OGH 6Ob156/21s

OGH6Ob156/21s14.9.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny, die Hofrätin Dr. Faber und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei O***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Ralph Kilches, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** U*****, wegen Unterlassung, Beseitigung, Feststellung und 1.500 EUR, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien als Rekursgericht vom 23. März 2021, GZ 1 R 65/21m, 1 R 66/21h‑18, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 29. Jänner 2021, GZ 22 C 31/21a‑3 und ‑4 bestätigt wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0060OB00156.21S.0914.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin begehrt, dem Beklagten zu verbieten, sich als Geschädigter der Klägerin zu präsentieren, und zwar insbesondere dadurch, dass die Klägerin der persönlichen Fehlaufklärung über eine mögliche Selbstbauweise der von ihr gelieferten Bauteile bezichtigt wird, obwohl er wusste, dass er einen Baumeister für die Errichtung seines Bauvorhabens zu beauftragen hatte und eine Fachausführung notwendig ist, sowie sonstige „wie auch immer geartete unwahre Vorwürfe gegenüber Dritten oder medial öffentlich“ zu machen. Weiters begehrt die Klägerin die Feststellung der Haftung des Beklagten für künftige Schäden und stellt ein Beseitigungsbegehren. Zur Sicherung des Unterlassungsbegehrens beantragte die Klägerin eine inhaltsgleiche einstweilige Verfügung.

[2] Das Erstgericht wies die Klage zurück. Die örtliche Zuständigkeit für Streitigkeiten nach § 51 Abs 1 Z 8b JN liege nach § 83c JN am allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten, welcher nicht im Sprengel des Erstgerichts gegeben sei. § 92a JN sei auf Ansprüche nach § 1330 ABGB nicht anzuwenden. Mangels Anhängigkeit der Klage sei nunmehr kein Prozess in der Hauptsache anhängig, sodass das Verfahren über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 44 JN an das zuständige Bezirksgericht Eisenstadt (Wohnsitz des Beklagten) zu überweisen sei.

[3] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und wies den Antrag, es möge aus Anlass der Rekursentscheidung die mittlerweile ergangene Entscheidung des Bezirksgerichts Eisenstadt (Abweisung des Provisorialantrags) für nichtig erklären, zurück. § 51 Abs 1 Z 8b JN regle die sachliche, § 83c JN die örtliche Zuständigkeit. Demnach sei aber das Bezirksgericht für Handelssachen Wien nicht zuständig. Für die beantragte Nichtigerklärung sei wiederum das Rekursgericht nicht zuständig.

[4] Nachträglich ließ das Rekursgericht den Revisionsrekurs zu, weil es sich bei § 51 Abs 1 Z 8b JN sowie § 51 Abs 1 Z 8b JN iVm § 387 EO um Fragen des Verfahrensrechts handle, denen zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung zukomme, zumal höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu fehle.

[5] Der Revisionsrekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruch des Handelsgerichts Wien nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[6] Der Revisionsrekurs wiederholt im Wesentlichen wörtlich die Argumentation im Rekursverfahren. Eine erhebliche Rechtsfrage wird damit nicht aufgezeigt:

[7] 1.1. Nach § 51 Abs 1 Z 8b JN gehören vor die selbständigen Handelsgerichte, falls der Streitgegenstand an Geld oder Geldeswert den Betrag von 15.000 EUR übersteigt, Streitigkeiten nach § 1330 ABGB wegen einer Veröffentlichung in einem Medium (§ 1 Abs 1 Z 1 MedienG). Diese Bestimmung regelt – wie sich aus ihrem Wortlaut und ihrer systematischen Stellung zweifelsfrei ergibt – nur die sachliche, nicht auch die örtliche Zuständigkeit.

[8] Die Bestimmung ist im Zusammenhalt mit § 52 JN zu lesen, wonach an Orten, an denen ein selbständiges Handelsgericht und Bezirksgerichte für Handelssachen bestehen, die in § 51 Abs 1 JN angeführten Streitigkeiten, bei denen der Streitgegenstand an Geld oder Geldeswert die Summe von 15.000 EUR nicht übersteigt, vor die Bezirksgerichte für Handelssachen gehören. Nach § 51 Abs 3 JN wird, wo ein selbständiges Handelsgericht nicht besteht, die Gerichtsbarkeit in den in § 51 Abs 1 und 2 JN angeführten Rechtsstreitigkeiten durch die Handelssenate der Landesgerichte ausgeübt.

[9] 1.2. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich demgegenüber nach § 83c JN („Streitigkeiten aus gewerblichem Rechtsschutz und Urheberrecht sowie Verbandsklagen“). Nach dessen Abs 1 ist, wenn (unter anderem) in den in § 51 Abs 1 Z 8b JN angeführten Streitigkeiten Personen geklagt sind, deren Unternehmen sich im Inland befindet oder die mit Rücksicht auf ihre Tätigkeit bei einem im Inland befindlichen Unternehmen in Anspruch genommen werden, hiefür ausschließlich das Gericht zuständig, in dessen Sprengel dieses Unternehmen liegt, bei Vorhandensein mehrerer Niederlassungen wahlweise das Gericht der Hauptniederlassung oder derjenigen Niederlassung, auf die sich die Handlung bezieht. In Ermangelung eines Unternehmens im Inland richtet sich die Zuständigkeit nach dem allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten. Für Personen, die im Inland weder ein Unternehmen noch ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, ist das Gericht des inländischen Aufenthaltsorts oder, wenn ein solcher nicht bekannt ist, das Gericht in dessen Sprengel die Handlung begangen worden ist, zuständig.

