OGH 4Ob116/21v

OGH4Ob116/21v27.7.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätin Dr. Kodek sowie Hofrat MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** M*****, vertreten durch Dr. Manfred Schiffner, Rechtsanwalt in Seiersberg-Pirka, gegen die beklagten Parteien 1. A***** P*****, 2. Dr. J***** W*****, vertreten durch Dr. Herwig Hasslacher, Rechtsanwalt in Villach, wegen zuletzt 10.608,57 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 17. März 2021, GZ 2 R 178/20h‑59, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Villach vom 25. Juni 2020, GZ 43 C 663/15a‑54, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00116.21V.0727.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 946,39 EUR (hierin enthalten 157,73 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin absolvierte beim Verein „Ö*****“ (im Folgenden nur: Verein) eine Ausbildung zur Kleintierphysiotherapeutin. Der Erstbeklagte war der Obmann des Vereins, der Zweitbeklagte Schriftführer. Zweck des Vereins war ua die Abhaltung von Lehrgängen ua zur physikalisch-medizinischen und alternativen Heilbehandlung für Tiere. Die Einnahmen des Vereins bestanden neben Mitgliedsbeiträgen im Wesentlichen aus Kursbeiträgen und den Erlösen aus Verkäufen von Unterlagen. In der Entscheidung vom 22. 10. 2014 zu 1 Ob 142/14k ging der Oberste Gerichtshof davon aus, dass ein mit dem Verein abgeschlossener Vertrag über einen Lehrgang „Pferde‑Physiotherapie“ nichtig sei. Die vom Verein angebotene Ausbildung zum „Pferde-Physiotherapeuten“ verstößt nämlich gegen das Ausbildungsvorbehaltsgesetz, weil dabei Tätigkeiten gelehrt werden, die in ihrer Ausübung dem Tierarzt vorbehalten sind. Daran knüpfte der Senat aus lauterkeitsrechtlicher Sicht in der Entscheidung 4 Ob 11/15v an und billigte die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die vom Verein angebotenen Tätigkeiten in den gesetzlich normierten Tierärztevorbehalt eingreifen. Mit diesen Entscheidungen wurde dem Verein die Grundlage entzogen, sodass im Februar 2015 über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.

[2] Die Klägerin begehrt wegen des gänzlichen Ausfalls ihrer Forderung in der Insolvenz des Vereins von den Beklagten die (Rück‑)Zahlung des Ausbildungsbetrags und macht dabei deren „Durchgriffshaftung“ geltend. Für das drittinstanzliche Verfahren noch von Relevanz beruft sich die Klägerin auf die sogenannte Sphärenvermischung und nimmt insoweit Bezug zum Gesellschaftsrecht. Eine solche Vermischung liege vor, wenn das Gesellschaftsvermögen vom Vermögen der Gesellschafter nicht unterscheidbar sei. In Anknüpfung an die Rechtsprechung des BGH sei ein Haftungsdurchgriff zu bejahen, wenn die Abgrenzung zwischen Gesellschafts- und Privatvermögen durch eine undurchsichtige Buchführung oder auf andere Weise verschleiert worden sei, sodass die Kapitalerhaltungsvorschriften, deren Einhaltung ein unverzichtbarer Ausgleich für die Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen sei, nicht funktionierten. Diese haftungsrechtlichen Tatbestandsmerkmale seien auf den Verein anzuwenden. Im Anlassfall liege die Vermutung nahe, dass der geschaffene Wertzuwachs durch Vermögensbildung in den privaten Vermögensbereich der Beklagten geflossen sei, wodurch dieser Haftungstatbestand eingetreten sei. Die Buchhaltung des Vereins verschleiere geradezu die Geldflüsse und lasse nicht erkennen, wohin die Einnahmen geflossen seien. Die Beklagten hätten die gesamten Kurseinnahmen und sonstigen Erträge ausschließlich für ihre eigenen Interessen verwendet.

[3] Die Beklagten wandten ihre fehlende Passivlegitimation ein. Eine Sphärenvermischung liege nicht vor.

[4] Das Erstgericht wies die Klage ab. Hinsichtlich des Zweitbeklagten ging es davon aus, dass dieser als ehrenamtlicher Schriftführer in finanzielle Angelegenheiten bzw in das Rechnungswesen nicht eingebunden gewesen sei. Im Übrigen verneinte es eine auf eine Sphärenvermischung gestützte Haftung mangels missbräuchlicher Vermögensvermischung. Eine zweckwidrige Verwendung von Vereinsvermögen stehe nicht fest.

[5] Das Berufungsgericht bestätigte die Klagsabweisung. Aufgrund der Feststellungen könne keine Rede davon sein, dass der Zusammenbruch des Vereins durch den Abzug von Liquidität, eine zweckwidrige Verwendung des Vereinsvermögens oder eine missbräuchliche Vermögensvermischung herbeigeführt worden sei.

[6] Das Berufungsgericht ließ die Revision mangels Rechtsprechung zur behaupteten verschuldensunabhängigen Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung zu.

