OGH 8Ob74/21x

OGH8Ob74/21x3.8.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei O***** P*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Kropf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei D***** W*****, vertreten durch Dr. Silvia Vinkovits, Rechtsanwältin in Wien, wegen 60.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. März 2021, GZ 4 R 123/20t‑30, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0080OB00074.21X.0803.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Das Berufungsgericht erkannte über Einrede des Beklagten die am 3. 10. 2019 bei Gericht eingebrachte Wechselmandatsklage als verjährt, weil der Wechsel nach seinem Inhalt vom Beklagten (Bezogener und Akzeptant) „am 1. 10. 2016“ zu zahlen war. Dass es sich dabei um einen Samstag handelte, ändere nichts am Verfall des Wechsels iSd Art 70 Abs 1 WechselG 1955 (WG) bereits an diesem Tag, weshalb die Klage zur Wahrung der wechselmäßigen Ansprüche gegen den Beklagten spätestens am 1. 10. 2019, einem Dienstag, einzubringen gewesen wäre.

[2] Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers. Er nimmt darin den Standpunkt ein, aufgrund von Art 72 Abs 1 WG würde sich nicht nur die Zahlungsverpflichtung auf den 3. 10. 2016 verschieben, sondern auch der Verjährungslauf könne erst mit diesem Termin beginnen, müsse doch der Kläger berechnet ab der ersten Möglichkeit, die Zahlung einzufordern, volle drei Jahre Zeit zur Einbringung der Klage haben. Die Revision sei zulässig, weil eine konkrete Auseinandersetzung mit dem Verjährungsbeginn durch den Obersten Gerichtshof bislang nicht erfolgt sei.

[3] Entgegen der Ansicht des Klägers liegt hinreichende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor, in der die Beurteilung des Berufungsgerichts Deckung findet.

Rechtliche Beurteilung

[4] 1. Die wechselmäßigen Ansprüche gegen den Annehmer verjähren nach Art 70 Abs 1 WG in drei Jahren vom Verfalltag. Art 72 Abs 1 Satz 1 WG ordnet an, dass, wenn der Wechsel an einem gesetzlichen Feiertag verfällt, die Zahlung erst am nächsten Werktag verlangt werden kann. „Feiertage“ sind nach Art 72 Abs 3 HalbS 1 WG außer den Sonntagen die nach dem FeiertagsruheG 1957 als Feiertage bestimmten Tage. Ihnen gleichgestellt werden von HalbS 2 leg cit Samstage, der Karfreitag und der 24. Dezember.

[5] 2. Der unter anderem in Art 70 WG genannte Verfalltag ist jener Tag, an dem der Wechsel zur Zahlung fällig wird (4 Ob 45/98s). Er ist von dem sogenannten Zahlungstag zu unterscheiden; dies ist jener Tag, an dem der Gläubiger erstmalig die Zahlung verlangen kann (arg Art 72 Abs 1 WG; statt vieler Kapfer, Handkommentar zum Wechselgesetz [1969] 146; Keinert, Handbuch des Wertpapierrechts nach österreichischem und deutschen Recht [2014] I Rz 1182 und 1184).

[6] 3. Nach allgemeiner Auffassung ist der Verfalltag mit dem Zahlungstag aufgrund von Art 72 Abs 1 WG nicht immer gleich, nämlich dann nicht, wenn der Verfalltag auf einen Feiertag oder auf einen einem solchen nach Art 72 Abs 3 WG gleichgestellten Tag fällt (Kapfer, Handkommentar 146, 244; Hauser, Österreichisches Wechsel- und Scheckrecht2 [1999] Rz 35 und 128; Keinert, Handbuch I Rz 1184 f; zum im Wesentlichen gleich lautenden deutschen Recht Bülow, Wechselgesetz-Scheckgesetz5 [2013] Art 1 WG Rz 22, Art 70 WG Rz 2, Art 72 WG Rz 2; Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz-Scheckgesetz24 [2020] Art 33 WG Rz 1, Art 72 WG Rz 2). Konsequenz dessen ist, dass Wechselansprüche gegen den Annehmer in drei Jahren seit dem Verfall auch dann verjähren, wenn der Verfalltag ein Feiertag oder ein einem solchen gleichgestellter Tag, zB ein Samstag, ist (Bülow aaO Art 70 WG Rz 2, Baumbach/Hefermehl/Casper aaO Art 70 WG Rz 4).

[7] 4. Dieser allgemeinen Auffassung hat sich der Oberste Gerichtshof bereits zu 5 Ob 57/75 (= EvBl 1976/180) – unter Berufung auf die damals aktuelle Auflage des Standardkommentars zum Wechselgesetz von (damals) Baumbach/Hefermehl – angeschlossen, indem er aussprach, dass der Anspruch gegen den Annehmer eines Wechsels nach Art 70 Abs 1 WG auch dann in drei Jahren vom Verfalltag an gerechnet verjährt, wenn der Verfalltag ein Feiertag war. Dass (stets) der Verfalltag die dreijährige Verjährungsfrist des Art 70 Abs 1 WG auslöst, liegt zudem den – zum Teil unter Bezugnahme auf EvBl 1976/80 oder den dazu gebildeten Rechtssatz RS0082503 ergangenen – Entscheidungen 2 Ob 634/87, 8 Ob 35/89, 8 Ob 2082/96a, 4 Ob 45/98s und 8 Ob 90/12m zugrunde.

[8] 5. Das Berufungsurteil entspricht der gesicherten und von der Literatur gestützten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Die der außerordentlichen Revision zugrundeliegende Ansicht, die Hinausschiebung des Zahlungstags müsse mit einer ebensolchen Hinausschiebung des Verfalltags einhergehen, da sonst dem Wechselgläubiger nicht mehr volle drei Jahre zur Einklagung seiner Ansprüche zur Verfügung stünden, übergeht, dass Art 72 Abs 1 WG nur den Zahlungstag verschiebt und den Verfalltag klar unverändert lässt, spricht die Vorschrift doch davon, dass der Wechsel an einem Feiertag „verfällt“.

[9] Eine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität wird in der außerordentlichen Revision nicht zur Darstellung gebracht.

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