[10] Zutreffend hat schon das Rekursgericht darauf hingewiesen, dass § 51 Abs 1 Z 8b JN und die Neufassung des § 83c JN mit demselben Gesetz, nämlich der 3. Novelle zum BGOrgG Wien (vgl JAB 780 BlgNR 18. GP  2) erfolgte. Daraus ergibt sich zweifelsfrei, dass die sachlich – je nach Wertzuständigkeit – dem Bezirksgericht für Handelssachen Wien bzw dem Bezirksgericht in Handelssachen oder dem Handelsgericht Wien bzw dem Landesgericht als Handelsgericht zugewiesenen Rechtssachen nicht anders zu behandeln sind als die sonstigen in § 51 Abs 1 JN der Handelsgerichtsbarkeit zugewiesenen Gegenstände.

[11] 2. Die von der Klägerin vertretene Auslegung, wonach „alle Beteiligten“, darunter auch „der Informant eines Mediums oder der Auslöser“ beim „Gerichtsstand des Mediums“ zu klagen sind, findet im Gesetzeswortlaut keine Deckung. Zutreffend verwies auch bereits das Rekursgericht darauf, dass die Neufassung des § 83c Abs 1 JN nicht auf eine Erweiterung der örtlichen Zuständigkeit über den dort angeführten Personenkreis hinaus abzielte, sondern der Einführung des § 51 Abs 1 Z 8b JN und damit der Verankerung dieser Bestimmung im nach Wertzuständigkeit differenzierenden § 51 Abs 1 JN Rechnung trug. Eine planwidrige Gesetzeslücke besteht – entgegen der Argumentation im Revisionsrekurs – nicht.

[12] 3.1. Die Ausführungen, wonach das Bezirksgericht für Handelssachen zuständig wäre, wenn der Kläger gemeinsam mit der Beklagten auch den O***** geklagt hätte, entfernt sich vom gegenständlichen Sachverhalt. Bloß hypothetische Konstellationen sind im Rechtsmittelverfahren aber nicht zu beurteilen (RS0111271).

[13] 3.2. Auch aus §§ 4, 10 ORF‑G ergibt sich nicht, dass Informanten des O***** vor dem Bezirksgericht für Handelssachen Wien geklagt werden könnten.

3.3. Es ist somit nicht zu beanstanden, wenn das Rekursgericht davon ausging, dass für die vorliegende Klage in Hinblick auf den Wohnort des Beklagten das Bezirksgericht Eisenstadt zuständig ist.

[14] 3.4. Lediglich der Vollständigkeit halber ist noch zu ergänzen, dass die ständige Rechtsprechung, wonach gegen eine a limine erfolgte Zurückweisung der Klage Rekurs und Überweisungsantrag nach § 230a ZPO nebeneinander möglich sind (RS0039108), sich auf den Fall bezieht, dass im Zeitpunkt der Erhebung dieser Rechtsbehelfe noch eine Zurückweisung der Klage vorliegt. Im vorliegenden Fall hatte das Erstgericht demgegenüber die Klage über einen (nicht bloß eventualiter gestellten) Antrag des Klägers nach § 230a ZPO bereits an das Landesgericht Eisenstadt überwiesen. Bei dieser Sachlage besteht aber für einen – hier von der Klägerin erst danach erhobenen – Rekurs gegen die Klagszurückweisung kein Raum. Ob dieser Rekurs zurück- oder abzuweisen gewesen wäre, begründet keine erhebliche Rechtsfrage, weil sich die Klägerin im Revisionsrekursverfahren durch die allfällige Wahl einer bloß unrichtigen Entscheidungsform nicht

beschwert erachten kann (16 Ok 8/08; 16 Ok 4/09; 16 Ok 2/16d).

[15] 4. Nicht zu beanstanden ist, dass das Rekursgericht den Antrag auf Nichtigerklärung der mittlerweile ergangenen Entscheidung des Bezirksgerichts Eisenstadt zurückwies, fehlte ihm doch für ein derartiges Vorgehen jegliche Zuständigkeit.

[16] 5.1. Zur Überweisung des Sicherungsantrags enthält der Revisionsrekurs keine näheren Ausführungen. Dass die Zuständigkeit des Prozessgerichts zur Erlassung einstweiliger Verfügungen dann nicht besteht, wenn die Klage a limine zurückgewiesen wurde, entspricht völlig herrschender Auffassung (Heller/Berger/Stix, EO4 III 2815 f; König, Einstweilige Verfügungen5 Rz 6.25; E. Kodek in Angst/Oberhammer, EO3 § 387 Rz 1; G. Kodek in Deixler‑Hübner, EO § 387 Rz 40; 1 Ob 80/48; SZ 1/81 = RS0005066).

[17] 5.2. Eine – nach § 44 Abs 3 JN in das (pflichtgemäße) Ermessen des Erstgerichts gestellte (vgl „kann“) – vorläufige Sicherungsmaßnahme strebt die Klägerin nicht an.

[18] 6. Zusammenfassend bringt der Revisionsrekurs sohin keine Rechtsfragen der von § 528 Abs 1 ZPO iVm § 402 EO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass er spruchgemäß zurückzuweisen war.

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