European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0060OB00107.21K.0623.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.292,50 EUR (darin enthalten 215,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Begründung:
[1] Der Kläger ist Landwirt. 2007 vereinbarten die Streitteile die Lieferung von zwei Sojasilos. Diese wurden von der Beklagten angeliefert und im April 2007 erstmals befüllt. Die Befüllung erfolgte dann alle zwei Monate. Befüllt wurde ausschließlich mit Sojaschrot. Der Druck der Befüllung wird vom Sojalieferanten eingestellt.
[2] In den Jahren 2010, 2011, 2014 und 2015 kam es zu Schäden an je einem Silo (teilweise Bruch des Silos). Diese Schadensfälle wurden aus Kulanzgründen durch Austausch oder Reparatur durch die Nebenintervenientin auf Beklagtenseite abgewickelt. 2018 brach wieder ein Silo.
[3] Allgemein und auch dem Kläger ist und war schon bei Bestellung der Silos im Jahr 2007 die Brückenbildungsproblematik bei Silos und der Umstand, dass Sojaschrot Brücken bildet, bekannt. Allerdings rechnete er nicht damit, dass es zum Silobruch komme. Hätte er gewusst, dass der Silo tatsächlich bricht, wie er letztlich gebrochen ist, hätte er von Haus aus anders geplant und Betonsilos errichtet.
[4] Aus der Produktanleitung für die gegenständlichen Silos aus dem Jahr 2014 ergibt sich, dass das Schüttgut nicht mit mehr als 0,6 bar einzublasen ist. Ein Befüllen des Silos unter 0,6 bar ist technisch nicht möglich. Bei einem Druck von 0,6 bar und idealen Bedingungen – keine Reibung, keine Verluste, keine Materialbewegung – kann eine Materialsäule von zehn Meter hochgedrückt werden. Demnach war es richtig, dass beim Befüllen mit mehr als 0,6 bar eingeblasen wurde. Üblich ist, dass mit 1,5 bis 2 bar eingeblasen wird. Allerdings ist in der Produktanleitung auch ein Höchstdruck von 1,5 bar angeführt. Die Forderung in der Produktanleitung, dass das Schüttgut nur 0,6 t/m³ haben darf, ist unrealistisch bzw sehr grenzwertig, weil fast alle Normschüttgüter schwerer sind.
[5] Für den Regelbetrieb als Durchfluss-Silo sind die gelieferten Silos ausreichend stark gebaut. Unter dem Gesichtspunkt der Schadensereignisse, der Forderung, nur mit 0,6 bar zu befüllen und ein Material mit weniger als 0,6 t/m³ zu verwenden, sind sie aber sehr eingeschränkt für diese Anwendung geeignet.
[6] Ein Landwirt, der mit Silos, die mit Soja befüllt werden, arbeitet, muss damit rechnen, dass Schadensbilder wie im vorliegenden Fall von Zeit zu Zeit auftreten können. Ein Silo mit einer dickeren Silowand kostet etwa das Doppelte, die Versagenswahrscheinlichkeit verringert sich jedoch um eine Zehnerpotenz. Ausgehend davon, dass die Versagenswahrscheinlichkeit derartiger Silos nicht hoch ist, kann man auf Basis der Normallasten einen Silo mit einer dünnen Wandstärke bauen. Der gelieferte Silo entsprach der Norm und war deshalb aus technischer Sicht ordnungsgemäß konstruiert und gebaut. Der Schadensfall aus 2018 war aus technischer Sicht „schicksalshaft“ und abhängig davon, dass die Norm keine größeren Anforderungen stellt.
[7] Der beschädigte Silo kann um 16.138,92 Euro ausgetauscht werden.
[8] Der Kläger begehrt – soweit im Revisionsverfahren noch gegenständlich – den als Wiederbeschaffungskosten für den 2018 unbrauchbar gewordenen Silo betitelten Betrag von 16.138,92 EUR. Der Anspruch werde auf Schadenersatz, Gewährleistung und Irrtum gestützt. Der von der Beklagten gelieferte Silo weise einen Konstruktionsmangel auf, wobei diese für das Verhalten der Herstellerin als Erfüllungsgehilfin hafte. Es bestehe auch ein Gewährleistungsanspruch, weil die Silos weder statisch noch nach ihrer Bauart den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Futterlagerung entsprächen und der ordnungsgemäß bedungene Gebrauch der Silos nicht möglich sei.
[9] Die Beklagte wendet ein, der Schaden am Silo sei durch die unsachgemäße Bedienung des Klägers erfolgt. Die Verbesserung bzw der Tausch der Silos sei nur aus Kulanzgründen erfolgt. Aufgrund der jahrzehntelangen Zusammenarbeit zwischen der Beklagten und der Lieferantin habe sich diese aus Entgegenkommen bereit erklärt, die Schäden zu verbessern. Tatsächlich sei aber kein Mangel vorgelegen.
[10] Die auf Seiten der Beklagten beigetretene Nebenintervenientin (Herstellerin) wendet ergänzend zum Beklagtenvorbringen ein, durch das falsche und nicht zugelassene Material und den überfüllten Ladedruck sei es zu den Schäden am Silo gekommen. Im Übrigen habe sie nie eine Mängelrüge erhalten.
[11] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
[12] Das Berufungsgericht sprach mit Teilzwischenurteil aus, die Klageforderung bestehe im Betrag von 16.138,92 EUR sA dem Grunde nach zu Recht. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, die Beklagte habe keinen Verjährungseinwand erhoben. Vereinbart sei die Lieferung von Sojasilos gewesen; dass die erwähnten Einschränkungen hinsichtlich spezifischen Gewichts und Fülldrucks als besondere Eigenschaften iSd § 922 ABGB mitvereinbart worden wären, habe die Beklagte nicht behauptet. Der Beklagten und ihrer Bedienungsanleitung komme keine Normsetzungskompetenz zu. Für die Beurteilung der von der Beklagten geschuldeten Leistung seien daher ausschließlich die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften eines Sojasilos maßgeblich. Wenn die einseitigen – offenkundig zum schadensfreien Betrieb notwendigen – Vorgaben der Beklagten dazu führten, dass der Silo nur mehr „sehr eingeschränkt" für die Anwendung als Sojaschrotsilo geeignet sei, fehlten ihm die gewöhnlich bei einem Sojasilo vorausgesetzten Eigenschaften: Es sei davon auszugehen, dass ein als Sojaschrotsilo gekaufter Silo uneingeschränkt in diesem Bereich angewendet werden könne. Es liege daher ein Mangel vor, weshalb der Kläger die Gewährleistungsrechte nach § 932 Abs 1 ABGB habe. Darauf, ob die Beklagte durch den Austausch den Mangel konkludent anerkannt habe oder bloß eine Kulanzleistung erfolgt sei, komme es nicht an. Die vollständige Vertragserfüllung sei unmöglich, handle es sich doch bei den geschuldeten Silos um industriell gefertigte Gegenstände aus einer Serienproduktion. Ein Austausch änderte daher nichts an der Vertragswidrigkeit, weshalb der Kläger die sekundären Gewährleistungsbehelfe in Anspruch nehmen könne, sein Leistungsanspruch bestehe dem Grunde nach zu Recht. Ob sich dieser nun auf Preisminderung oder Wandlung stütze, wie er sich berechne und welche Umstände dabei einfließen sollten, werde mit den Parteien vom Erstgericht zu erörtern sein.
[13] Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil zur Frage, ob auch ein bloß kulanzmäßig – also ohne Anerkennung einer Rechtspflicht – erfolglos gebliebener Austausch einer Sache bereits zur Inanspruchnahme eines sekundären Gewährleistungsbehelfs berechtige, höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht existiere.
Rechtliche Beurteilung
[14] Die Revision ist nicht zulässig.
[15] 1. Das Berufungsgericht zeigt mit seiner Zulassungsbegründung schon deswegen keine erhebliche Rechtsfrage auf, weil es nach seiner eigenen nicht korrekturbedürftigen Ansicht darauf, ob bloß eine Kulanzleistung vorgelegen ist oder nicht, gerade nicht ankommt. Nicht korrekturbedürftig ist weiters seine sinngemäße Ausführung, dass Verbesserung oder Austausch als primäre Gewährleistungsansprüche wegen Mangelhaftigkeit der gesamten Silogattung nicht möglich sind und dem Kläger daher Wandlung oder Preisminderung als sekundäre Gewährleistungsrechte zustehen.
[16] 2. Auch die Revision der Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf:
[17] 2.1. Rüge von Verfahrensmängeln
[18] 2.1.1. Ob die zum Bruch führenden Risse durch schwere Hammerschläge oder durch Ein- und Ausbeulen aus asymmetrischer Brückenbildung entstanden sind, ist irrelevant, weil sich die Mangelhaftigkeit des Silos schon aus der für den vorgesehenen Zweck (Befüllung mit Sojaschrot) „sehr eingeschränkten“ Verwendbarkeit ergibt. Die betreffende Negativfeststellung über die Ursache der zum Bruch führenden Risse ist daher für das Ergebnis ohne Bedeutung, weshalb insoweit eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht vorliegt.
[19] 2.1.2. Auch im Zusammenhang mit der Frage der Verjährung liegt ein Mangel des Berufungsverfahrens nicht vor.
