OGH 9ObA15/21b

OGH9ObA15/21b2.9.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Klaus Oblasser (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Harald Kohlruss (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der Antragstellerin Ärztekammer für Kärnten, Kurie der angestellten Ärzte, St. Veiter Straße 34, 9020 Klagenfurt am Wörthersee, vertreten durch Moser Mutz Rechtsanwälte GesbR in Klagenfurt, gegen die Antragsgegner Partei Land Kärnten, Arnulfplatz 1, 9020 Klagenfurt am Wörthersee, vertreten durch Holzer Kofler Mikusch Kasper Rechtsanwälte OG in Klagenfurt, über den gemäß § 54 Abs 2 ASGG gestellten Antrag auf Feststellung, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E132834

 

Spruch:

Der Antrag, es werde festgestellt, dass bei den beim Land Kärnten beschäftigten Fachärzten, auf die die Bestimmungen des Kärntner Landesvertragsbedienstetengesetzes (K-LVBG) anzuwenden sind, Verwendungszeiten als Facharzt, die sie in einem anderen Dienstverhältnis als zum Land Kärnten verbracht haben, iSd § 42 Abs 4 K‑LVBG bei der Einstufung in das Gehaltsschema in der Weise zu berücksichtigen sind, als hätten sie diese in einem Dienstverhältnis zum Land Kärnten verbracht, wird abgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Antragstellerin bringt vor, Interessenvertretung der angestellten Ärzte in Kärnten zu sein. Die für die Kollektivvertragsfähigkeit nach § 4 Abs 1 ArbVG geforderte „Gegnerunabhängigkeit“ ergebe sich aus der durch das Ärztegesetz 1998 eingeführten Teilautonomie der Kurienversammlungen, die in ihrer Willensbildung frei von potentiellen sozialen Gegenspielern seien. Daher sei sie zur Antragstellung nach § 54 Abs 2 ASGG berechtigt. Der Antragsgegner sei als Gebietskörperschaft eine kollektivvertragsfähige juristische Person öffentlichen Rechts und daher passiv legitimiert.

[2] Von dem aufgezeigten Sachverhalt seien mehr als drei in‑ und ausländische Arbeitnehmer betroffen.

[3] Der Antragsgegner habe die Betriebsführung der Krankenanstalten, deren Rechtsträger er sei, der „Landeskrankenanstalten-Betriebsgesellschaft – KABEG“ übertragen. Die dort beschäftigten Ärztinnen und Ärzte seien Landesbedienstete, auf deren Dienstverhältnisse die Bestimmungen des Kärntner Landesvertragsbedienstetengesetzes (K‑LVBG) anzuwenden seien. Für ihre Entlohnung seien insgesamt die Einreihungs‑ und Vorrückungsbestimmungen der §§ 34, 35 und 42 K‑LVBG relevant. Nach § 42 Abs 4 K‑LVBG gebühre dem Facharzt, der aufgrund seiner sonstigen anrechenbaren Vordienstzeit in eine niedrigere Gehaltsstufe als die Entlohnungsgruppe ks4 Entlohnungsstufe 8 (ks4/8) einzustufen sei, ab dem Zeitpunkt seiner Verwendung als Facharzt eine Vorrückung im Gehaltsschema in ks4/8. Vom Antragsgegner werde diese Bestimmung aber nur in jenen Fällen umgesetzt, in denen die Verwendung als Facharzt vor dem Erreichen der Entlohnungsstufe ks4/8 in einer Krankenanstalt der KABEG erfolge. Fachärzte, die erst zu einem Zeitpunkt in ein Dienstverhältnis beim Antragsgegner eintreten, in dem sie bereits durch die Berücksichtigung von Vordienstzeiten diese Gehaltsstufe erreicht hätten, werde die zuvor verbrachte Zeit der Verwendung als Facharzt außerhalb der KABEG zwar als Vordienstzeit angerechnet, die in § 42 Abs 4 K‑LVBG geregelte „außerordentliche Vorrückung“ werde dabei jedoch nicht umgesetzt. Dies führe bei gleichem Berufsverlauf zu einer unterschiedlichen Entlohnung von Personen, die bei Erlangen der Berufsberechtigung noch nicht in einem Dienstverhältnis zum Antragsgegner gestanden seien im Vergleich zu solchen, die bereits beim Antragsgegner beschäftigt gewesen seien. Diese unterschiedliche Gesetzesanwendung widerspreche dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Staatsbürger. Sie stehe auch in Widerspruch zu unionsrechtlichen Bestimmungen, da bei Bemessung des Gehalts die einschlägige Berufserfahrung eines Wanderarbeitnehmers zu einer niedrigeren Gehaltseinstufung führe, als die gleichartige Erfahrung eines inländischen Arbeitnehmers.

