OGH 3Ob205/20y

OGH3Ob205/20y25.2.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Präsidentin Hon.‑Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie den Hofrat Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. H*****, vertreten durch Mag. Hannes Pichler, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch Dr. Stephan Duschel, Mag. Klaus Hanten, Rechtsanwälte in Wien, wegen 1.042.101,81 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 18. August 2020, GZ 6 R 8/20y‑37, womit der Beschluss des Landesgerichts Leoben vom 6. November 2019, GZ 4 Cg 30/18w‑31, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0030OB00205.20Y.0225.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs und die Revisionsrekursbeantwortung werden zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger brachte am 7. März 2017 beim Erstgericht gegen seinen Sohn (im Folgenden: Verpflichteter) eine Klage auf Zahlung von 1.042.101,79 EUR sA mit der Behauptung, ein, er habe ihm zwischen Jänner 2011 und April 2012 in Tranchen ein Darlehen in Höhe des eingeklagten Betrags zugezählt und dieses mit 1. Februar 2016 fällig gestellt. Am 14. April 2017 erging gegen den Verpflichteten ein Versäumungsurteil.

[2] Aufgrund dieses Titels bewilligte das Bezirksgericht Judenburg dem Kläger als Betreibenden gegen den Verpflichteten die Forderungsexekution nach § 294 EO durch Pfändung und Überweisung zur Einziehung der dem Verpflichteten angeblich gegen den Beklagten, einen seiner vier Söhne (also den Enkel des Klägers), als Drittschuldner aus dem Rechtsgrund „Anspruch aus Vermögensverwaltung“ zustehenden Forderung. Dazu wurde im Exekutionsantrag vorgebracht, dass der Verpflichtete, wie sich aus dem „Vertrag zum Sondergut der Ehegatten“ und dem Scheidungsvergleich ergebe, alleiniger wirtschaftlicher Eigentümer näher bezeichneter ungarischer Agrarflächen sei, die im bücherlichen Eigentum des Drittschuldners stünden; Letzterer sei gerade im Begriff, diese Grundstücke zu verkaufen.

[3] Die Exekutionsbewilligung samt Aufforderung zur Abgabe der Drittschuldnererklärung wurde dem Beklagten am 8. Jänner 2018 zugestellt. In seiner Drittschuldnererklärung anerkannte er die gepfändete Forderung des Verpflichteten nicht; dieser sei nicht wirtschaftlicher Eigentümer der ungarischen Agrarfläche und habe auch sonst daran keine Rechte.

[4] Mit seiner als Drittschuldnerklage bezeichneten Klage begehrt der Kläger vom (in Deutschland lebenden) Beklagten den Betrag von 1.042.101,81 EUR sA. Er brachte dazu insbesondere vor, die im wirtschaftlichen Eigentum des Verpflichteten und im bücherlichen Eigentum des Beklagten stehenden landwirtschaftlichen Grundstücke in Ungarn seien als Haftungsfonds für die vom Kläger betriebene Darlehensforderung gedacht gewesen. Diese und auch andere zugesagte Sicherheiten habe der Verpflichtete aber nicht beigebracht. Der Beklagte sei gerade im Begriff, die Liegenschaften zu verkaufen. Weiters beziehe er ein jährliches Pachteinkommen aus diesen Liegenschaften in Höhe von rund 45.000 EUR. Mangels Besicherung und Rückzahlung des Darlehens habe der Kläger gegen den Verpflichteten eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft Leoben wegen des Verdachts des schweren Betrugs eingebracht. Der Beklagte habe Kenntnis davon gehabt, dass es sich um ein geplantes Vorgehen des Verpflichteten gegen den Kläger mit bereits anfänglich vorhandener Betrugsabsicht gehandelt habe. Er habe auch Kenntnis von der – in der Überlassung der Pachtzinse durch den Verpflichteten liegenden – Überalimentierung gehabt. Es gebe auch eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Beklagten und dem Verpflichteten, die ausschließlich zum Nachteil des Klägers abgeschlossen worden sei. Es sei zwar richtig, dass der Verpflichtete gegenüber dem Beklagten unterhaltspflichtig sei, die Unterhaltszuwendung sei aber um ein Vielfaches überhöht, weshalb eine Schädigung des Klägers und die Zahlungsunfähigkeit des Verpflichteten eingetreten sei. Der Beklagte sei in die unerlaubten Handlungen involviert und dadurch bereichert, weshalb jedenfalls der Zuständigkeitstatbestand des Art 7 Nr 2 EuGVVO (2012) gegeben sei. Auch der Zuständigkeitstatbestand des Art 7 Nr 1 EuGVVO sei erfüllt, weil dem Titelgeschäft mehrere Darlehensverträge zugrunde lägen. Die Darlehensschuld wäre im Sprengel des Erstgerichts zu erfüllen gewesen. Außerdem habe der Beklagte mit dem Verpflichteten eine Vereinbarung über die Entgegennahme eines Pachtzinses für die ungarischen Grundstücke getroffen. Diese Zahlungen würden ebenso aus dem Titel des Vertrags vom Pächter entgegen genommen. Im Zuge der Ehescheidung sei zwischen dem Verpflichteten und der Mutter des Beklagten vom 28. Februar 2012 eine Scheidungsfolgenvereinbarung errichtet worden, wonach dem Verpflichteten die alleinige Verfügungsgewalt über die dem Beklagten gehörigen Liegenschaften zustehe. Aufgrund einer Vollmacht vom selben Tag sei der Verpflichtete hinsichtlich dieser Liegenschaften allein für sich und die vier (damals noch minderjährigen) Kinder vertretungsbefugt. Dies gebe lediglich das wirtschaftliche Eigentum des Verpflichteten wieder. Beim Vertrag, aufgrund dessen der Beklagte das bücherliche Eigentum an den Liegenschaften erworben habe, habe es sich um ein Scheingeschäft gehandelt. Dies sei auch der Grund gewesen, warum seine beiden älteren Brüder, die in gleicher Weise bücherliche Eigentümer landwirtschaftlicher Grundstücke in Ungarn geworden seien, die aus dem Verkauf „ihrer“ Liegenschaften resultierenden Geldbeträge an den Verpflichteten herausgegeben hätten.