Rechtliche Beurteilung

[7] Die von der klagenden Partei erhobene und von den Beklagten beantwortete Revision ist – ungeachtet des berufungsgerichtlichen Zulassungsausspruchs – in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSv § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig und somit zurückzuweisen.

[8] Die Klägerin stützt die Zulässigkeit ihres Rechtsmittels ausschließlich auf die von ihr geltend gemachte verschuldensunabhängige Durchgriffshaftung wegen Vermögensvermischung. Eine solche Haftung komme in Anknüpfung an die deutsche Rechtsprechung dann in Betracht, wenn sich „Vereinsvermögen und Privatvermögen“ nicht auseinanderhalten ließen, sodass die Vermischung eine Unkontrollierbarkeit der Zahlungsvorgänge ergebe. Aus den Feststellungen sei abzuleiten, dass die Vermögenssphäre des Vereins mit der Privatsphäre der Mitglieder, insbesondere des Erstbeklagten, in einem Maße vermischt worden sei, dass die Sphären nicht mehr auseinandergehalten werden konnten.

[9] Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.

[10] 1. Insoweit die Klägerin eine Durchgriffshaftung auf eine Vermögensvermischung des Vereinsvermögens mit dem Privatvermögen der Beklagten stützt, liegt dem ihre auch in dritter Instanz erhobene Behauptung zugrunde, dass gerade dadurch die Vermögenssphäre des Vereins von der Privatsphäre der Mitglieder nicht mehr abgegrenzt werden könne und auch eine klare Zuordnung der Zahlungsvorgänge zwischen dem Verein und den Beklagten nicht möglich sei.

[11] 2. Das blendet aber die (teilweise dislozierten) Feststellungen aus, wonach alle Transaktionen auf dem Konto des Erstbeklagten, über das auch die Einnahmen und Ausgaben des Vereins abgewickelt wurden, der jeweiligen Person (also dem Verein oder dem erstbeklagten Ex-Obmann) zugeordnet werden konnten.

[12] 2.1 Die Feststellung, „ es kann nicht festgestellt werden, dass zahlreiche Ausgaben nicht im Zusammenhang mit der Vereinstätigkeit … stehen “, ist im konkreten Fall wegen ihrer doppelten Verneinung und vor allem wegen der entsprechenden Ausführungen in der Beweiswürdigung (vgl etwa idS auch 2 Ob 1/16k; Pkt 3.3) als positive Feststellung dahin zu verstehen, dass alle Ausgaben im Zusammenhang mit der Vereinstätigkeit standen.

[13] 2.2 Vom Erstgericht wurde eine zweckwidrige (private) Verwendung von Vereinsvermögen mehrfach ausgeschlossen („ keinen Hinweis dafür ergeben, dass direkte Zahlungen an den Erstbeklagten erfolgt sind, die nicht mit der Vereinstätigkeit im Zusammenhang stehen “; „ keine konkreten Hinweise hinsichtlich Barbehebungen vom Vereinskonto, die nicht mit Ausgaben im Zusammenhang mit dem Verein stehen “, „ ... Telefonrechnungen und Kosten von Fahrzeugen … ausschließlich Vereinszwecken gedient haben“; „ … nicht festgestellt werden, dass Vereinsvermögen zweckwidrig verwendet wurde “).

[14] 3. Damit erübrigt sich eine nähere Auseinandersetzung mit der behaupteten Sphärenvermischung.

[15] 3.1 Selbst wenn man eine Durchgriffshaftung von Vereinsorganen aufgrund einer solcher Vermischung mit Blick auf die gebotene Trennung des Vermögens eines Vereins von dem seiner Organe und Mitglieder (vgl 6 Ob 313/03b obiter im Gesellschaftsrecht) im Sinne der Argumentation im Rechtsmittel an sich bejahen wollte, käme eine solche Haftung hier schon deshalb nicht in Betracht, weil die in diesem Zusammenhang behauptete Unkontrollierbarkeit der Zahlungsvorgänge bzw die nicht mehr mögliche Trennung der Vermögenssphären und daher auch die behauptete „Sphärenvermischung“ nach den Feststellungen jedenfalls zu verneinen ist.

[16] 3.2 Bei dieser Sachlage käme somit der Lösung der von der Klägerin als erheblich angesehenen Rechtsfrage, ob nämlich im Vereinsrecht eine Sphärenvermischung einen Haftungsdurchgriff stützen kann, nur theoretische Bedeutung zu. Die Anrufung des Obersten Gerichtshofs ist aber nach § 502 Abs 1 ZPO nur zulässig, wenn die Entscheidung gerade von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, die angeschnittene Rechtsfrage also für die Entscheidung präjudiziell ist (RS0088931). Fehlende Relevanz für die Entscheidung des zu beurteilenden Falls schließt aber das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage aus.

[17] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision (wegen Irrelevanz der aufgeworfenen Rechtsfrage) hingewiesen.

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