[4] Es werde daher beantragt festzustellen, dass der Antragsgegner verpflichtet sei, Fachärzte, die nach Absolvierung ihrer Ausbildung zum Facharzt in einer Krankenanstalt, die nicht der KABEG als Rechtsträger angehöre, Facharzttätigkeiten verrichtet hätten, iSd § 42 Abs 4 K‑LVBG so einzustufen, als wären sie seit Beginn der Verwendung als Facharzt bereits in einer Krankenanstalt der KABEG beschäftigt gewesen.

[5] DerAntragsgegner bestritt und brachte vor, dass die Antragstellerin nicht zur Antragstellung legitimiert sei. Nach dem Gesetz komme nur der Arbeitgeberkurie das Recht auf Abschluss von Kollektivverträgen zu. Es sei auch zu bezweifeln, dass tatsächlich eine Vereinbarung zwischen voneinander in der Willensbildung unabhängigen Interessenvertretungen vorläge, wenn die Ärztekammer auf Dienstgeberseite und auf Dienstnehmerseite zugleich Kollektivverträge abschließe. Außerdem würde das auch zwangsläufig die Koalitionsfreiheit freiwilliger Berufsvereinigungen beschränken und widerspreche daher Art 11 EMRK. Es sei auch nicht richtig, wie der Oberste Gerichtshof in einer früheren Entscheidung ausgeführt habe, dass dem Präsidenten der Ärztekammer nur noch formelle Funktionen zukämen. Darüber hinaus seien die Kurienobmänner zwingend die Vizepräsidenten der Ärztekammer und würden als solche den Präsidenten vertreten, was zu einer Verquickung der Funktionen und einem möglichen Einfluss auf die jeweils andere Kurie führen könnte. In der Satzung sei festgehalten, dass dem Präsidenten der Abschluss von Kollektivverträgen gemeinsam mit der Kurie der niedergelassenen Ärzte obliege. Damit sei aber davon auszugehen, dass die Ärztekammer für Kärnten sich aufgrund ihrer Satzung einer Selbstbeschränkung unterworfen habe und die Kollektivvertragsfähigkeit nur der Kurie der niedergelassenen Ärzte zukomme. Darüber hinaus ergebe sich aus § 8 der Geschäftsordnung für die Kurienversammlung der Ärztekammer Kärntens, dass alle Beschlüsse dem Präsidenten vorzulegen seien. Die im Ärztegesetz enthaltene Regelung, wonach der Präsident mit Ausnahme von Beschlüssen für arbeits‑ und dienstrechtliche Angelegenheiten alle anderen Beschlüsse aussetzen könne, sei damit in der Geschäftsordnung relativiert und umgekehrt. Es liege daher keine Antragslegitimation der Antragstellerin vor.

[6] Es fehle aber auch dem Antragsgegner die passive Antragslegitimation. Die Kollektivvertragsfähigkeit juristischer Personen öffentlichen Rechts beruhe auf dem Gesetz. Es sei jedoch fraglich, ob eine solche dem Antragsgegner zukomme, wenn er für seine Bediensteten ohnehin ein eigenes Dienstrecht geschaffen habe. Die Vereinbarung eines vom Gesetzestext abweichenden Kollektivvertrags wäre rechtlich unmöglich. In früheren Entscheidungen habe der Oberste Gerichtshof zwar eine Legitimation angenommen, wenn die Körperschaften kollektivvertragfähig seien, ohne dass es auf den Abschluss von Kollektivverträgen ankomme. Dies könne jedoch nicht mehr aufrecht erhalten werden. Das K‑LVBG sei als Dienstrecht zwingend und der Antragsgegner auch nicht in der Lage, vom Gesetzesinhalt abweichende Klärungen vorzunehmen. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass der Feststellungsantrag den Wirkungsbereich des Antragsgegners betreffe.

