OGH 12Os47/21k

OGH12Os47/21k24.6.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Juni 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pauritsch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Markus L***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1 und Abs 2, 161 Abs 1 StGB, über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 10. Dezember 2020, GZ 13 Hv 67/20b‑115, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wehofer, des Angeklagten und seiner Verteidiger, Mag. Krakow MBA und Mag. Kutscher zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0120OS00047.21K.0624.000

 

Spruch:

 

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion unter § 156 Abs 2 StGB ersatzlos und demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und insoweit in der Sache selbst erkannt:

Markus L***** wird für das ihm weiterhin zur Last liegende Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 iVm § 161 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird verworfen.

Mit ihren Berufungen wegen des Strafausspruchs werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Der Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche wird nicht Folge gegeben.

Die Vorhaftanrechnung wird dem Erstgericht überlassen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde Markus L***** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 iVm § 161 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er als Geschäftsführer der T***** GmbH (im Folgenden: T***** GmbH) von Anfang Juli 2016 bis Mitte November 2017 in W***** und andernorts in zahlreichen Angriffen Bestandteile des Vermögens der genannten GmbH „beiseite geschafft sowie deren Vermögen wirklich verringert“ und hiedurch die Befriedigung deren Gläubiger – oder wenigstens eines von ihnen – vereitelt oder geschmälert, indem er mehrfach Überweisungen vom Konto der GmbH auf sein Privatkonto und das Konto seiner Ehegattin ohne jegliche betriebswirtschaftlich nachvollziehbare Gegenleistung in Höhe von insgesamt 128.127,96 Euro durchführte, wobei durch die Tat ein 300.000 Euro übersteigender Schaden in Höhe von insgesamt zumindest 683.659,19 Euro herbeigeführt wurde.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – teilweise Berechtigung zukommt.

[4] Die Subsumtionsrüge (Z 10) zeigt zu Recht auf, dass die Urteilsfeststellungen die Annahme der Qualifikation nach § 156 Abs 2 StGB nicht tragen.

[5] Diese kommt nämlich nur zur Anwendung, wenn der durch die Höhe der Vermögensverringerung limitierte Gläubigerausfall 300.000 Euro übersteigt (RIS‑Justiz RS0120531; vgl aber Kirchbacher in WK2 StGB § 156 Rz 31). Nach den Konstatierungen im angefochtenen Urteil verringerte der Angeklagte als Geschäftsführer der T***** GmbH durch die wiederholte Begleichung von Rechnungen, denen keine Leistungen der Zahlungsempfänger zugrunde lagen, das Vermögen der GmbH im Umfang von 128.127,96 Euro. Diese Tathandlungen waren (mit‑)ursächlich für den Befriedigungsausfall mehrerer Gläubiger in – jedenfalls – der Höhe dieser Vermögensverringerung (US 6 ff).

[6] Hingegen wird ein bloß mittelbar als Folge der Tathandlungen bewirkter Schaden (vgl zum Betrug RIS‑Justiz RS0094410) – hier der konstatierte, über die inkriminierte Vermögensverringerung hinausgehende Befriedigungsausfall einer Gläubigermehrheit in Höhe von 555.531,23 Euro, resultierend aus der Einstellung der Förderungsleistung durch das Land ***** „wegen der ans Tageslicht“ gekommenen „Malversationen“, die letztlich zur Zahlungsunfähigkeit der T***** GmbH am 5. März 2018 führte (US 9) – vom Tatbestand des § 156 StGB nicht erfasst.

[7] Da schon aus diesem Grund der Ausspruch nach § 156 Abs 2 StGB auszuschalten war, erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere diesbezügliche Beschwerdevorbringen.

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen erweist sich als unberechtigt.

[9] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) verfiel der in der Hauptverhandlung gestellte Antrag des Angeklagten auf Ladung und Vernehmung eines informierten Vertreters der Bezirkshauptmannschaft K***** zum Beweis dafür, dass „für die Teilprojekte W***** und H***** nach Dienstantritt des Herrn L***** als Geschäftsführer der T***** die naturschutz-, forst- und rodungsrechtlichen Bewilligungen bei der BH beantragt wurden und dazu die Planungs- und Projektunterlagen von der P***** GmbH erstellt wurden“ (ON 114a S 42 f), zu Recht der Abweisung. Der Beweisantrag zielte nämlich auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung ab (RIS‑Justiz RS0118444 [T6]). Er legte nicht dar, warum ein informierter Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Auskunft darüber geben können sollte, wer tatsächlich die Projektunterlagen erstellt hat. Anzumerken bleibt, dass vom Antragsteller eine umso eingehendere Begründung dafür verlangt wird, warum das angestrebte Beweisergebnis erwartet werden kann, je mehr sein Verhalten eine bewusste Verfahrensverzögerung erkennen lässt und je fraglicher die Brauchbarkeit des geforderten Verfahrensschrittes im Lichte der übrigen Beweisergebnisse ist (RIS‑Justiz RS0118444 [T9]; vgl US 10 ff, 16 f).

[10] Das zur Antragsfundierung im Rechtsmittel nachgetragene Vorbringen ist aufgrund des – sich aus dem Wesen des angesprochenen Nichtigkeitsgrundes ergebenden – Neuerungsverbots unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099117).