[5] Der Beklagte wendete insbesondere die mangelnde internationale Zuständigkeit des Erstgerichts ein.

[6] Das Erstgericht wies das Vorbringen des Klägers „über eine Anfechtung von Rechtsgeschäften“ gemäß § 179 ZPO sowie die Klage mangels internationaler Zuständigkeit zurück. Aus dem Klagevorbringen könne ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang zwischen einem noch nicht zurückbezahlten Darlehen des Klägers an den Verpflichteten und einer „vertraglichen oder deliktischen Handlung“ des Beklagten nicht abgeleitet werden, sodass das Vorbringen unschlüssig sei. Da sich die Behauptungs‑ und Beweislast für die zuständigkeitsbegründenden Tatsachen nach dem autonomen Recht des Gerichtsstaats richte und diese somit der Kläger zu behaupten habe, gehe die Unschlüssigkeit des Klagebegehrens zu seinen Lasten und führe somit zur „Abweisung“ (gemeint: Zurückweisung) der Klage mangels internationaler Zuständigkeit.

[7] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge. Dem Rekurswerber sei zwar dahin zuzustimmen, dass durch das vom Erstgericht zurückgewiesene Vorbringen keine Verzögerung der Entscheidung über die internationale Zuständigkeit eingetreten wäre. Allerdings ließe sich aus diesem Vorbringen – abgesehen davon, dass nicht erkennbar sei, welche konkreten Verträge der Kläger aus welchem Rechtsgrund anfechten zu können glaube – die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts ohnehin nicht ableiten. Da die EO für Drittschuldnerklagen keinen besonderen Zuständigkeitstatbestand enthalte, richte sich die Zuständigkeit nach den allgemeinen Bestimmungen. Der vom Kläger angezogene Zuständigkeitstatbestand des Art 7 Nr 1 EuGVVO greife nicht, weil er eine vertragliche Verpflichtung des Beklagten nicht schlüssig dargelegt habe. Er habe sich nämlich in erster Instanz ausschließlich auf den „vermögensrechtlichen Ehevertrag“ zwischen dem Verpflichteten und seiner damaligen Ehefrau und auf eine Vollmacht vom 28. Februar 2012 berufen; daraus wolle er den Schluss ziehen, dass der Verpflichtete „wirtschaftlicher Eigentümer“ der Liegenschaften sei und der Kläger wegen der diesem gewährten Darlehen Anspruch auf die Erlöse aus dem Verkauf der Liegenschaften habe. Der „vermögensrechtliche Ehevertrag“ regle allerdings ausschließlich die Vermögensverhältnisse aus der Ehe zwischen dem Verpflichteten und seiner damaligen Ehefrau. Aus den vom Kläger ins Treffen geführten Passagen der beiden Urkunden lasse sich bestenfalls eine Vertretungsbefugnis des Verpflichteten ableiten, nicht aber sein „wirtschaftliches Eigentum“. Aber auch auf den Zuständigkeitstatbestand des Art 7 Nr 2 EuGVVO könne sich der Kläger nicht berufen, weil dieser nicht anwendbar sei, wenn der behauptete Schadenersatzanspruch in so engem Zusammenhang mit einem Vertrag stehe, dass dieses vertragliche Element ganz im Vordergrund stehe und auch den Charakter des deliktischen Rechtsverhältnisses ganz entscheidend präge. Der Kläger stütze sich auch in diesem Zusammenhang, soweit aus seinem wenig konsistenten und schwer nachvollziehbaren Vorbringen ersichtlich, nur darauf, dass der Verpflichtete „wirtschaftlicher Eigentümer“ der Liegenschaften sei und aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung die Erträgnisse daraus dem Kläger zufließen müssten.

