OGH 13Os120/20a

OGH13Os120/20a17.2.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Strobl in der Strafsache gegen Norbert K* und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten René B* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 25. Juni 2020, GZ 221 Hv 10/20f‑40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E130826

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten René B* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – René B*je eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A I [gemeint b]) und nach „§ 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 1 Z 3 SMG“ (gemeint § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG, A II [gemeint b und c]) sowie mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall, Abs 2 SMG (D) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in G* und andernorts vorschriftswidrig Suchtgift

(A) in zahlreichen Angriffen

I/b) in einer das 25‑Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge erzeugt, und zwar im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Norbert K*15.000 Gramm Cannabiskraut (beinhaltend1.392 Gramm Delta‑9‑THC),

II) in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, und zwar

b) von 2015 bis Anfang 2017 und im Jahr 2019 zumindest 240 Gramm Cannabiskraut (beinhaltend 22,27 Gramm Delta‑9‑THC) und

c) von April 2017 bis Ende 2018 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Norbert K* zumindest 2.000 Gramm Cannabiskraut (beinhaltend 185,60 Gramm Delta‑9‑THC), und

(D) von Mitte Juni 2014 bis zum 18. Dezember 2019 zum persönlichen Gebrauch besessen, nämlich Cannabiskraut.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten René B*.

[4] Zur Rechtzeitigkeit der Ausführung der Rechtsmittel:

[5] Nach der Aktenlage wurde dem Wahlverteidiger (ON 13) nach rechtzeitiger Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung (ON 38) eine Urteilsabschrift mit Wirksamkeit (§ 89d Abs 2 GOG) vom 9. Oktober 2020 zugestellt (Rückschein zu ON 40). Aufgrund des danach eingetretenen Todes des Wahlverteidigers beantragte der Angeklagte B* innerhalb der vierwöchigen Ausführungsfrist (§§ 285 Abs 1, 294 Abs 2 StPO) die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers im Sinn des § 61 Abs 2 Z 1 StPO (ON 41). Diesem Antrag entsprach der Vorsitzende des Schöffengerichts am 9. November 2020 (ON 41 S 1), worauf dem (zwischenzeitig gemäß § 62 Abs 1 StPO von der zuständigen Rechtsanwaltskammer bestellten [ON 42]) Verfahrenshilfeverteidiger mit Wirksamkeit vom 19. November 2020 eine Urteilsabschrift zugestellt wurde (ON 40 S 21). Die Ausführung der angemeldeten Rechtsmittel erfolgte sodann am 1. Dezember 2020 (ON 43 S 1).

[6] Diese Rechtsmittelausführung geschah fristgerecht, weil die Ausführungsfrist aufgrund rechtzeitiger diesbezüglicher Antragstellung mit der Zustellung der Urteilsabschrift (sowie des Bestellungsbescheids) an den Verfahrenshilfeverteidiger neu zu laufen begann (§ 63 Abs 1 StPO).

[7] Die Regelung des § 63 Abs 2 StPO, wonach der Lauf einer durch Zustellung an den Verteidiger ausgelösten Frist nicht unterbrochen oder gehemmt wird, greift hier nicht, weil diese Bestimmung ausdrücklich nur die Fälle der Zurücklegung und der Kündigung einer zuvor erteilten Vollmacht, nicht jedoch jenen des zwischenzeitigen Todes des gewählten Verteidigers regelt (vgl zum ähnlich gelagerten Fall des Todes des bestellten Verteidigers [§ 45 Abs 4 zweiter Satz RAO] RIS‑Justiz RS0072335 und RS0111614 sowie Soyer/Schumann, WK‑StPO § 63 Rz 22).

[8] Zur Nichtigkeitsbeschwerde:

[9] Die Feststellungen zum durchschnittlichen Reinheitsgrad des Cannabiskrauts (9,28 % Delta‑9‑THC) leitete das Erstgericht aus der Untersuchung jenes Suchtgifts ab, das beim Mitangeklagten sichergestellt worden war (US 15).

[10] Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) ist die dargelegte Ableitung entgegen dem Vorbringen der Mängelrüge (Z 5) nicht zu beanstanden.

[11] Die Feststellungen zur objektiven Tatseite stützte das Erstgericht auch auf die geständige Verantwortung des Mitangeklagten (US 12 ff). Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) dessen Angaben die Glaubwürdigkeit abspricht, bekämpft sie die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung.

[12] Durch die Behauptung des Fehlens „objektiver Beweismittel“ gelangt der in Anspruch genommene Nichtigkeitsgrund (Z 5a) nicht zu prozessförmiger Darstellung (RIS‑Justiz RS0128874).

[13] Welcher Feststellungen zur objektiven und zur subjektiven Tatseite es – über die vom Erstgericht getroffenen (US 6 ff) hinaus – zur „Verurteilung“ noch bedurft haben sollte, legt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar (siehe aber RIS‑Justiz RS0116565).

[14] Unter dem Blickwinkel der Begründungstauglichkeit (der Sache nach Z 5 vierter Fall) begegnet die Ableitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite aus dem objektiven Tatgeschehen (US 14) keinen Bedenken (RIS‑Justiz RS0098671).

[15] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

[16] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[17] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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