in Rede stehenden Daten verweigert.

[10] Weil nur die Verletzung eines Rechts der MRK oder eines ihrer Zusatzprotokolle Gegenstand eines Antrags auf Verfahrenserneuerung (auch) im erweiterten Anwendungsbereich des § 363a StPO sein kann (erneut RIS‑Justiz RS0132365), hat die im Erneuerungsantrag ebenfalls reklamierte Verletzung der Art 9 StGG und § 1 DSG von vornherein auf sich zu beruhen.

[11] Die solcherart unzulässigen Erneuerungsanträge waren daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung in sinngemäßer Anwendung des Art 35 Abs 3 MRK zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 StPO).

Stichworte