[7] Der vorliegende Antrag sei aber auch inhaltlich nicht berechtigt. Es gehe der Antragstellerin nicht um die Berechnung des Vorrückungsstichtags, sondern um die sogenannte „außerordentliche Vorrückung (Zeitvorrückung)“ innerhalb einer Entlohnungsgruppe. Dass mit der außerordentlichen Vorrückung auch eine Veränderung des Vorrückungsstichtags stattzufinden habe, sehe das Gesetz nicht vor. Der Begriff der Verwendung in § 42 Abs 4 K‑LVBG beschreibe den Zeitraum, in dem der Arzt als Facharzt tätig werde. Die außerordentliche Vorrückung könne daher nur dann stattfinden, wenn der Facharzt tatsächlich in einer Krankenanstalt des Antragsgegners verwendet werde. Eine Zeitvorrückung innerhalb einer Entlohnungsgruppe setze den Bestand eines Dienstverhältnisses voraus. Fiktive Zeitvorrückungen seien im Dienstrecht nicht vorgesehen.

[8] Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz finde in den zwingenden Einstufungs‑ und Entlohnungsvorschriften des Vertragsbedienstetenrechts seine Grenze. Wenn es aufgrund unterschiedlicher Karriereverläufe zu unterschiedlichen Zeitvorrückungen innerhalb derselben Entlohnungsgruppe komme, sei dies nicht gleichheitswidrig. Die Regelung sei auch im Hinblick auf die Betriebstreue und eine erhöhte Erfahrung des Dienstnehmers gerechtfertigt, da dieser die fachlichen und organisatorischen Anforderungen der KABEG bereits kenne. Die Regelung sei daher sachlich begründet. Durch sie würden auch Fluktuationskosten vermieden. Eine sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung unter Zugrundelegung eines generalisierenden Prinzips sei zulässig.

[9] Der Senat hat dazu erwogen:

[10] 1. Zur Antragslegitimation:

Rechtliche Beurteilung

[11] 1.1. Zur Antragstellung nach § 54 Abs 2 ASGG sind kollektivvertragsfähige Körperschaften der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer (§§ 47 ArbVG) im Rahmen ihres Wirkungsbereichs berechtigt. Zur Frage der Antragslegitimation der Ärztekammer hat der erkennende Senat in der Entscheidung 9 ObA 40/19a Stellung genommen. In dieser wurde ausführlich dargelegt, warum aufgrund der Rechtslage nach dem ÄrzteG 1998 die frühere Judikatur, dass die Ärztekammer als Standeskammer mangels „Gegnerunabhängigkeit“ nicht zum Antrag legitimiert ist, nicht aufrechterhalten werden kann. Wesentlicher Grund ist, dass durch das ÄrzteG 1998 die Organisation der Ärztekammer unter anderem dadurch grundlegend neu strukturiert wurde, dass die ursprüngliche Erfassung der Ärzteschaft in Sektionen je nach ihrer Berufsausübung abgeschafft und dafür sogenannte „Kurien“ für die angestellten Ärzte, die niedergelassenen Ärzte und die Zahnärzte, denen weitreichende Aufgaben bei der Wahrnehmung der Interessen der jeweiligen ärztlichen Berufsgruppen zukommen sollen, geschaffen wurden.

[12] Die für die Kollektivvertragsfähigkeit nach § 4 Abs 1 ArbVG geforderte „Gegnerunabhängigkeit“ ergibt sich aus den teilautonomen Kurienversammlungen der angestellten Ärzte (§ 71 Abs 1 Z 1 ÄrzteG 1998), die in ihrer Willensbildung vollkommen frei von potentiellen sozialen Gegenspielern sind(9 ObA 40/19a).

