OGH 6Ob78/21w

OGH6Ob78/21w23.6.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny, die Hofrätin Dr. Faber sowie den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Kinder 1. V***** T*****, geboren am ***** und 2. M***** T*****, geboren am *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter Mgr. A***** K*****, vertreten durch Dr. Lubica Stelzer Páleniková, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 23. Februar 2021, GZ 20 R 61/21t‑43, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0060OB00078.21W.0623.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Nach ständiger, die Auffassung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) berücksichtigender Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RS0126369) ist unter einem gewöhnlichen Aufenthalt eines Kindes iSd Art 8 Abs 1 Brüssel IIa‑VO der Ort zu verstehen, der Ausdruck einer gewissen sozialen und familiären Integration des Kindes ist. Hiefür sind insbesondere die Dauer, die Regelmäßigkeit und die Umstände des Aufenthalts sowie die Gründe für diesen Aufenthalt und den Umzug der Familie in diesen Staat, die Staatsangehörigkeit des Kindes, Ort und Umstände der Einschulung, die Sprachkenntnisse sowie die familiären und sozialen Bindungen des Kindes in dem betreffenden Staat zu berücksichtigen. Dabei ist es Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes festzustellen; ob ein solcher vorliegt, stellt dabei regelmäßig keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung hier iSd § 62 Abs 1 AußStrG dar (vgl 6 Ob 130/20s; 6 Ob 152/17x).

[2] 2. Nach den Feststellungen gingen die beiden nun knapp neunjährigen Kinder zwar seit 2017 in der Slowakei (Bratislava) in eine Vor- bzw Volksschule für hochbegabte Kinder und besuchten dort auch die Nachmittagsbetreuung. Sie wurden jedoch regelmäßig am späten Nachmittag von einem Elternteil abgeholt und fuhren täglich in das mit den Eltern bewohnte grenznahe Einfamilienhaus nach Österreich zurück, wo sie die Schulvorbereitungen erledigten, spielten, aßen und übernachteten. Auch die familiären Freizeitaktivitäten an den Wochenenden fanden zum Teil in Österreich statt. Seit der Trennung der Eltern im Juli 2020 halten sich die Kinder bei der Mutter in Bratislava auf.

[3] Wenn das Rekursgericht aufgrund dieser Umstände davon ausging, die Kinder hätten im maßgeblichen Zeitpunkt der Einleitung des Obsorgeverfahrens ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich gehabt, so ist dies durchaus vertretbar.

[4] 3. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG wird somit nicht aufgezeigt, sodass der außerordentliche Revisionsrekurs des Mutter zurückzuweisen ist.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte