European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0130OS00031.21I.0519.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde gemäß § 21 Abs 1 StGB die Unterbringung des Gerald W***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.
[2] Danach hat er am 9. August 2020 in V***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer schizoaffektiven Störung, beruht,
(I) einen Beamten mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich an der Sachverhaltsaufklärung, gehindert, indem er mit einem Weinglas in der Hand auf den Polizeibeamten Markus F***** losstürmte, um ihm damit einen Schlag zu versetzen, und, nachdem beide zu Boden gestürzt waren, in Richtung des Genannten (US 5) trat, sowie
(II) durch die zu I beschriebene Tathandlung eine Körperverletzung (§ 83 Abs 1 StGB) an Markus F*****, somit an einem Beamten während oder wegen der Vollziehung seiner Aufgaben oder der Erfüllung seiner Pflichten, begangen, indem er diesem eine Rissquetschwunde im Bereich der Oberlippe, eine Prellung des linken Knies und Schmerzen im Bereich des Schultergürtels zufügte,
und dadurch jeweils ein Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 StGB (I) und der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB (II) begangen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 (richtig) lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen.
[4] Mit dem Einwand der Mängelrüge (Z 5), die Feststellung, wonach der Betroffene mit einem Weinglas in der Hand auf den Polizeibeamten losgestürmt ist und ihm damit einen Schlag zu versetzen versucht hat (US 4 f), decke sich nicht mit der Aussage des Zeugen Markus F***** und sei deswegen „aktenwidrig“ (Z 5 fünfter Fall), wird der angesprochene Nichtigkeitsgrund nicht geltend gemacht. Denn Aktenwidrigkeit liegt nur dann vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 467), nicht aber, wenn die Konstatierungen des Erstgerichts (als Ergebnis des Prozesses der Würdigung sämtlicher Verfahrensergebnisse [US 7 f]) im (behaupteten) Widerspruch zu einzelnen, isoliert herausgegriffenen Beweisinhalten stehen (RIS‑Justiz RS0099431 [T5 und T15]). Unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) sei hinzugefügt, dass die relevierte Zeugenaussage bei insoweit gebotener Gesamtbetrachtung (RIS‑Justiz RS0116504) den in Rede stehenden Feststellungen keineswegs erörterungsbedürftig entgegensteht.
[5] Soweit die Rüge die Aussage des Zeugen F***** anders als das Erstgericht interpretiert und daraus eigene Schlussfolgerungen ableitet, bekämpft sie bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer – im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) – Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.
[6] Die Kritik (nominell Z 5, der Sache nach Z 9 lit a), das Erstgericht hätte „zu der Auffassung gelangen müssen, dass die Amtshandlung an sich nicht berechtigt war, weshalb der Angeklagte auch vom Urteilsfaktum II freizusprechen gewesen wäre“, argumentiert weder auf Basis des Urteilssachverhalts (US 3 ff, siehe aber RIS‑Justiz RS0099810) noch leitet sie die angestrebte rechtliche Konsequenz methodengerecht aus dem Gesetz ab (siehe aber RIS‑Justiz RS0116565).
[7] Der von der Rechtsrüge (Z 9 lit a) hinsichtlich der Konstatierungen zur subjektiven Tatseite zu I und II erhobene Vorwurf des bloßen „Gebrauch[s] der verba legalia“ legt nicht dar, warum es den insoweit getroffenen Feststellungen (US 5 f) am gebotenen Sachverhaltsbezug fehlen sollte (RIS‑Justiz RS0119090 [T3]).
[8] Indem die Sanktionsrüge (Z 11) die Prognosetaten als „unrichtig“ bezeichnet und eigene Überlegungen zum Aggressionspotenzial des Betroffenen anstellt, dabei aber weder Willkür noch das Übergehen einer Erkenntnisquelle releviert, kritisiert sie ausschließlich den Ermessensbereich der Gefährlichkeitsprognose und erstattet solcherart ein Berufungsvorbringen (RIS‑Justiz RS0118581 [insb T8 und T14] und RS0113980 [T1 und T9]).
[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[10] Über die gemäß § 290 Abs 1 letzter Satz StPO als erhoben zu betrachtende Berufung hat das Oberlandesgericht zu entscheiden (§ 285i StPO, RIS‑Justiz RS0116499).
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