OGH 8Ob10/21k

OGH8Ob10/21k23.2.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D* GmbH & Co KG, *, vertreten durch Dr. Manfred Sommerbauer und DDr. Michael Dohr, LL.M., LL.M., Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei M* J*, vertreten durch Krammer & Penz, Rechtsanwälte in Horn, wegen (restlich) 10.000 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 26. November 2020, GZ 58 R 62/20w‑45, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 24. Juni 2020, GZ 2 C 240/18z‑40, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:E131066

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 833,88 EUR (darin 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin entwickelte über längere Zeit ein sogenanntes „Heißhungerprogramm“ für Bioresonanzgeräte. Dabei handelt es sich um eine Methode zur Gewichtsreduktion mittels Bioresonanz. Der Beklagte war seit 2011 Franchisenehmer der Klägerin, beendete das Vertragsverhältnis aber zum 28. 2. 2017.

[2] Die Klägerinbegehrt vom Beklagten als Vertragsstrafe 11.000 EUR samt Zinsen. Der Beklagte habe nicht, wie aber für den Fall der Vertragsbeendigung vereinbart, das ihm zur Verfügung gestellte Handbuch zurückgestellt. Er sei auch nicht seiner Verpflichtung nachgekommen, ihr den Austausch der Speicherchips gegen neutrale Speicherchips zu ermöglichen. Die Chips seien zwar in dem vom Beklagten auf Grundlage des Vertrags erworbenen Bioresonanzgerät eingebaut gewesen, ihm aber ausdrücklich nur für die Dauer des Vertragsverhältnisses zur Verfügung gestellt worden. Auf den Chips habe sich das von der Beklagten entwickelte Programm befunden.

[3] Der Beklagtebeantragte die Abweisung der Klage. Er habe nicht gegen den Vertrag verstoßen. Bezüglich des Handbuchs sei vorprozessual außergerichtlich eine Einigung der Parteien dahin erzielt worden, dass der Beklagte verbindlich erklärt habe, das Handbuch vernichtet zu haben; im Übrigen habe das Handbuch einen Wert von höchstens 100 EUR gehabt. Das Bioresonanzgerät habe er ohne die Chips und damit ohne das Programm weiterverkauft. Zuvor habe er es einer fachkundigen Firma – der Geräteherstellerin – mit dem Auftrag übermittelt, die Chips auszubauen und diese der Klägerin zuzusenden. Im Vertrag sei nicht vereinbart worden, auf welche Art und Weise der Austausch der Chips ermöglicht werden müsse. Die Klägerin habe außergerichtlich nie eingefordert, dass der Austausch der Chips nur durch sie erfolgen dürfe. Auch der Vertrag sehe solches nicht vor. Würde er dahingehend verstanden, wäre dies angesichts des Eigentums des Beklagten am Bioresonanzgerät gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB. Die Klägerin habe die Chips auch erhalten. Ein Verschulden des Beklagten sei nicht ersichtlich. Jedenfalls müsste die Vertragsstrafe richterlich gemäßigt werden. Der Klägerin sei abgesehen vom zu vernachlässigenden Materialwert des Handbuchs kein Schaden entstanden.

[4] Das Erstgericht mäßigte die Vertragsstrafe auf 1.000 EUR und gab insofern dem Klagebegehren samt 9,2 % Zinsen seit 26. 1. 2018 statt. Das Mehrbegehren wurde abgewiesen. Das Erstgericht ging von folgendem Sachverhalt aus:

[5] Das von der Klägerin entwickelte Programm wird neben anderen bereits vorinstallierten Programmen auf zwei A*-Speicherchips (sogenannten „Eproms“) dauerhaft gespeichert. Der Beklagte erwarb im Rahmen des mit der Klägerin abgeschlossenen Franchisevertrags 2011 ein vom Unternehmen M* GmbH hergestelltes Bioresonanzgerät um 13.980 EUR zzgl 20 % USt samt den Speicherchips. Letztere wurden dem Beklagten von der Klägerin für die Dauer des Vertragsverhältnisses als Teil des Franchisesystems zur Verfügung gestellt.

[6] Der von den Parteien unterzeichnete, von der Klägerin mit Hilfe ihrer rechtsfreundlichen Vertretung erstellte Franchisevertrag sah vor, dass das Handbuch das Know-How des Franchisesystems dokumentiert und es dem Franchisenehmer für die Dauer des aufrechten Vertragsverhältnisses leihweise überlassen wird (Vertragspunkt VII). Der Franchisenehmer war mit der Vertragsbeendigung verpflichtet, dem Franchisegeber das Handbuch zurückzustellen und „den Austausch, der ihm zur Verfügung gestellten A*®-Speicherchips (Eproms), unverzüglich nach Vertragsbeendigung gegen ‚neutrale‘ Speicherchips zu ermöglichen“ (Vertragspunkt XXI). Für Verstöße des Franchisenehmers gegen Bestimmungen des Vertrags wurde eine Pönale von (zumindest) 11.000 EUR vereinbart (Vertragspunkt XXIII).

[7] Im Zuge der Vertragsbeendigung durch den Beklagten per 28. 2. 2017 kam es am 29. 11. 2016 zu einem Gespräch zwischen unter anderem Dr. A* und R* K* für die Klägerin sowie dem Beklagten. Dabei wurde der Beklagte insbesondere über die erforderliche Retournierung der klagsgegenständlichen A*‑Speicherchips/Eproms mit dem „Heißhungerprogramm“ sowie der ihm von der Klägerin leihweise zur Verfügung gestellten Unterlagen hingewiesen. Ihm war im Zeitraum der Vertragsbeendigung Punkt XXI des Franchisevertrags bekannt und bewusst.

[8] Der Beklagte erkundigte sich Anfang 2017 bei der österreichischen Generalvertretung des deutschen Herstellerunternehmens des Bioresonanzgeräts, der M* GmbH, über den Chip-Ausbau. Ihm wurde mitgeteilt, dass es in Österreich keinen autorisierten Partner gebe, der den Ausbau ordnungsgemäß vornehmen könne. Deshalb beauftragte der Beklagte die M* GmbH mit dem Chip-Ausbau sowie der Übermittlung der ausgebauten Chips an die Klägerin; dies auch nicht zuletzt deshalb, weil der ihm als einzig bekannter, dazu ebenfalls befugte Mitarbeiter der Klägerin, K* K*, zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bei der Klägerin beschäftigt war. Dem Beklagten ging es dabei vorwiegend darum, das in seinem Eigentum stehende Bioresonanzgerät, welches er noch weiterzuverkaufen beabsichtigte, nicht durch einen unter Uumständen unsachgemäßen Chip‑Ausbau der Klägerin zu beschädigen.

[9] Am 10. 2. 2017 langte das Bioresonanzgerät des Beklagten bei der M* GmbH ein. Der Chip-Ausbau durch diese erfolgte am 15. 2. 2017. Die M* GmbH retournierte das Bioresonanzgerät des Beklagten am 16. 2. 2017.

[10] Am 2. 3. 2017 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass die Speicherchips bereits von der M* GmbH in seinem Auftrag ausgebaut wurden und dass er die gemäß Punkt VII des Franchisevertrags ihm von der Klägerin leihweise zur Verfügung gestellten Unterlagen durch Schreddern vernichtet hat. Beides tat der Beklagte, um der Käuferin seines Bioresonanzgeräts, S* D*, keinen Zugriff auf die Informationen der Klägerin zu gewähren.

[11] Die Klägerin war weder mit dem Chip-Ausbau durch die M* GmbH noch mit dem Vernichten der gemäß Punkt VII des Franchisevertrags dem Beklagten von der Klägerin leihweise zur Verfügung gestellten Unterlagen einverstanden.

