OGH 1Ob16/21s

OGH1Ob16/21s2.3.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** eGen, *****, vertreten durch die K‑B‑K Kleibel Kreibich Bukovc Hirsch Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Salzburg, gegen die beklagte Partei M*****, vertreten durch die PLOIL BOESCH Rechtsanwälte GmbH, Wien, wegen 299.500 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Oktober 2020, GZ 11 R 141/20s‑21, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 23. Juli 2020, GZ 3 Cg 6/20d‑15, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00016.21S.0302.000

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig der klagenden Partei die mit 2.908,26 EUR (darin 484,71 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Der gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO erhobene Rekurs des Beklagten ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 526 Abs 2 ZPO; RIS‑Justiz RS0043685 [T6]) – mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Zurückweisung des Rekurses kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a iVm § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO; RS0043691):

[2] 1. Das Berufungsgericht hat die Entscheidung des Erstgerichts deshalb aufgehoben, weil es eine Bereitschaft der geschädigten Klägerin, (allenfalls gegebene) ihr aus dem Kaufvertrag gegenüber dem Verkäufer zustehenden Ansprüche dem Beklagten abzutreten, als (primär) ausreichende Maßnahme im Rahmen der Schadensminderungspflicht ansah. Da – der als Schädiger von der Klägerin in Anspruch genommene Beklagte (der ein Bild als Kunstsachverständiger vor dem Kauf angeblich unrichtig bewertet hatte), setzt sich mit dieser Ansicht nicht auseinander – dieser Gesichtspunkt bisher mit den Parteien nicht erörtert worden ist, verstößt die Entscheidung des Berufungsgerichts – anders als er behauptet – nicht gegen § 182 ZPO. Es entspricht vielmehr dem auch das Berufungsgericht treffenden Verbot der Fällung einer Überraschungsentscheidung (RS0037300 [bes T3, T20]). Dass es durch die Aufhebung des Ersturteils und die Zurückverweisung der Rechtssache den Parteien Gelegenheit bot, Vorbringen zur Schadensminderungspflicht zu erstatten (vgl RS0037300 [T21, T26]), bedarf also keiner Korrektur.

[3] 2. Dies umso weniger, als der Beklagte sein eigenes (im Verfahren erster Instanz erstattetes) Vorbringen zur Verletzung der Schadensminderungspflicht (es sei unverständlich, dass die Klägerin den Kaufvertrag – „nicht schon längst“ – wegen eines wesentlichen Mangels aufgehoben oder wegen wesentlichen Irrtums angefochten habe) selbst ad absurdum führt, wenn er im Rekurs zu dieser (vom Berufungsgericht nur als nachrangig angesehenen) Pflicht (als gebotene Maßnahme zur Verringerung des Schadens) darlegt, die Anfechtung sei aussichtslos, weil auf Seiten der Klägerin kein Geschäftsirrtum vorgelegen sei und der Verkäufer die Kunstwerke nach dem Vertrag an sie ohne jegliche Gewährleistung verkauft habe. Seine (widersprüchlich dazu auch im Rekurs immer noch aufrechterhaltene) Ansicht, die Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber dem Verkäufer fiele der Klägerin „um so leichter, als sie bloß das Kreditkonto der KG und des Verkäufers mit dem Betrag von 300.000 EUR belasten und das bildende Kunstwerk zurückgeben“ müsse, ist rechtlich nicht nachvollziehbar.

[4] 3. Darin, dass das Berufungsgericht die Begründung des Erstgerichts, ein Schaden sei noch nicht eingetreten, weil sich der Verkäufer im Vertrag eine Option (auch) dieses Bild (binnen fünf Jahren) zurückkaufen zu können, einräumen hatte lassen, erkennbar nicht aufrecht hielt, liegt ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage; der Rekurswerber führt dazu nichts aus.

[5] Das Berufungsgericht sah die Klage als (grundsätzlich) schlüssig an. Es pflichtete der Klägerin (ausgehend vom ihrem noch zu beweisenden Vorbringen zu den vom Beklagten vertraglich übernommenen Aufgaben und der angeblichen Vertragsverletzung) ausdrücklich darin bei, dass „durch einen entsprechend veranlassten Irrtum über die Identität des Schöpfers ein vertraglich bedingter Austausch von Vermögenswerten zum Nachteil der Klägerin in klagsgegenständlicher Höhe (Differenzschaden) erfolgt“ sei. Der Schaden ergebe sich aus dem durch das Verschulden des Beklagten als Kunstsachverständigen veranlassten Kaufvertrag und der (darauf beruhend) erbrachten Leistung der Klägerin. Hätte der Beklagte über die Fälschung aufgeklärt, wäre (allenfalls) nur ein Betrag von 500 EUR [anstelle von 300.000 EUR] als Kaufpreis „geflossen“. Lediglich die Höhe des Schadens erachtete das Berufungsgericht (im Hinblick auf einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht) als fraglich. (Nur) Dazu sah es – wie bereits zu Pkt 1. ausgeführt – die Erörterung als notwendig an.

[6] 4. Da der Beklagte im Rekurs keine erhebliche Rechtsfrage ausführt, ist dieser nicht zulässig, was zu seiner Zurückweisung führen muss.

[7] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 ZPO iVm § 50 Abs 1 ZPO. Im Zwischenstreit über die (hier mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte) Zulässigkeit des Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts im Sinn des § 519 Abs 1 Z 2 ZPO findet ein Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO nicht statt (RS0123222). Die Klägerin hat in ihrer Beantwortung des Rekurses auf die Unzulässigkeit des vom Beklagten erhobenen Rechtsmittels hingewiesen. Ihr Schriftsatz war daher unter diesem Gesichtspunkt als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig anzusehen.

Stichworte