OGH 5Ob48/21a

OGH5Ob48/21a19.4.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. D*****, 2. M*****, ebenda, beide vertreten durch Univ.‑Prof. Dr. Manfred Umlauft, öffentlicher Notar in Dornbirn, wegen Grundbuchshandlungen ob der EZ ***** KG *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 28. Jänner 2021, AZ 2 R 10/21t, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00048.21A.0419.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Erstantragsteller und die Zweitantragstellerin sind allein vertretungsbefugte Geschäftsführer einer GmbH, die Alleineigentümerin einer Liegenschaft ist. Die GmbH verkaufte je einen 1/10 Anteil an dieser Liegenschaft an den Erstantragsteller und die Zweitantragstellerin. Die (einheitliche) Kaufvertragsurkunde wurde vom Erstantragsteller und der Zweitantragstellerin sowohl als Geschäftsführer der Verkäuferin als auch als Käufer beglaubigt unterfertigt.

[2] Das Erstgericht wies den Antrag auf Einverleibung des jeweils 1/10 Eigentums der Antragsteller wegen unzulässigen Selbstkontrahierens ab.

[3] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.

[4] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Rechtliche Beurteilung

[5] 1.1. Das Grundbuchsgericht darf nach § 94 Abs 1 Z 2 erster Fall GBG eine grundbücherliche Eintragung nur dann bewilligen, wenn keine begründeten Bedenken gegen die persönliche Fähigkeit der an der Eintragung Beteiligten bestehen. Dazu zählen auch Bedenken gegen das Bestehen und den Umfang der Vertretungsmacht dessen, der eine Vertragsurkunde im Vollmachtsnamen eines Vertragspartners unterfertigt hat (RIS‑Justiz RS0060604). Dies gilt auch für die Vertretungsmacht organschaftlicher Vertreter, die für eine juristische Person eingeschritten sind (5 Ob 269/08g mwN).

[6] 1.2. Sowohl die Doppel‑ oder Mehrfachvertretung, wenn also ein Vertreter für zwei (oder mehrere) Vertretene, für die er vertretungsberechtigt ist, ein Geschäfts abschließt, als auch das Selbstkontrahieren im engeren Sinn werden unter dem Oberbegriff des Insichgeschäfts zusammengefasst (RS0019621). Liegt dem äußeren Anschein nach bei einer GmbH ein unzulässiges Insichgeschäft eines Geschäftsführers vor, darf das Grundbuchsgericht eine die Gesellschaft belastende Eintragung im Sinn des § 25 Abs 4 GmbHG nur dann bewilligen, wenn der urkundliche Nachweis der Zustimmung aller übrigen Geschäftsführer, bei nur einem Geschäftsführer des Aufsichtsrats oder bei Fehlen eines solchen aller Gesellschafter vorliegt (vgl RS0060604 [T4]; 5 Ob 146/17g; Weigand in Kodek , Grundbuchsrecht 2 § 31 GBG Rz 80f mwN).

[7] 1.3. Das Grundbuchsgericht hat grundsätzlich zu prüfen, ob das Begehren durch den Inhalt der beigebrachten Urkunden begründet erscheint (§ 94 Abs 1 Z 3 GBG). Das Grundbuchsgesuch kann daher nur dann bewilligt werden, wenn der Urkundeninhalt nicht nur in formeller Beziehung unbedenklich erscheint, sondern auch in materiell‑rechtlicher Hinsicht frei von Zweifel ist (RS0060878). Dem Grundbuchsgericht ist verwehrt, eine undeutliche und zu begründetem Zweifel Anlass gebende Urkunde auszulegen (RS0060573). Eine Berücksichtigung von Umständen, die erst außerhalb des Urkundenbeweises liegende Tatsachen durch eine bestimmte Auslegung ergeben, kommt wie auch die Bedachtnahme auf einen nicht urkundlich erwiesenen, sondern allenfalls zu erschließenden Willen der Vertragsparteien nicht in Betracht (vgl 5 Ob 13/09m zum Umfang einer Handlungsvollmacht).

[8] 1.4. Da der unbestimmte Begriff „Bedenken“ dem Grundbuchsgericht einen gewissen Beurteilungsspielraum eröffnet, liegt immer dann, wenn sich die Beurteilung der Vorinstanzen in diesem Rahmen bewegt, keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG vor ( Kodek , Grundbuchsrecht 2 § 94 Rz 40; 5 Ob 13/09m). Hier von begründeten Bedenken an der Verfügungsbefugnis der Antragsteller auszugehen ist nicht korrekturbedürftig.

[9] 2.1. Die Beurteilung der Vorinstanzen, es handle sich um einen einheitlichen Kaufvertrag betreffend 2/10 Anteile der Liegenschaft der Verkäuferin, deckt sich mit dem Urkundeninhalt – beide Antragsteller haben die einheitliche Kaufvertragsurkunde einmal in ihrer Funktion als Geschäftsführer der Verkäuferin und jeweils einmal als Käufer beglaubigt unterfertigt. Das im Revisionsrekurs bemühte Argument, im Kaufvertrag habe die Verkäuferin einerseits vertreten durch den Erstantragsteller ein Zehntel der Liegenschaft an die Zweitantragstellerin verkauft, andererseits vertreten durch die Zweitantragstellerin ein weiteres Zehntel an den Erstantragsteller, findet im Wortlaut der Kaufvertragsurkunde keine Stütze und bedürfte daher einer – im Grundbuchsverfahren nicht anzustellenden – Vertragsauslegung. Hier zumindest vom äußeren Anschein eines Insichgeschäfts auszugehen begegnet somit keinen Bedenken im Einzelfall. Auf eine – im Übrigen auch vom Rekursgericht nicht angenommene – Vergesellschaftung der Käufer für die Zahlung des Kaufpreises kommt es dabei nicht an.

[10] 2.2. Die Auffassung des Rekursgerichts, die Zustimmung nach § 25 Abs 4 GmbHG könne nicht vom weiteren Geschäftsführer erteilt werden, für den ebenfalls die Gefahr einer Interessenkollission bei dem zu genehmigenden Rechtsgeschäft besteht, kann sich auf höchstgerichtliche Rechtsprechung stützen (vgl RS0019350). Die Auffassung, die Genehmigung des Verkaufs durch die Liegenschaftseigentümerin vertreten durch – auch – den Käufer könne nicht vom weiteren einzelvertretungsbefugten Geschäftsführer genehmigt werden, wenn dieser im gleichen Kaufvertrag ebenfalls als Käufer aufscheint, weil dies zumindest begründete Bedenken an der Verfügungsfähigkeit aufwirft, ist keine im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung. Wenn die Vorinstanzen demgemäß die Zustimmung der weiteren Gesellschafterin entsprechend der bereits vom Erstgericht zutreffend dargestellten Beteiligungskette verlangten, ist dies nicht zu beanstanden.

[11] 3. Der außerordentliche Revisionsrekurs war damit zurückzuweisen ohne dass dieser Beschluss einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Stichworte