[12] Am 14. 3. 2017 übersandte die M* GmbH im Auftrag des Beklagten zwei als M*-Combi Version A*-Speicherchips/Eproms bezeichnete Chips an die Klägerin, welche am 16. 3. 2017 bei dieser einlangten. Dem Beklagten wurden für den Chip-Ausbau gesamt 969,85 EUR in Rechnung gestellt.

[13] Am 16. 3. 2017 unterfertigte der Beklagte auf Ersuchen der Klägerin eine eidesstattliche Erklärung, worin er erklärte, sämtliche von dieser erhaltenen Unterlagen unwiederbringlich vernichtet und nicht elektronisch archiviert zu haben, sowie dass sich keine verbleibenden Unterlagen in seinem Besitz befinden.

[14] Die vom Unternehmen B* GmbH im Auftrag der Klägerin durchgeführte Überprüfung der von der M* GmbH im Auftrag des Beklagten übermittelten Chips ergab, dass die IC-Bausteine nicht programmierte – also leere – RAM-Bausteine (Zwischenspeicher) sind, die mit M*-Combi A* 52.A-Aufklebern (Festspeicher) versehen wurden. Die Klägerin verfügt sohin nicht über die vertragsmäßig zu retournierenden A*-Speicherchips/Eproms mit dem „Heißhungerprogramm“.

[15] Der Beklagte hat sein Bioresonanzgerät an S* D* ohne die klagsgegenständlichen A*‑Speicherchips/Eproms mit dem „Heißhungerprogramm“ weiterverkauft und übergeben, wobei das Gerät lediglich A*-Speicherchips/Eproms mit den ursprünglichen vom Herstellerunternehmen M* GmbH gespeicherten Programmen enthielt. Weder der Beklagte noch S* D* verfügen aktuell über das von der Klägerin entwickelte „Heißhungerprogramm“.

[16] Es kann nicht festgestellt werden, warum die M* GmbH andere Chips an die Klägerin übermittelte, noch wo sich die klagsgegenständlichen A*‑Speicherchips/Eproms mit dem „Heißhungerprogramm“ derzeit befinden.

[17] Der Chip-Ausbau bei Bioresonanzgeräten kann neben dem Herstellerunternehmen M* GmbH auch von Mitarbeitern der Klägerin, welche zum Teil von M* GmbH eingeschult wurden, sach- und ordnungsgemäß vorgenommen werden.

[18] Die Klägerin verfügt weiterhin über das sogenannte „Heißhungerprogramm“, dh die entsprechende Software, sowie über die Daten betreffend die dem Beklagten leihweise zur Verfügung gestellten Unterlagen.

[19] Die Kosten für die zwei klagsgegenständlichen A*-Speicherchips/Eproms ohne Programmierung belaufen sich auf maximal 10 EUR, der reine Materialwert der Unterlagen gemäß Punkt VII des Franchisevertrags auf maximal 100 EUR.

[20] Die seit 26. 1. 2018 fällige Klagsforderung haftet vom Beklagten unberichtigt aus. Die Streitteile vereinbarten unternehmerische Zinsen.

[21] Rechtlich vertrat das Erstgericht die Ansicht, dass nach Vertragspunkt XXI unklar sei, wer den Austausch durchzuführen habe bzw dürfe, was wegen § 915 ABGB zu Lasten der Klägerin gehe. Auch weil im Geschäftsleben Usus sei, dass zu retournierende Gegenstände vom Verpflichteten übersandt werden (Bringschuld), sei es dem Beklagten nach dem objektiven Erklärungswert des Vertragspunkts XXI grundsätzlich nicht verboten gewesen, ein externes Unternehmen mit dem Chip-Ausbau zu beauftragen. Dem Beklagten sei allerdings das Fehlverhalten der M* GmbH zuzurechnen (Erfüllungsgehilfenhaftung). Als weitere Vertragsverletzung sei ihm die Vernichtung der Unterlagen vorzuwerfen. Der Wunsch der Klägerin nach Unterfertigung einer eidesstattlichen Erklärung durch den Beklagten sei kein konkludenter Anspruchsverzicht der Klägerin gewesen, sondern bloß ein Versuch der Schadensbegrenzung bzw Absicherung durch die Klägerin. Aufgrund der rechtswidrig und schuldhaft verursachten zwei Vertragsverletzungen des Beklagten und des im Verhältnis zur vereinbarten Vertragsstrafe überaus geringen entstandenen Schadens von 110 EUR sei eine Vertragsstrafe in Höhe von 1.000 EUR angemessen.