[13] 1.2. Entgegen den Ausführungen des Antragsgegners steht diese Entscheidung auch im Einklang mit dem überwiegenden Schrifttum (vgl die ausführliche Darstellung in 9 ObA 40/19a, ebenso Neumayr in FS Rebhahn, Zur Verfahrenslegitimation nach § 54 Abs 2 ASGG, 385 ff; Resch, RdM 2020/38).

[14] 1.3. Richtig ist, worauf bereits in der Entscheidung 9 ObA 40/19a hingewiesen wurde, dass im ÄrzteG 1998 nur die Berechtigung zum Abschluss von Kollektivverträgen als gesetzliche Interessenvertretung von Ärzten auf Arbeitgeberseite gegenüber nichtärztlichen Arbeitnehmern ausdrücklich angeführt wird (§ 66a Abs 1 Z 2 ÄrzteG 1998). Die Kollektivvertragsfähigkeit der Antragstellerin ergibt sich aber schon aus der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzung nach § 4 ArbVG, eine ausdrückliche Normierung im Ärztegesetz ist daher nicht erforderlich.

[15] 1.4. § 4 ArbVG verlangt als Voraussetzung der Kollektivvertragsfähigkeit die „Gegnerunabhängigkeit“. Gegnerunabhängigkeit bedeutet, dass die Vereinigung sowohl in wirtschaftlicher als auch in organisatorischer Hinsicht von der Gegenseite unabhängig ist. Auf diese Weise muss gewährleistet sein, dass die Willensbildung innerhalb der Kollektivvertragsparteien unbeeinflusst von der Gegenseite erfolgt (Neumayr in FS Rebhahn 393).

[16] Der Antragsgegner verweist als Argument gegen die „Gegnerunabhängigkeit“ auf die Befugnisse des Präsidenten der Ärztekammer. Mit diesen hat sich aber bereits die Entscheidung 9 ObA 40/19a auseinandergesetzt und darauf hingewiesen, dass der Präsident neben seinen formellen Funktionen ein Stimmrecht nur in der Kurienversammlung hat, der er angehört. Neue relevante Eingriffsrechte des Präsidenten werden auch vom Antragsgegner nicht aufgezeigt.

[17] Soweit der Antragsgegner auf Besonderheiten der Organisation der Ärztekammer für Kärnten hinweist, kann ihm nicht gefolgt werden. § 8 Abs 5 der Satzung entspricht im Wesentlichen § 83 Abs 5 ÄrzteG 1998. Wenn der Antragsgegner sich weiters darauf bezieht, dass nach § 8 der Geschäftsordnung für die Kurienversammlung der Ärztekammer für Kärnten sämtliche Beschlüsse dem Präsidenten unverzüglich vorzulegen sind, woraufhin dieser entscheiden kann, ob weitere Maßnahmen nach § 8 Abs 3 bzw § 4 der Geschäftsordnung zu treffen sind, übergeht er, dass nach § 8 Abs 1 der Geschäftsordnung dies nicht für arbeits‑ oder dienstrechtliche Angelegenheiten gilt, weil solche Beschlüsse der Kurienversammlung endgültig und sofort wirksam werden. Auch diese Bestimmung steht daher in Einklang mit § 83 Abs 3 ÄrzteG 1998.

[18] Auch dass die Kurienobmänner zwingend Vizepräsidenten der Ärztekammer sind und daher den Präsidenten vertreten, kann zu keiner Änderung der Beurteilung führen, hat doch der Präsident, wie bereits ausgeführt, im Wesentlichen formelle Funktion und nicht Stimmrecht in der Kurie, der er nicht angehört.

[19] Richtig ist, dass nach § 8 der Satzung der Verwaltung der Ärztekammer für Kärnten dem Präsidenten der Abschluss von Kollektivverträgen gemeinsam mit der Kurie der niedergelassenen Ärzte obliegt. Daraus lässt sich jedoch entgegen den Ausführungen des Antragsgegners nicht der Schluss ziehen, das dadurch eine durch Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 4 ArbVG bestehende Kollektivvertragsfähigkeit der Kurie für angestellte Ärzte beschränkt werden soll.