[20] Der Erstrichter erörterte in der letzten Verhandlung, dass Gewährleistungsansprüche einer Verfristung unterlägen. Die Beklagte brachte dazu lediglich vor, hinsichtlich der Ausführungen des Klägers zur Gewährleistung werde an die Meinung des Gerichts angeschlossen. Zweifelsfrei feststellen sollte [sic], dass die Gewährleistungsfrist mit vollständiger Lieferung der Sache zu laufen beginne; auf den Zeitpunkt der Erkennbarkeit eines Mangels komme es dabei nicht an.
[21] Nach der Rechtsprechung muss die Verjährungseinrede nach § 1501 ABGB ausdrücklich erhoben werden (1 Ob 609/87; RS0034198 [T4]; RS0034326 [T7]), wobei der bloße Vortrag von die Verjährung begründenden Tatsachen eine deutliche Einrede nicht ersetzt (RS0034198 [T3]).
[22] Wenn das Berufungsgericht in einzelfallbezogener (RS0042828) Auslegung des zitierten Prozessvorbringens der Beklagten eine Verjährungseinrede verneint hat, ist dies im Licht dieser Rechtsprechung keineswegs korrekturbedürftig.
[23] 2.1.3. Die Revision releviert, das Berufungsgericht habe den Einwand der Nebenintervenientin auf Beklagtenseite, sie habe (vom Kläger) nie eine Mängelrüge erhalten, nicht berücksichtigt. Dieses Vorbringen bedeute den Verjährungseinwand.
[24] Dazu ist Folgendes auszuführen:
[25] Die Beklagte als GmbH ist Unternehmerin kraft Rechtsform (§ 2 UGB), der Kläger als Landwirt ist Unternehmer iSd § 1 UGB, sodass die Vorschriften über die Mängelrüge nach § 377 UGB auf den Kauf des gegenständlichen Silos anzuwenden sind (2 Ob 78/15g [ErwGr 5.1]). Ob es sich dabei um einen Kauf oder – wie der Kläger in der Revisionsbeantwortung meint – einen Werklieferungsvertrag handelt, ist nicht entscheidend; § 377 UGB ist gemäß § 381 Abs 2 UGB auch auf diesen Vertragstyp anzuwenden.
[26] Die Rechtzeitigkeit der Mängelrüge nach § 377 UGB ist aber (ebenfalls) nicht von Amts wegen, sondern nur auf Einwendung der Verspätung (oder auch der Unterlassung der Mängelrüge) zu prüfen (2 Ob 78/15g [ErwGr 5.2]; RS0043161; RS0062662; Kramer/Martini in Straube/Ratka/Rauter,UGB I4 §§ 377, 378 Rz 29; Kerschner in Artmann, UGB3 §§ 377, 378 Rz 142).
[27] Nun hat die Nebenintervenientin auf Beklagtenseite zwar vorgebracht, sie habe eine Mängelrüge nie erhalten. Darauf kommt es aber nicht an, weil der Kläger zu dieser Nebenintervenientin in keinem Vertragsverhältnis steht und die Mängelrüge nach § 377 UGB vom Käufer gegenüber dem Verkäufer zu erheben ist. Eine Einrede der Unterlassung oder Verspätung der Mängelrüge des Klägers gegenüber der Beklagten als Verkäuferin (bzw Werklieferantin) haben aber weder die Beklagte noch die Nebenintervenientin erhoben.
[28] Mangels Einwendung der Verspätung der Mängelrüge kann das auf Gewährleistung gestützte Klagebegehren daher nicht mit § 377 UGB abgewehrt werden.
[29] Soweit die Beklagte das Vorbringen des Klägers zur Gewährleistung schon in erster Instanz als verspätet gerügt und dessen Zurückweisung beantragt hat, läge in der Berücksichtigung dieses Klagevorbringens durch das Erstgericht allenfalls ein Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens vor, der in dritter Instanz nicht mehr geprüft werden kann (RS0042963).
[30] 2.2. Rechtsrüge
[31] In der Rechtsrüge argumentiert die Revision im Wesentlichen, die Bedienungsanleitung sei Vertragsinhalt geworden, weshalb eine vertragsgemäße Leistung und somit kein Mangel vorliege.
[32] Es mag sein, dass die Bedienungsanleitung Vertragsinhalt geworden ist. Dies ändert aber nichts daran, dass die Lieferung von „Sojasilos“ vereinbart war. Wenn das Berufungsgericht angesichts der nur „sehr eingeschränkten“ Verwendbarkeit der Silos für Sojaschrot die in § 922 ABGB umschriebene Vertragsgemäßheit der Silos verneint hat, liegt darin keine korrekturbedürftige Beurteilung.
[33] 3. Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage ist die Revision zurückzuweisen.
[34] 4. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO (RS0123222 [T10]). Der Kläger hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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