[22] Das Ersturteil erwuchs hinsichtlich seines klagsstattgebenden Teils in Rechtskraft.

[23] Das Berufungsgericht übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und gab von diesen ausgehend der Klage hinsichtlich der restlichen 10.000 EUR (samt Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26. 1. 2018) statt. Es habe nicht festgestellt werden können, wo sich die klagsgegenständlichen A*‑Speicherchips/Eproms mit dem „Heißhungerprogramm“ derzeit befinden. Weil die M* GmbH der Klägerin anstelle der Eproms mit falschen Aufklebern versehene RAM-Bausteine übermittelt habe, seien die Eproms nicht bei der Klägerin eingelangt und ihr Verbleib nach wie vor ungeklärt. Auch wenn das Erstgericht keine bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung bereits erfolgte missbräuchliche Verwendung durch einen Dritten festgestellt habe, so sei dem Beklagten doch der Beweis, dass eine derartige Gefahr nicht mehr bestehe, ebensowenig gelungen wie der Nachweis, dass diese Vertragsverletzung ohne ein ihm zuzurechnendes Verschulden erfolgt sei. Wie das Erstgericht rechnete auch das Berufungsgericht das Fehlverhalten der M* GmbH dem Beklagten über § 1313a ABGB zu. Für die Frage der Mäßigung der Konventionalstrafe sei der im Zeitpunkt deren Vereinbarung bei einer ex-ante-Betrachtung als möglich denkbare Schaden zugrunde zu legen. Infolge des unbekannten Verbleibs der Chips bestehe nach wie vor die Gefahr, dass sie und damit das von der Klägerin entwickelte „Heißhungerprogramm“ an unbefugte Dritte gelangen könnte. Damit bestehe auf Basis des hiezu erstatteten Beklagtenvorbringens kein Grund zu einer betraglichen Mäßigung der Konventionalstrafe, sei doch deren offenkundiger Zweck unter anderem die Sicherung des damit verbundenen geistigen Eigentums der Klägerin gewesen. Ein Vorbringen dahingehend, dass der Klägerin selbst im Falle eines (nach den Feststellungen nicht auszuschließenden) unbefugten Weiterverbreitens ihres „Heißhungerprogramms“ kein immaterieller Schaden in Höhe des Klagsbetrags entstehen könnte, habe der Beklagte nicht erstattet.

[24] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, es fehle neuere höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Relevanz des Ausmaßes des Verschuldens des Schuldners einerseits und dessen Erfüllungsgehilfen andererseits für die Mäßigung einer Vertragsstrafe.

[25] Gegen das Berufungsurteil richtet sich aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene ordentliche Revision des Beklagten mit einem auf Wiederherstellung des Ersturteils gerichteten Abänderungsantrag.

[26] Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[27] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt.

[28] Zunächst ist der Ansicht des Erstgerichts entgegenzutreten, dass die Vertragsklausel „Weiters ist der Franchisenehmer verpflichtet, den Austausch der ihm zur Verfügung gestellten A*®-Speicherchips (Eproms) unverzüglich nach Vertragsbeendigung gegen 'neutrale' Speicherchips zu ermöglichen.“ iSd § 915 ABGB unklar sei. Die Klausel verlangt nach ihrem klaren Wortlaut vom Beklagten die Ermöglichung des Austausches, also nicht den Austausch selbst. Zweck dessen war offenkundig zu gewährleisten, dass es die Klägerin selbst in der Hand hat, ihre Chips auszubauen und auf diesem Wege unmittelbar zurückzuerlangen. Es sollte gerade eine Situation wie die hier eingetretene, in der der Verbleib der Chips unklar und damit auch ungewiss ist, ob jemand womöglich ohne Kenntnis der Klägerin deren Programm wirtschaftlich nützt, hintangehalten werden. Die Klausel ist dadurch im Übrigen sachlich gerechtfertigt und somit nicht gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB (vgl 1 Ob 105/10p [Pkt 2]; Graf in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.05 § 879 Rz 279 ff).