[20] 1.5. Nicht nachvollziehbar ist schließlich die Argumentation, dass die Bejahung der Kollektivvertragsfähigkeit derAntragstellerinin Widerspruch zu Art 11 EMRK stehen soll. § 84 Abs 3 ÄrzteG 1998 sieht ausdrücklich vor, dass im Rahmen der Angelegenheiten der Kurienversammlung der angestellten Ärzte die Verhandlungs‑ und Abschlussbefugnisse der jeweiligen freiwilligen Berufsvereinigung der Arbeitnehmer unberührt bleiben. Darüber hinaus normiert § 6 ArbVG ausdrücklich den Vorrang der freiwilligen Berufsvereinigungen. Insgesamt zeigt der Antragsgegner keine Gründe auf, von der Beurteilung in der Entscheidung 9 ObA 40/19a abzuweichen. Es ist daher von der Kollektivvertragsfähigkeit der Antragstellerin und damit auch der Antragslegitimation nach § 54 Abs 2 ASGG auszugehen.

[21] 2. Zur passiven Antragslegitimation:

[22] 2.1.Der Antragsgegner ist als Gebietskörperschaft eine juristische Person des öffentlichen Rechts und im Sinn des § 7 ArbVG kollektivvertragsfähig (vgl RS0050846). Unstrittig stehen die vom Antrag umfassten ÄrztInnen in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Antragsgegner.

[23] 2.2. § 54 Abs 2 ASGG stellt auf die Kollektivvertragsfähigkeit ab, nicht ob ein Kollektivvertrag abgeschlossen wurde oder ob die zu beurteilende Frage mit der Auslegung eines abgeschlossenen Kollektivvertrags zu tun hat. Durch § 54 Abs 2 ASGG sollte die Möglichkeit eröffnet werden, abstrakte arbeitsrechtliche Fragen aus privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen, die für einen größeren Personenkreis von Bedeutung sind, in einem außerstreitigen zwischen den betreffenden Interessenvertretungen geführten Verfahren aufgrund eines behaupteten Sachverhalts einer Klärung zuzuführen. Um die Parteienlegitimation (Prozessstandschaft) im Verfahren nach § 54 Abs 2 ASGG von Einzelpersonen und Belegschaftsorganen abzugrenzen, wurde sie auf die kollektivvertragsfähigen Körperschaften beschränkt, weil auf diese Weise eine repräsentative Vertretung der beteiligten Personen und Personengruppen sichergestellt ist. Dass es dabei nicht auf den tatsächlichen Abschluss von Kollektivverträgen ankommen kann, ergibt sich bereits daraus, dass der Problemkreis, der im Rahmen dieser Verfahren an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden kann, nicht auf die Auslegung von Kollektivverträgen beschränkt ist, sondern arbeitsrechtliche Fragen jeder Art auf dem Gebiet der Arbeitsrechtssachen nach § 50 ASGG umfassen kann, mögen sie aus einem Kollektivvertrag, einer Betriebsvereinbarung, aus einem Arbeitsvertrag oder unmittelbar aus dem Gesetz abgeleitet werden. Durch den Verweis auf §§ 47 ArbVG in § 54 Abs 2 ASGG wird der Kreis der legitimierten Personen verdeutlicht und klargestellt, dass die in diesen Bestimmungen genannten Körperschaften zur Beteiligung an dem Verfahren berufen sind. Der Umstand, dass aufgrund anderer, in § 54 Abs 2 ASGG nicht genannter Bestimmungen für einzelne Fälle ein Ausschluss der Möglichkeit, Kollektivverträge abzuschließen, besteht, steht der Legitimation im Verfahren nach § 54 Abs 2 ASGG nicht entgegen (so schon 9 ObA 513/89 ua).

[24] 2.3. Die Tatsache, dass auf Dienstverhältnisse zu Gebietskörperschaften gemäß § 1 Abs 2 Z 3 ArbVG die Bestimmungen des ersten bis vierten Hauptstücks des ArbVG nicht anzuwenden sind, steht der Legitimation der Gebietskörperschaft für eine Beteiligung an einem Verfahren nach § 54 Abs 2 ASGG auch bezüglich solcher Dienstverhältnisse nicht entgegen (RS0085688).

