European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0140OS00009.21M.0323.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten Mag. G***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – Mag. ***** G***** des Vergehens der falschen Beurkundung und Beglaubigung im Amt nach § 311 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 23. Mai 2016 als stellvertretender Leiter der Bezirkswahlbehörde W*****, mithin als Beamter, in einer öffentlichen Urkunde, deren Ausstellung in den Bereich seines Amtes fiel, eine Tatsache fälschlich beurkundet, wobei er mit dem Vorsatz handelte, dass diese Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis dieser Tatsache gebraucht werde, indem er die „Niederschrift am Tag nach der Wahl für den zweiten Wahlgang der Bundespräsidentenwahl“ unterfertigte und damit (unter anderem) tatsachenwidrig bestätigte, dass die Beisitzerinnen und Beisitzer der Bezirkswahlbehörde beim Öffnen der Wahlkarten und der Entnahme der Wahlkuverts anwesend gewesen seien (vgl US 5 f iVm ON 22 S 235).
Rechtliche Beurteilung
[3] Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 10a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mag. G***** ist nicht im Recht.
[4] Der Beschwerdeführer kritisiert (nominell Z 5, der Sache nach Z 9 lit a), das Erstgericht habe durch den Verweis auf Punkt G der inkriminierten Niederschrift, der keinen Passus über das Öffnen der Wahlkarten enthalte, keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, dass er die Anwesenheit der Beisitzerinnen und Beisitzer der Wahlkommission beim (rechtswidrigen [vgl VfSlg 20.071 Rz 297]) Öffnen der Wahlkarten fälschlich beurkundet habe. Er nimmt dabei nicht auf die Gesamtheit des Urteilssachverhalts Bezug (vgl aber RIS‑Justiz RS0099810), demzufolge der Beschwerdeführer durch Unterfertigen der (gesamten) Niederschrift diesen – zwar nicht in deren Punkt G, sondern Punkt H enthaltenen – rechtserheblichen (vgl Nordmeyer in WK 2 StGB § 311 Rz 17, 28 und 35), im Urteil ausdrücklich genannten Umstand tatsachenwidrig bestätigt habe (erneut US 5 f iVm ON 22 S 235). Dass das Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) auch (nicht entscheidende) Elemente aus Punkt G der Niederschrift besonders heraushebt („insbesondere“ [US 2]), ist ohne Bedeutung.
[5] Die gesetzmäßige Ausführung einer Diversionsrüge (Z 10a) erfordert eine methodisch korrekte Argumentation auf Basis der Tatsachenfeststellungen unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher Diversionsvoraussetzungen (RIS‑Justiz RS0124801). Diese Vorgaben verfehlt das Beschwerdevorbringen, das auf der urteilsfremden Prämisse aufbaut, der Angeklagte habe sich „geständig gezeigt“ (vgl hingegen US 10 [„bestritt überwiegend, einen entsprechenden Vorsatz gehabt zu haben“; „war daher als bloße Schutzbehauptung zu qualifizieren“]; vgl auch ON 51 S 3 und ON 68 S 3 ff; zum Unrechtsbewusstsein als Diversionsvoraussetzung vgl RIS‑Justiz RS0126734). Der Einwand, der Verfassungsgerichtshof habe ein „Vorsortieren“ der Wahlkarten für zulässig erachtet (vgl VfSlg 20.071 Rz 188), vernachlässigt, dass das fälschliche Dokumentieren dieser Vorgangsweise (für den Schuldspruch) nicht entscheidend ist. Weshalb es für die Beurteilung der Diversionsvoraussetzungen von Bedeutung sei, dass „in der Niederschrift ein Umstand festgehalten“ worden sei, „der keinen Amtsmissbrauch darstellte“, wird nicht klar.
[6] Im Übrigen legt die Rüge nicht dar, warum das konstatierte Verhalten des Beschwerdeführers, der als stellvertretender Leiter der Bezirkswahlbehörde bei der für die Republik Österreich bedeutsamen Wahl des Staatsoberhauptes die Vorgänge im Zusammenhang mit der Ermittlung des Ergebnisses der mittels Wahlkarte abgegebenen Stimmen in Bezug auf die Einhaltung der Vorschriften des Bundespräsidentenwahlgesetzes und des Grundsatzes der geheimen Wahl gemäß Art 60 Abs 1 B‑VG (vgl erneut VfSlg 20.071 Rz 297) wahrheitswidrig dokumentierte, keinen über dem Durchschnitt gelegenen Unrechtsgehalt aufweisen soll (vgl Schroll/Kert , WK‑StPO § 198 Rz 29; vgl auch 14 Os 23/20v; 14 Os 48/20w; 14 Os 68/20m).
[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[8] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).
[9] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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