[29] Entgegen dem Berufungsgericht kann auch keine Rede davon sein, dass die aus der Klausel „resultierende Verpflichtung des Beklagten, die ihm zur Verfügung gestellten A*®-Speicherchips (Eproms) unverzüglich nach Vertragsbeendigung an die Klägerin zurückzustellen, unstrittig“ sei. Die Klägerin hat im Verfahren stets betont, ihr hätte der Chipaustausch ermöglicht werden müssen. Der Beklagte behauptete im Verfahren zu keinem Zeitpunkt, dass hinsichtlich der Chips vom schriftlichen Vertrag einvernehmlich abgegangen wurde. Ein Abgehen ist auch dem festgestellten Sachverhalt nicht zu entnehmen. Die Feststellungen zum Gespräch im November 2016 sind allein dahin zu verstehen, dass dem Beklagten damals seine vertraglichen Verpflichtungen in Erinnerung gerufen wurden.

[30] Dass der Beklagte annahm, die Klägerin sei personell zu einem fachgerechten Ausbau gar nicht in der Lage, entschuldigt ihn nicht. Abgesehen davon, dass der Beklagte insofern irrte, hätte die Klägerin im Falle, dass sie nicht über entsprechend technisch versierte Mitarbeiter verfügte, die Möglichkeit und das Recht gehabt, den Aus- und Wiedereinbau (Austausch) im Wege eines qualifizierten Dritten ihres Vertrauens vorzunehmen.

[31] Der Beklagte verletzte somit schuldhaft diese Klausel, indem er der Klägerin den Austausch der Chips nicht ermöglichte, sondern sie vor vollendete Tatsachen stellte. Er hat bereits hierdurch – entgegen der Ansicht der Revision – ein gravierendes Eigenverschulden zu verantworten. Hinzu kommt die Vernichtung des Handbuchs. Dass das spätere Verlangen der Klägerin, der Beklagte möge die Vernichtung förmlich bestätigen, nicht als Verzicht auf die Geltendmachung der damit einhergehenden Vertragsverletzung verstanden werden kann, hat das Erstgericht zutreffend unter Hinweis auf den strengen Maßstab des § 863 ABGB festgehalten.