[25] 2.4. Wenn der Antragsgegner meint, dass diese Judikatur nicht aufrecht erhalten werden könne, weil im konkreten Fall für sämtliche vom Antrag umfassten Bediensteten keine Möglichkeit bestehe, Kollektivverträge abzuschließen, missversteht er den Kern der zuvor dargestellten Argumentation. Der Verweis in § 54 Abs 2 ASGG auf §§ 47 ArbVG verdeutlicht den Kreis der legitimierten Personen und stellt klar, dass die in diesen Bestimmungen genannten Körperschaften zur Beteiligung an den Verfahren berufen sind. Durch die in der Bestimmung gebrauchte Wendung „für ihren Wirkungsbereich“ wird dabei nicht auf die Berechtigung zum Abschluss von Kollektivverträgen im Einzelfall abgestellt, sondern nur zum Ausdruck gebracht, dass eine kollektivvertragsfähige Körperschaft nur dann als Antragsteller oder Antragsgegner aufzutreten befugt ist, wenn ein entsprechendes Naheverhältnis zu dem vom Antrag betroffenen Personenkreis besteht, die Körperschaft also nach ihrem sachlichen und persönlichen Wirkungsbereich auch als zur Beteiligung bei Klärung der den Gegenstand des Verfahrens bildenden Fragen berufen angesehen werden kann (8 ObA 224/97t). Darauf, ob für die konkret von der Antragstellung betroffenen Arbeitnehmer des Antragsgegners Kollektivvertragsfähigkeit gegeben ist, kommt es nicht an. Auch die passive Antragslegitimation des Antragsgegners ist daher zu bejahen.

[26] 3. Zur Berechtigung des Antrags:

[27] 3.1. Das K‑LVBG sieht für die Entlohnung der diesem Gesetz unterliegenden Dienstnehmer nach der Art ihrer Verwendung verschiedene Entlohnungsschemata vor, die wiederum nach der konkreten Tätigkeit in Entlohnungsgruppen untergliedert sind.

[28] Nach § 34 Abs 1 K‑LVBG umfasst das Entlohnungsschema k (unter anderem) in den Kärntner Landeskrankenanstalten tätige Mitarbeiter, darunter in der Entlohnungsgruppe ks4 Fachärzte. Das Monatsentgelt der vollbeschäftigten Vertragsbediensteten des Entlohnungsschemas k richtet sich nach § 35 K‑LVBG nach der Anlage 11, wobei das Monatsentgelt mit der Entlohnungsstufe 1 beginnt.

[29] § 40 Abs 9 K‑LVBG („Überstellung“) sieht vor, dass ein Arzt nach Vollendung der Ausbildung zum Facharzt, sofern das Dienstverhältnis nach Vollendung der Ausbildung zum Facharzt fortgesetzt und er auch als Facharzt verwendet wird, ab dem der Anerkennung als Facharzt folgenden Monatsersten nach ks4 überstellt wird.

[30] § 42 K‑LVBG regelt die Vorrückung in höhere Entlohnungsstufen und lautet auszugsweise:

„Abs 1: Für die Vorrückung ist der Vorrückungsstichtag maßgeblich, soweit nichts anderes bestimmt ist. Soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, beträgt der für die Vorrückung in die zweite Entlohnungsstufe der jeweiligen Entlohnungsgruppe erforderliche Zeitraum fünf Jahre, ansonsten zwei Jahre.

...

Abs 4: Dem Facharzt gebührt ab dem der Verwendung als Facharzt folgenden 1. Jänner oder 1. Juli – unbeschadet des § 42 Abs 3 – mindestens das Monatsentgelt der Entlohnungsgruppe ks4, Entlohnungsstufe 8. Die Vorrückung in die nachfolgenden Entlohnungsstufen erfolgt in diesem Fall abweichend von Abs 1 jeweils nach einem Zeitraum von zwei Jahren, beginnend mit der Einreihung in die Entlohnungsstufe 8. Abs 8 findet keine Anwendung.“

[31] 3.2. Aus diesen Regelungen folgt für die beim Antragsgegner bereits vor Vollendung der Ausbildung zum Facharzt beschäftigten Dienstnehmer, dass sie mit dem der Anerkennung als Facharzt folgenden Monatsersten in die Entlohnungsgruppe ks4 eingereiht werden und ab dem dem Beginn der Tätigkeit als Fachärzte nachfolgenden 1. 1. bzw 1. 7. in die Entlohnungsstufe 8 dieser Entlohnungsgruppe vorrücken.

