OGH 6Ob49/21f

OGH6Ob49/21f15.4.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden, den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Kodek, die Hofrätin Dr. Faber und die Hofräte Mag. Pertmayr sowie MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. G*****, vertreten durch Dr. Bernhard Rosenkranz, Rechtsanwalt in Salzburg als Verfahrenshelfer, gegen die beklagte Partei C*****, vertreten durch Dr. Reinhold Gsöllpointner, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 18.866,60 EUR über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 21. Jänner 2021, GZ 6 R 118/20w‑29, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 15. Juli 2020, GZ 57 Cg 54/20z‑25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0060OB00049.21F.0415.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten binnen 14 Tagen die mit 1.253,88 EUR (darin 208,98  EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger war zu einem Viertel Miteigentümer, die Beklagte zu drei Viertel Miteigentümerin der Liegenschaft EZ 213 GB *****.

[2] Der Kläger begehrt für den Zeitraum Oktober 2011 bis November 2016 18.866,60 EUR an Benützungsentgelt. Die Beklagte benütze die Liegenschaft zur Gänze, seit mit Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 7. 9. 2011 eine einstweilige Verfügung erlassen und über den Kläger ein Betretungsverbot im Hinblick auf die genannte Liegenschaft verhängt worden sei. Die Beklagte bewohne die Liegenschaft gemeinsam mit den beiden Kindern, die der Lebensgemeinschaft der Streitteile entstammten. Die Erlassung der einstweiligen Verfügung nach § 382b EO sei für den Kläger ein Schock gewesen. Er versuche seither, den dadurch herbeigeführten Zustand mittels gerichtlicher Eingaben zu ändern. Es stehe ihm als Miteigentümer ein Benützungsentgelt auch für die Vergangenheit zu, weil durch gerichtliche Verfahren dokumentiert sei, dass die Gebrauchsüberlassung nicht freiwillig erfolgt sei.

[3] Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und wandte Verjährung ein. Zudem werde der Miteigentumsanteil des Klägers auch von den beiden Kindern und somit nicht von der Beklagten allein benützt.

[4] Das Erstgericht wies die Klage ab.

[5] Dabei ging es im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus: Die Beklagte bewohnte die gegenständliche Liegenschaft fast immer allein. Der Kläger erwähnte gegenüber der Beklagten niemals, dass er nicht damit einverstanden sei, dass sie seinen Liegenschaftsanteil mitbenützt. Mit einstweiliger Verfügung vom 7. 9. 2011 wurde dem Kläger verboten, in die Wohnung samt Liegenschaft zurückzukehren und sich in der Nähe des Arbeitsplatzes der Beklagten aufzuhalten.

[6] Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahingehend, der bloße Widerspruch eines Miteigentümers gegen den Umfang der bisherigen Benützung durch den anderen allein schaffe weder einen Anspruch auf Benützungsentgelt noch einen Verwendungsanspruch. Die Festsetzung eines Benützungsentgelts könne immer nur für die Zukunft erfolgen.

[7] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Nach Verwerfung einer Beweisrüge erwog es in rechtlicher Sicht, die übermäßige Nutzung sei mangels Einigkeit im Sinne des § 828 Abs 1 ABGB ab Widerspruch eines anderen Teilhabers nicht mehr rechtmäßig. Ein Widerspruch stelle eine Willenserklärung dar, die einerseits den ernsthaften Mitbenützungswillen und andererseits das fehlende Einverständnis des Klägers mit der übermäßigen, weil alleinigen Nutzung durch die Beklagte zum Ausdruck bringe. Eine gegenüber dem Kläger erlassene einstweilige Verfügung könne nicht als Widerspruch qualifiziert werden, sei der Kläger doch bloß deren Adressat und nicht Erklärender.

[8] Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob eine unfreiwillige Gebrauchsüberlassung (Betretungsverbot) als Widerspruch im Sinne des § 839 ABGB zu qualifizieren sei, keine höchstgerichtliche Judikatur vorliege. Zudem sei die Frage, ob ein Anspruch des Miteigentümers auf Benützungsentgelt auch für die Vergangenheit zusteht, vom Höchstgericht nicht einheitlich entschieden worden.

[9] Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Rechtliche Beurteilung

[10] Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

[11] 1.1. Die Festsetzung eines Benützungsentgelts dafür, dass ein Miteigentümer einen größeren Teil der gemeinsamen Sache benützt, als es der Quote seines Miteigentums entspricht, kann nach ständiger Rechtsprechung nur für die Zukunft erfolgen (RS0013185 [T3]; RS0087211). Ein Miteigentümer kann daher vom anderen nicht deshalb eine Vergütung verlangen, weil dieser in der Vergangenheit das gemeinschaftliche Gut zur Gänze oder über seinen Anteil hinaus benützt hatte (RS0013185 [T2]; vgl auch RS0013636).

