OGH 15Os131/20h

OGH15Os131/20h14.4.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. April 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinksi, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in der Strafsache gegen W***** M***** wegen des Verbrechens nach § 3g VerbotsG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 16. Juli 2020, GZ 110 Hv 22/19b‑25, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0150OS00131.20H.0414.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde W***** M***** mehrerer Verbrechen nach § 3g VerbotsG schuldig erkannt.

[2] Danach hat er sich am 1. Dezember 2018 in N***** auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinne betätigt, indem er im Lokal „T*****“

(1./) gegenüber den weiteren Lokalgästen und den Lokalbediensteten mehrfach sowie

(2./) daran anschließend gegenüber den einschreitenden Polizeibeamten einmal

die nationalsozialistische Parole „Heil Hitler“ schrie und seine Äußerungen dabei jeweils mit dem Zeigen des sogenannten „Hitlergrußes“ unterstrich.

 

[3] Die Geschworenen haben die beiden Hauptfragen in Richtung des Verbrechens nach § 3g VerbotsG jeweils bejaht und die dazu jeweils in Richtung Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) gestellten Zusatzfragen verneint.

Rechtliche Beurteilung

 

[4] Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 8 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

[5] Die Instruktionsrüge (Z 8) kritisiert die Anführung von Beispielen für Handlungen, die (nach der höchstgerichtlichen Judikatur) geeignet sind, das Tatbildmerkmal der Betätigung im nationalsozialistischen Sinne zu verwirklichen, wie etwa der Ausspruch „Heil Hitler“ oder das Vorzeigen des sogenannten „Hitlergrußes“. Nach dem Beschwerdevorbringen können diese Beispiele den Geschworenen eine unrichtige Vorstellung über die Rechtslage vermittelt haben, weil solche Parolen oder Gesten zwar tatbildlich sein können, jedoch keineswegs müssen. Die Beschwerde vernachlässigt allerdings (RIS‑Justiz RS0100695; RS0119071, RS0119549; Ratz , WK‑StPO § 345 Rz 56, 65) die weiteren Ausführungen der den Geschworenen erteilten Instruktion (vgl S 13–16 der Rechtsbelehrung), wonach nationalsozialistische Betätigung etwa in einer unsachlichen, einseitigen und propagandistisch vorteilhaften Darstellung nationalsozialistischer Maßnahmen oder in der propagandistischen Verwendung typischer national‑sozialistischer Parolen und Symbole besteht, den beispielhaft angeführten Handlungen die objektive Eignung einer nationalsozialistischen Betätigung zukommt, solches Handeln aber (stets) mit dem – zumindest bedingten – Vorsatz verbunden sein muss, nationalsozialistische Zielsetzungen zu neuem Leben zu erwecken und sich auf andere als die in §§ 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn zu betätigen. Weshalb diese Instruktion in ihrer Gesamtheit nahelegen sollte, dass die dem Angeklagten konkret vorgeworfenen Handlungen unter allen Umständen das Tatbild des § 3g VerbotsG erfüllen würden, lässt die auf eine isoliert hervorgehobene Passage gestützte Beschwerde offen.

[6] Die Forderung (Z 8) nach einer Belehrung der Geschworenen über den strafprozessualen Zweifelsgrundsatz (§ 14 zweiter Halbsatz StPO) entbehrt einer methodengerechten Ableitung aus dem Gesetz (vgl § 321 Abs 2 StPO; RIS‑Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0098508&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False ; Swidersky, WK‑StPO § 321 Rz 15).

 

[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 344, 285i StPO).

[8] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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