[32] Selbst wenn man aber mit den Vorinstanzen davon ausginge, dass der Beklagte zum Austausch verpflichtet (bzw berechtigt) gewesen sei und es ihm nicht verboten gewesen sei, sich dazu eines Dritten zu bedienen, wäre dem Beklagten im Ergebnis nicht geholfen. In diesem Fall griffe – wie bereits von den Vorinstanzen erkannt – § 1313a ABGB. Mit der Begründung, dass diese Vorschrift besagt, dass vom Geschäftsherrn das Verschulden eines Erfüllungsgehilfen wie sein eigenes zu vertreten ist, hat der Oberste Gerichtshof in der (abseits vom Rechtssatz RIS‑Justiz RS0028438 unveröffentlichten) Entscheidung 7 Ob 17/74 ausgesprochen, dass der Umstand, dass nicht der Vertragsteil selbst, sondern sein Erfüllungsgehilfe die verpönte Handlung vorgenommen hat, bei der Herabsetzung einer Vertragsstrafe keine Berücksichtigung findet. Dies trägt dem Grundgedanken des § 1313a ABGB Rechnung, dass der Schuldner zwar berechtigt ist, zur Erfüllung seiner Verpflichtungen Hilfspersonen heranzuziehen, die Position des Gläubigers aber dadurch nicht verschlechtert werden soll (vgl 8 Ob 76/84; 3 Ob 614/89; Schacherreiter in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.07 § 1313a Rz 1; Karner in KBB6 § 1313a ABGB Rz 1, je mwN). Daran, dass für den Verfall einer Vertragsstrafe das Verschulden eines Erfüllungsgehilfen ausreicht, wurde bislang zurecht nicht gezweifelt (vgl nur Karner/Longin, Vertragsstrafe und Schadenspauschalierung [2020] Rz 316 ff, 323 et passim; ferner BGH I ZR 25/83 = NJW 1986, 127). Warum es in Widerspruch zur Formulierung des § 1313a ABGB („wie für sein eigenes“) für den Schuldner in Bezug auf die Mäßigung der Strafe nach § 1336 Abs 2 ABGB günstiger sein soll, kein Eigenverschulden zu haben sondern „nur“ das Verschulden eines Erfüllungsgehilfen verantworten zu müssen, ist nicht ersichtlich. Der Senat sieht daher keine Veranlassung, vom – bislang nur auf der unveröffentlichten Entscheidung 7 Ob 17/74 beruhenden – Rechtssatz RS0028438 abzugehen, wonach der Umstand, dass nicht der Vertragsteil selbst, sondern sein Erfüllungsgehilfe die verpönte Handlung vorgenommen hat, bei der Herabsetzung einer Vertragsstrafe nicht zu berücksichtigen ist.

[33] Als entscheidend erweist sich allein, ob sich das Verlangen des Beklagten, die Vertragsstrafe richterlich nach § 1336 Abs 2 ABGB zu mäßigen, als berechtigt erweist.

[34] Nach ständiger Rechtsprechung hat der auf Zahlung einer Vertragsstrafe Geklagte die Übermäßigkeit des Vergütungsbetrags einzuwenden und zu beweisen (RS0032167). Er ist mit anderen Worten für das Vorliegen von Mäßigungskriterien iSd § 1336 Abs 2 ABGB behauptungs- und beweispflichtig (RS0032187 [T3]; RS0032195). Will er – wie hier – eine Mäßigung der Vertragsstrafe, weil dem Kläger kein Schaden oder zumindest ein wesentlich geringerer als die begehrte Vertragsstrafe entstandenen ist, hat er auch diese Umstände zu behaupten und zu beweisen (GlU 15247; 2 Ob 35/52; 4 Ob 28/69; RS0032195 [T1, T2]; RS0032161 [T3]; RS0032167 [T3]). Eine Negativfeststellung zum Vorliegen eines Schadens geht zu seinen Lasten (RS0032195 [T5]). Ist durch eine Vertragsverletzung (noch) kein realer – materieller oder immaterieller – Schaden eingetreten, so ist der Mäßigung einer Konventionalstrafe zwar der im Zeitpunkt deren Vereinbarung bei einer ex-ante-Betrachtung als möglich denkbarer Schaden zugrundezulegen (RS0112216; Größ in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 1336 Rz 25). Es liegt aber auch hier am Beklagten zu behaupten und zu beweisen, welcher Schaden in diesem Sinne denkbar war.

[35] Der Beklagte hat – wie vom Berufungsgericht zutreffend erkannt – diesbezüglich nichts vorgebracht. Da zudem aufgrund der Negativfeststellung über den Verbleib der Chips ungewiss ist, ob ein Dritter im Besitz des Programms der Klägerin und daher in der Lage ist, ohne deren Wissen und damit zu deren Nachteil von diesem Gebrauch zu machen, fehlt es an jeglicher Substanz, um die Vertragsstrafe als übermäßig zu qualifizieren.

[36] Dass das Berufungsgericht unter diesen Umständen die Vertragsstrafe nicht mäßigte, bedarf keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof. Der Revision war der Erfolg zu versagen.

[37] Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet auf §§ 41, 50 ZPO.

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