[11] Entgegen dem Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) wurden die Feststellungen zur subjektiven Tatseite im angefochtenen Urteil nicht offenbar unzureichend begründet (vgl US 17 f). Dass die Tatrichter die Konstatierungen aus dem „äußeren Erscheinungsbild der Tathandlungen“ ableiteten, ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (vgl RIS‑Justiz RS0116882). Soweit der Nichtigkeitswerber in diesem Zusammenhang ausführt, es müsse „der konkrete Vorsatz des Angeklagten festgestellt werden“ (inhaltlich Z 9 lit a), übergeht er die Konstatierungen zur inneren Tendenz auf US 9 f.

[12] Das Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall), „die im Ersturteil unterlassene Feststellung, dass die Fördermittel bei Unterbleiben der Entnahmen gewährt worden wären“, werde „auch als Begründungsmangel hinsichtlich der Feststellung des Schadensbetrags geltend gemacht“, entspricht keiner Anfechtungskategorie des angesprochenen Nichtigkeitsgrundes (vgl im Übrigen US 9).

[13] Die Beschwerde behauptet betreffend die Begründung der Feststellung des Erstgerichts, wonach durch den Abfluss der liquiden Mittel von insgesamt 128.127,96 Euro in Verbindung mit der (wegen der Malversationen erfolgten) Einstellung der Förderung durch das Land ***** Zahlungsunfähigkeit der T***** GmbH eintrat und daraus ein Befriedigungsausfall der Gläubiger resultierte (US 9), Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall). Der Rechtsmittelwerber bringt vor, das Schöffengericht hätte sich zu Unrecht auf das Sachverständigengutachten gestützt, indem es außer Acht ließ, dass demnach für die Zahlungsunfähigkeit der T***** GmbH und den daraus resultierenden Befriedigungsausfall der Gläubiger „auch der Rumor, den es dann gegeben habe“ (ON 114a S 30) verantwortlich gewesen sei. Dem ist zu erwidern, dass Aktenwidrigkeit nur vorliegt, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt eines Beweismittels in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt, nicht aber, wenn Feststellungen des erkennenden Gerichts (als Ergebnis des Prozesses der Würdigung sämtlicher Verfahrensprodukte) im (behaupteten) Widerspruch zu einzelnen, isoliert herausgegriffenen Beweisinhalten stehen (RIS‑Justiz RS0099431 [T1, T5]).

[14] Ein der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO entsprechendes Vorbringen erstattet der Rechtsmittelwerber nicht; der Nichtigkeitsgrund wird lediglich nominell angeführt.

[15] Die Feststellungen dazu vermissende Rechtsrüge (Z 9 lit a), dass der Angeklagte als Geschäftsführer der T***** GmbH durch sukzessives Beiseiteschaffen von Vermögensbestandteilen deren Vermögen verringern wollte, vernachlässigt, dass das Schöffengericht wissentliches Handeln des Angeklagten (§ 5 Abs 3 StGB) in Bezug auf die Vermögensverringerung konstatiert hat (US 9). Wenn aber das Wissen des Täters um die relevanten Umstände konstatiert ist, bedarf es keiner weiteren Feststellung zur Willensseite, weil das angenommene Wissen die Willenskomponente des Vorsatzes inkludiert (RIS‑Justiz RS0088835 [T4]; Reindl‑Krauskopf in WK 2 StGB § 5 Rz 31).

[16] Das weitere Vorbringen der Rechtsrüge (Z 9 lit a), für die Schädigung der Gläubiger wäre bloß der Förderungsausfall, somit das „Unterbleiben eines Vermögenszuflusses kausal“ gewesen, nimmt prozessordnungswidrig nicht Maß an den Konstatierungen im angefochtenen Urteil (RIS‑Justiz RS0099810).

[17] Bei der – aufgrund der aus dem Spruch ersichtlichen Aufhebung – erforderlichen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof das Vorliegen der Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 StGB in der Fassung vor BGBl I 2019/105 sowie die Tatwiederholung während eines langen Tatzeitraums erschwerend, mildernd hingegen die beträchtliche Schadensgutmachung. Davon ausgehend erachtete der Oberste Gerichtshof die Verhängung einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten als tat‑ und schuldangemessen. Mit Blick auf die lange Verfahrensdauer (§ 34 Abs 2 StGB) war jedoch die aus dem Spruch ersichtliche Freiheitsstrafe zu verhängen.

[18] Eine (auch nur teilbedingte) Strafnachsicht kam mit Blick auf die Vorstrafenbelastung des Angeklagten nicht in Betracht.

[19] Mit ihren Berufungen gegen den Ausspruch über die Strafe waren die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

[20] Gemäß § 369 Abs 1 StPO verpflichtete das Erstgericht den Angeklagten zur Zahlung von 44.257,96 Euro an die T***** GmbH. In seiner Berufung führt der Angeklagte aus, das Urteil enthalte keine Feststellungen zum Schaden der Privatbeteiligten, sondern lediglich zum Befriedigungsausfall der Gläubiger der T***** GmbH.

[21] Angesichts der Feststellungen im angefochtenen Urteil betreffend die inkriminierten Überweisungen von insgesamt 128.127,96 Euro wird unter Berücksichtigung der vom Angeklagten geleisteten Schadensgutmachung von 83.897 Euro (US 10) nicht klar, weshalb der Privatbeteiligtenzuspruch verfehlt sein sollte.

[22] Der Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche war daher nicht Folge zu geben.

[23] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StGB.

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