OGH 9ObA7/21a

OGH9ObA7/21a28.7.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Thomas Stegmüller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Angela Taschek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Personalausschuss der Ö*, vertreten durch Doshi & Partner Rechtsanwälte OG in Feldkirch, gegen die beklagte Partei Ö* AG, *, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 5.556,44 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 17. Dezember 2020, GZ 13 Ra 28/20w‑25, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E132597

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der klagende Personalausschuss begehrt von der Beklagten nach den Bestimmungen des PBVG den Ersatz von Kosten, die ihm in einem Verfahren nach § 50 Abs 2 ASGG entstanden sind.

[2] Die Vorinstanzen gaben der Klage statt.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die außerordentliche Revision der Beklagten ist mangels Vorliegens einer Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[4] 1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der auch vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 9 ObA 10/11b zum Verhältnis und zur Auslegung von § 72 ArbVG und § 47 PBVG Stellung genommen: § 72 ArbVG verpflichtet den Betriebsinhaber nur, dem Betriebsrat und dem Wahlvorstand zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben Räumlichkeiten, Kanzlei und Geschäftserfordernisse sowie sonstige Sacherfordernis in einem der Größe des Betriebs und den Bedürfnissen des Betriebsrats angemessenen Ausmaß unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, während die Deckung der Kosten der Geschäftsführung des Betriebsrats aus den Mitteln des diesbezüglich mit Teilrechtsfähigkeit ausgestatteten Betriebsratsfonds zu erfolgen hat (§§ 73 f ArbVG). Konsequenterweise besteht daher die Pflicht des Betriebsinhabers zur Beistellung von Sacherfordernissen gegenüber dem Betriebsrat, während Geschäftsführungskosten, zu denen auch Reisekosten zählen, vom Betriebsratsfonds zu tragen sind. Demgegenüber sind im Rahmen des PBVG Geschäftsführungskosten der Personalvertretung nicht aus den Mitteln des Personalvertretungsfonds zu begleichen (§ 48 Abs 1, § 49 Abs 1 PBVG). Vielmehr verpflichtet § 47 PBVG den Betriebsinhaber generell zur Tragung der Kosten, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben der Personalvertretungsorgane und der Wahlausschüsse erforderlich sind. Diesem Unterschied liegt auch eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung, bei der Kostentragungsregelung eine von den Bestimmungen des Arbeitsverfassungsgesetzes abweichende Bestimmung vorzusehen, zugrunde (182/A XX. GP – Initiativantrag).“

[5] 2. Gegen diese dem Gesetzeswortlaut entsprechende Auslegung des § 47 PBVG wendet sich die außerordentliche Revision nicht. Sie argumentiert jedoch, dass § 58 ASGG, der einen Kostenersatz in Verfahren nach § 50 Abs 2 ASGG in erster und zweiter Instanz ausschließt, dazu führt, dass Verfahrenskosten auch nicht im Rahmen des § 47 PBVG vom Betriebsinhaber zu übernehmen sind.

[6] Dabei vermengt sie jedoch unzulässig die Frage der Finanzierung der Tätigkeit der Personalvertretungsorgane mit der Frage des Kostenersatzes in von diesen Organen geführten Verfahren. Dass die Klägerin in Verfahren nach § 50 Abs 2 ASGG in erster und zweiter Instanz keinen Anspruch auf Kostenersatz hat, ist unstrittig und wurden im Vorverfahren dementsprechend auch keine Kosten zugesprochen. Insoweit liegt weder der von der Beklagten monierte Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gegenüber Arbeitgebern, die dem ArbVG unterliegen, noch ein unverhältnismäßiger Eingriff in ihr Eigentumsrecht vor. Ebensowenig kommt es auf die in der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 19. 6. 1993, G 233/92, dargestellten Grundsätze zur Begründung der Verfassungsmäßigkeit dieser speziellen Kostenregelung in betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten an.

[7] 3. Wesentlich ist vielmehr, inwieweit die vom Betriebsinhaber zu finanzierende Tätigkeit der Personalvertretungsorgane solche Kosten mitumfasst.

[8] Es ist zunächst nicht zu bezweifeln, dass das Führen von Verfahren nach § 50 Abs 2 ASGG zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben der Personalvertretungsorgane gehört.

[9] Auch in der Literatur wird in Zusammenhang mit § 73 ArbVG davon ausgegangen, dass Prozesskosten, die dem Betriebsrat durch das Führen von Verfahren, etwa die Anfechtung von Kündigungen, entstehen, „sonstige Geschäftsführungskosten“ im Sinn dieser Bestimmung sind (Priewasser in Der Betriebsratsfonds6 [2018], 67; Neumayr in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 73 Rz 29; Floretta in Floretta/Strasser, ArbVG-Handkommentar 407 f; Kuderna, DRdA 2001/9). Diese Kosten sind dementsprechend im Rahmen des ArbVG aus dem Betriebsratsfonds zu finanzieren.