[32] Aus der Anlage 11 zum K‑LVBG ergibt sich, dass in der Entlohnungsgruppe ks4 die Entlohnungsstufen 1–8 derzeit die idente Entlohnung vorsehen. Das bedeutet, dass auch wenn die formelle Einstufung in ks4/8 erst mit dem der Vollendung der Ausbildung nachfolgenden 1. 1. bzw 1. 7. erfolgt, die Entlohnung ab Beginn der Facharzttätigkeit dem Entgelt der Entlohnungsstufe 8 entspricht. Eine weitere Vorrückung in höhere Entlohnungsstufen erfolgt alle zwei Jahre.

[33] 3.3. Beginnt ein Arbeitnehmer, der seine Ausbildung als Facharzt in einem Beschäftigungsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber absolviert hat und auch bereits als Facharzt tätig war, eine Tätigkeit als Facharzt beim Antragsgegner, erfolgt seine Eingliederung in ein Entlohnungsschema und eine Entlohnungsgruppe entsprechend seiner Tätigkeit nach § 34 Abs 1 K‑LVBG in die Entlohnungsgruppe ks4. Das ist zwischen den Parteien auch nicht strittig.

[34] Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist die Feststellung der Entlohnungsstufe in einem solchen Fall aber keine Frage der Vorrückung, sondern richtet sich nach dem nach § 41 K‑LVBG zu bestimmenden Vorrückungsstichtag. Dass nach dieser Bestimmung in bestimmtem Umfang auch Vordienstzeiten, etwa frühere Facharzttätigkeiten, vom Antragsgegner ohnehin berücksichtigt werden, wird auch von der Antragstellerin nicht bestritten. Das hat aber zur Folge, dass der neu eintretende Facharzt, wenn er nach dem Vorrückungsstichtag nicht die Entlohnungsstufe 8 erreicht, in eine geringere Entlohnungsstufe einzureihen ist, was – wie dargelegt – betragsmäßig derzeit keinen Unterschied zur Entlohnungsstufe 8 bedeutet. Nach § 42 Abs 4 K‑LVBG rückt er ebenfalls mit dem nachfolgenden 1. 1. bzw 1. 7. in die Entlohnungsstufe ks4/8 vor und anschließend alle zwei Jahre in die jeweils höhere Entlohnungsstufe.

[35] Ergibt sich nach der Berechnung des Vorrückungsstichtags eine höhere Entlohnungsstufe als ks4/8, beginnt der Arbeitnehmer in der höheren Entlohnungsstufe.

[36] 3.4. Die Antragstellerin geht davon aus, dass bei einer verfassungs‑ bzw unionsrechtskonformen Auslegung des § 42 Abs 4 K‑LVBG ein nicht beim Antragsgegner beschäftigter Facharzt bei einem Wechsel zum Antragsgegner so einzustufen ist als wäreseine gesamte Facharzttätigkeit beim Antragsgegner verbracht worden. Nach ihrer Auffassung ist die in § 42 K‑LVBG enthaltene Formulierung „Verwendung als Facharzt“ im Sinn von „jede Verwendung als Facharzt“ auszulegen, wodurch eine andere Einstufung neu eintretender Fachärzte mit Vordienstzeiten erreicht werden kann.

[37] Eine solche Auslegung steht aber mit dem K‑LVBG in Widerspruch. Sie lässt den Wortlaut und die Systematik des Gesetzes unberücksichtigt, das in § 42 K‑LVBG ausdrücklich die Vorrückung in höhere Entlohnungsstufen, das bedeutet (nur) die Höherreihung schon beim Antragsgegner beschäftigter Personen, regelt. Der Umfang der Anrechnung von Vordienstzeiten ergibt sich dagegen aus § 41 K‑LVBG, der die Festsetzung des Vorrückungsstichtags normiert, nach dem sich wiederum die jeweilige Entlohnungsstufe richtet.