[12] 1.2. Auch die von den Vorinstanzen und vom Revisionswerber erwähnte Entscheidung 1 Ob 180/08i führte aus, ein Anspruch auf Benutzungsentgelt für die Vergangenheit werde zwischen Miteigentümern, wenn die Sache von einem Miteigentümer allein oder in einem seine Miteigentumsquote übersteigenden Ausmaß benutzt wird, in zahlreichen oberstgerichtlichen Entscheidungen verneint.

[13] 1.3. Die später ergangene Entscheidung 2 Ob 248/08x stellte weiters – nach ausführlicher Auseinandersetzung mit einschlägiger Literatur – klar, dass ein Miteigentümer ein anteiliges Benützungsentgelt für die übermäßige Nutzung der gemeinsamen Sache durch einen anderen Miteigentümer ab Zugang des ausdrücklichen oder schlüssigen Widerspruchs des einen Miteigentümers gegen die übermäßige Benützung durch den anderen verlangen kann; hingegen ginge es zu weit, ein Benützungsentgelt bereits ab der übermäßigen Nutzung zuzubilligen.

[14] 1.4. Zu 8 Ob 127/11a wurde diese Judikatur bekräftigt und zu 7 Ob 86/13t etwa die Aufforderung eines Miteigentümers an den anderen Miteigentümer, ihm die Schlüssel für die Liegenschaft auszuhändigen, als Widerspruch im Sinn der dargestellten Judikatur beurteilt.

[15] 1.5. Entgegen der Darstellung des Berufungsgerichts in der Zulassungsbegründung ist die Rechtslage in der höchstgerichtlichen Judikatur somit geklärt.

[16] 2.1. Der Widerspruch ist als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung zu verstehen, die gewisse Parallelen zu einer Kündigung aufweist; der Inhalt des Widerspruchs besteht darin, dass ein Miteigentümer sein Nichteinverständnis mit der gegenwärtigen Nutzung artikuliert (Pittl/Steiner, Rechtsnatur und Rechtsfolgen des Widerspruchs eines [schlichten] Miteigentümers gegen die übermäßige Nutzung durch einen anderen Miteigentümer, wobl 2013, 8 [13]).

[17] 2.2. Der Widerspruch kann dabei ausdrücklich oder schlüssig erklärt werden. Bei der Beurteilung von Handlungen auf ihren konkludenten Aussagegehalt ist stets zu bedenken, dass dieser im Sinne des § 863 ABGB eindeutig in eine bestimmte Richtung weisen muss und kein vernünftiger Grund übrig sein darf, daran zu zweifeln, dass ein Rechtsfolgewille in bestimmter Richtung vorliegt (vgl bloß RS0014150).

[18] 2.3. Bei der Frage, ob ein bestimmtes Verhalten als Widerspruch zu beurteilen ist, handelt es sich um eine Frage des Einzelfalls, sodass die Revision nur bei einer groben Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts zulässig wäre (vgl RS0044088).

[19] 2.4. Der Standpunkt der Revision, wonach die gegen den Kläger ergangene einstweilige Verfügung als Widerspruch seinerseits gegen die Nutzung der Liegenschaft durch die Beklagte anzusehen sei, überzeugt nicht. Die einstweilige Verfügung ist eine gerichtliche Entscheidung gegen den Kläger und keine Willenserklärung seinerseits. Der Kläger ist also, wie schon das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, Adressat der einstweiligen Verfügung und nicht Erklärender. Es ist nicht zu sehen, wie die Beklagte aus der gegen den Kläger erlassenen einstweiligen Verfügung ableiten hätte sollen, dass der Kläger keine weitere Benützung der Liegenschaft durch sie wünscht.

[20] 2.5. Auch mit den Ausführungen der Revision zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Eigentumsbeschränkungen wird in diesem Zusammenhang keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufgezeigt, zumal eine einstweilige Verfügung zum Schutz vor Gewalt nach den §§ 382b, 382e EO mit den Eigentumsverhältnissen an der Wohnung nichts zu tun hat, sondern genauso auch etwa gegen einen Mieter erlassen werden kann.

[21] 2.6. Die weiteren Argumente der Revision (S 5 f, Punkte I. und II.) stellen Neuerungen dar, zu denen in erster Instanz kein Vorbringen erstattet wurde. Dies gilt vor allem auch für die Behauptung des Klägers im Revisionsverfahren, er habe im zwischen den Streitteilen geführten Verfahren auf Zivilteilung am 30. 8. 2013 ausdrücklich erklärt, er wolle die entgangene Miete für seinen Hälfteanteil ersetzt erhalten. Im Übrigen ist die Auffassung des Berufungsgerichts, wonach mit einem Antrag auf Herabsetzung von Kindesunterhalt noch kein Widerspruch im Sinn der dargestellten Judikatur zum Ausdruck gebracht wird, nicht korrekturbedürftig.

[22] 3. Zusammenfassend bringt die Revision somit keine Rechtsfragen der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass sie spruchgemäß zurückzuweisen war.

[23] 4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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