[10] Im Rahmen des PBVG hat aber eine Finanzierung der Geschäftsführungskosten – wie dargelegt – nach § 47 PBVG zu erfolgen. Dementsprechend sind auch die Kosten der Führung von Verfahren durch die Personalvertretungsorgane unabhängig von den Kostentragungsregelungen in den jeweiligen Verfahren als Teil dieser Geschäftsführungskosten vom Betriebsinhaber zu tragen.

[11] Die von der Beklagten vertretene Ansicht hätte, da eine Finanzierung aus dem Personalvertretungsfonds ausgeschlossen ist (§ 48 Abs 1 iVm § 49 Abs 3 PBVG), zur Folge, dass solche Verfahren überhaupt nicht finanziert und geführt werden könnten und damit die Personalvertretungsorgane einen Teil ihrer Aufgaben gerade nicht wahrnehmen könnten. Ein solches Verständnis des Gesetzes kann dem Gesetzgeber aber nicht unterstellt werden.

[12] 4. Inwieweit der vom Kläger geltend gemachte Verfahrensaufwand im Anlassverfahren erforderlich war, ist eine Frage des Einzelfalls. Das trifft auch auf die Beurteilung zu, ob die Beiziehung eines Rechtsanwalts in einem Verfahren, in dem nach der Verfahrensordnung kein Vertretungszwang besteht bzw eine qualifizierte Vertretung durch Funktionäre und Arbeitnehmer einer gesetzlichen Interessenvertretung oder freiwilligen kollektiv-vertragsfähigen Berufsvereinigung zulässig ist, der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dient.

[13] Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass aufgrund der komplexen Sachmaterie, die sich schon aus dem Verfahrensverlauf erschließt, der Grenzen der richterlichen Manuduktionspflicht und dem Grundsatz der Waffengleichheit – die Beklagte war im Vorverfahren (dort als Klägerin) ebenfalls anwaltlich vertreten – die Beiziehung eines Rechtsanwalts als zweckdienlich anzusehen ist, hält sich im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraums. Die Ansicht der Beklagten, dass die Beiziehung von Rechtsanwälten nur in komplexen, kontradiktorischen Beweisverfahren, nicht aber bei reinen Rechtsfragen erforderlich ist, wird vom erkennenden Senat nicht geteilt.

[14] 5. Ob und in welchem Umfang die Beklagte insgesamt durch die Übernahme von Beamten im Rahmen des Betriebsübergangs finanziell belastet ist, ist in diesem Verfahren nicht von Relevanz. Feststellungen dazu waren daher nicht erforderlich.

[15] 6. Die Beklagte argumentiert weiters, dass die Verpflichtung zur Tragung der Kosten des Vorverfahrens gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt. Sie beruft sich dazu auf eine Vielzahl von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), wobei sie selbst erkennt, dass diese jeweils staatliche Sonderrechte in Bezug auf die organisatorische Gesellschaftsverfassung zu beurteilen hatten. Diese Rechtsprechung will die Beklagte auf den Fall der „Belastung mit Kosten der Belegschaftsvertretung“ übertragen.

[16] Allerdings ist sie dabei darauf zu verweisen, dass der Gesetzgeber mit dem PBVG für bestimmte ausgegliederte Unternehmen ein eigenes Betriebsverfassungsgesetz geschaffen hat, das den betrieblichen Besonderheiten dieser Unternehmen (vgl 182/A XX. GP – Initiativantrag 49 f) Rechnung tragen soll. Dabei erfolgte insbesondere auch im Hinblick auf die Übernahme beamteter Mitarbeiter eine Orientierung nicht nur am ArbVG, sondern auch am Bundes-Personalvertretungsrecht. Insoweit könnte eine Beurteilung, inwieweit diese speziellen Regelungen mögliche Investoren von einer Beteiligung an der Beklagten abhält, jedenfalls nicht durch Herausgreifen eines Teilaspekts einer konkreten Regelung, sondern nur im Rahmen einer Gesamtbetrachtung des PBVG in Gegenüberstellung zum ArbVG erfolgen. Selbst wenn man daher den Ansatz der Beklagten, dass die Rechtsprechung des EuGH zu staatlichen Sonderrechten in Bezug auf die organisatorische Gesellschaftsverfassung auf jede andere spezielle Regelung für ausgegliederte Gesellschaften zu übertragen wäre, teilte, stellt die Sondernorm für die Tragung der Kosten der Geschäftsführung für Personalvertretungsorgane für sich allein keine Grundlage dar, einen Verstoß gegen die Kapitalsverkehrsfreiheit anzunehmen.Aus demselben Grund muss auch auf die Ausführungen der Beklagten zur Einschränkung ihrer unternehmerischen Freiheit durch § 47 PBVG nicht weiter eingegangen werden.

[17] 7. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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