[38] Auch die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung auf die von § 42 K‑LVBG gerade nicht erfassten Fälle neu eintretender Fachärzte liegen nicht vor. Jede Analogie setzt eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes voraus (vgl RS0106092), die nur dann angenommen werden kann, wenn Wertungen und Zweck der gesetzlichen Regelung die Annahme rechtfertigen, der Gesetzgeber hätte einen nach denselben Maßstäben regelungsbedürftigen Sachverhalt übersehen (RS0008866 [T27]). Ordnet er für einen bestimmten Sachverhalt eine bestimmte Rechtsfolge bewusst nicht an, besteht keine Gesetzeslücke (vgl RS0008866 [T8, T13]). Da der Landesgesetzgeber im konkreten Fall eigenständige Regelungen für die Einstufung neueintretender einerseits und die Überstellung und Vorrückung schon in einem Dienstverhältnis stehender Personen andererseits getroffen hat, liegt eine solche planwidrige Lücke nicht vor.

[39] Auch eine unionsrechtskonforme Auslegung darf einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen nationalen Regelung keinen durch die nationalen Auslegungsregeln nicht erzielbaren abweichenden oder gar entgegengesetzten Sinn geben (RS0114158 [T7]).

[40] 3.5. Darüber hinaus gesteht die Antragstellerin selbst zu, dass allfällige Vordienstzeiten als Facharzt im Rahmen der Berechnung des Vorrückungsstichtags berücksichtigt werden. Dass dabei zwischen einzelnen Gruppen von Arbeitnehmern oder zwischen inländischen Arbeitnehmern und Wanderarbeitnehmern im EU‑Raum Unterschiede gemacht werden, behauptet auch sie nicht. Eine Diskriminierung bei der Anrechnung von Vordienstzeiten ist daher nicht verfahrensgegenständlich. Insoweit liegt daher aber auch kein Verstoß gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit vor.

[41] Mit dem Beginn ihrer Facharzttätigkeit beim Antragsgegner werden neu einsteigende Fachärzte zumindest gleich entlohnt wie Arbeitnehmer, die aufgrund einer entsprechenden Ausbildung beim Antragsgegner bei dieser als Fachärzte beginnen. Auch in diesem Umfang besteht daher keine Schlechterstellung.

[42] Der von der Antragstellerin monierte Unterschied in der Entlohnung liegt darin, dass neu einsteigende, bereits als Fachärzte Tätige in Einzelfällen nicht das Entgelt erhalten wie beim Antragsgegner schon vor der Facharzttätigkeit beschäftigte Personen. Daraus lässt sich aber kein Verstoß gegen den Gleichheitsbehandlungsgrundsatzableiten. Ein Arbeitnehmer, der bereits mehrere Jahre beim Antragsgegner beschäftigt ist, befindet sich gerade nicht in derselben Position, wie ein Arbeitnehmer, der bei ihm neu beschäftigt wird.

[43] Dass der Antragsgegner versucht, durch ein attraktives Gehaltsmodell Arbeitnehmer dazu zu motivieren, über lange Jahre im Krankenhaus tätig zu sein (so ErlKLT 31. GP 01‑VD‑LG‑1651/50‑2015 3) stellt weder einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz noch gegen Unionsrecht dar.

[44] 4. Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass § 42 Abs 4 K‑LVBG nur die Vorrückung von beim Antragsgegner bereits beschäftigten Fachärzten regelt. Über die Berücksichtigung von bei anderen Dienstgebern als Facharzt verbrachte Zeiten ist dagegen aus dieser Bestimmung nichts abzuleiten. Es kann daher aus ihr auch keine Grundlage für eine höhere Einstufung von bereits zuvor bei anderen Dienstgebern beschäftigten Fachärzten im Gehaltsschema des Antragsgegners gewonnen werden.

[45] Der Feststellungsantrag war daher abzuweisen.

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