[8] Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil neuere höchstgerichtliche Rechtsprechung zur internationalen Zuständigkeit für Drittschuldnerklagen bei einer inländischen Exekutionsbewilligung und einem in einem (anderen) Mitgliedstaat wohnenden Drittschuldner fehle.

[9] Mit seinem Revisionsrekurs strebt der Kläger die Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen unter Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht an.

Rechtliche Beurteilung

[10] Die Revisionsrekursbeantwortung des Beklagten ist verspätet und zurückzuweisen, weil die 14-tägige Frist (§ 521a Abs 1 iVm § 521 Abs 1 zweiter Satz ZPO) nicht eingehalten wurde.

[11] Der Revisionsrekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts – mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

[12] 1. Gemäß Art 24 Nr 5 EuGVVO besteht für Verfahren, die die Zwangsvollstreckung aus Entscheidungen zum Gegenstand haben, die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll oder durchgeführt worden ist. Der Oberste Gerichtshof hat bereits zur inhaltsgleichen Bestimmung Art 16 Nr 5 EuGVÜ und LGVÜ 1988 ausgesprochen, dass für Drittschuldnerklagen keine solche Annexzuständigkeit besteht (7 Nd 514/97; 7 Ob 139/02w). Der Kläger unternimmt in seinem Revisionsrekurs nicht einmal den Versuch, darzulegen, dass diese Rechtsprechung unrichtig oder überholt wäre. Eine Heilung des Mangels der internationalen Zuständigkeit durch Rechtskraft der Exekutionsbewilligung oder auch eine sich daraus ergebende „perpetuatio fori“ scheidet von vornherein aus, weil zwischen der Forderungsexekution und der in der Folge erhobenen Drittschuldnerklage zu differenzieren ist.

[13] 2. Soweit der Kläger (neuerlich) eine rechtsirrige Anwendung des § 179 ZPO behauptet, setzt er sich mit der rechtlichen Beurteilung des Rekursgerichts nicht ansatzweise auseinander.

[14] 3. Die Auffassung des Rekursgerichts, der Kläger habe kein schlüssiges Vorbringen zu einer vertraglichen Vereinbarung erstattet, aufgrund derer der Zuständigkeitstatbestand des Art 7 Nr 1 lit a EuGVVO herangezogen werden könnte, stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar. Soweit sich der Revisionsrekurswerber in diesem Zusammenhang auf seine Darlehensvereinbarung mit dem Verpflichteten bezieht, genügt der Hinweis, dass Gegenstand des Drittschuldnerprozesses nur das Bestehen der (gepfändeten und zur Einziehung überwiesenen) Forderung des Verpflichteten gegen den Drittschuldner und nicht die betriebene Forderung sein kann (RS0003868 [T2]).

[15] 4. Auch hinsichtlich des von den Vorinstanzen ebenfalls verneinten Zuständigkeitstatbestands des Art 7 Nr 2 EuGVVO gelingt es dem Kläger nicht, eine erhebliche Rechtsfrage darzulegen, indem er geltend macht, ihm sei durch die Unterlassung von „berechtigten“ Zahlungen des Beklagten an den Verpflichteten ein Schaden entstanden.

[16] 5. Dass das Rekursgericht auch das Vorliegen der Voraussetzungen des – vom Kläger ohnehin im Lauf des erstinstanzlichen Verfahrens ausdrücklich fallen gelassenen – Zuständigkeitstatbestands des Art 8 EuGVVO verneinte, begründet gleichfalls keine erhebliche Rechtsfrage.

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