OGH 8Ob99/20x

OGH8Ob99/20x28.1.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, 1060 Wien, Linke Wienzeile 18, vertreten durch die Kosesnik‑Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei H***** Handelsgesellschaft mbH, *****, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Interesse 36.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 26. August 2020, GZ 6 R 65/20a‑14, mit dem das Urteil des Landesgerichts Steyr vom 16. März 2020, GZ 2 Cg 3/20i‑8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0080OB00099.20X.0128.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.197,38 EUR (hierin enthalten 366,23 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger ist ein gemäß § 29 Abs 1 KSchG klagebefugter Verein. Die Beklagte betreibt bundesweit einen Handel mit Radio‑, HiFi‑, TV‑ und Fotoartikeln sowie Hörgeräten. Im Rahmen ihrer geschäftlichen Tätigkeit tritt sie regelmäßig mit Verbrauchern in rechtsgeschäftlichen Kontakt und schließt mit diesen unter Zugrundelegung ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und/oder Vertragsformblätter Verträge ab. Werden von Kunden nach Erwerb von Waren Mängel an diesen reklamiert bzw Garantie‑ oder Gewährleistungsrechte geltend gemacht, so wird mit ihnen zunächst ein Reparaturauftrag aufgenommen, der unter anderem folgende Bestimmung enthält: „Garantie‑Antrag: Wenn sich herausstellen sollte, dass es sich nicht um einen kostenfreien Garantiefall oder um einen Fall der Gewährleistung handelt, werden die gesamten Kosten (auch für den Kostenvoranschlag) vom Kunden übernommen.

[2] Das Erstgericht gab der auf Urteilsveröffentlichung und Unterlassung der Verwendung dieser Klausel oder sinngleicher Klauseln im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in AGB und/oder Vertragsformblättern gerichteten Verbandsklage statt.

[3] Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es nahm, sich dabei unter unter anderem auf die Entscheidung 7 Ob 84/12x stützend, auch eine gröbliche Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB an, schränke die Klausel doch die Kostenüberwälzung auf den Verbraucher nicht auf Fälle eines Verschuldens desselben ein.

[4] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass zu der konkret zu beurteilenden Klausel noch keine höchstgerichtliche Judikatur vorliege und sie für eine größere Anzahl von Kunden von erheblicher Bedeutung sei.

[5] In ihrer Revision begründet die Beklagte die Zulässigkeit des Rechtsmittels damit, dass (auch) die zitierte Entscheidung mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar sei und Rechtsprechung zur Frage fehle, ob eine Klausel in AGB und zusätzlich in den individuellen Reparaturaufträgen verwendet werden könne, die eine Kostenübernahme vorsehe, wenn sich herausstellen sollte, dass es sich nicht um einen kostenfreien Garantiefall oder um einen Fall der Gewährleistung handle.

Rechtliche Beurteilung

[6] Die Revision ist nicht zulässig.

[7] Die bloße Aufforderung einer Partei, eine Forderung zu begleichen, ist nach der Rechtsprechung an sich keine unerlaubte Handlung (1 Ob 237/15g [zu Art 5 Z 3 LGVÜ II]). Das gilt genauso für die außergerichtliche Geltendmachung eines vermeintlichen, auf die gesetzliche Gewährleistung oder eine vertragliche Garantie gestützten, tatsächlich aber unberechtigten Verbesserungsanspruchs. Entstanden durch dessen Überprüfung dem Verkäufer Kosten, so hat dieser sie nach dem dispositiven Recht selbst zu tragen, hat er doch – kommen nicht besondere Umstände hinzu – gegen den Käufer keinen Schadenersatzanspruch und kann doch dessen Verbesserungsverlangen nicht als Erteilung eines Auftrags verstanden werden (1 Ob 293/75; Kletečka in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.04 § 1166 Rz 3; vgl auch RS0018732).

[8] In der von 7 Ob 84/12x beurteilten Klausel 9 bat sich der Unternehmer, ein Anbieter von Leistungen im Bereich Internet/Telekommunikation/Kabelfernsehen, das Recht aus, dem Verbraucher den Aufwand zu verrechnen der dadurch entstand, dass der Unternehmer aufgrund einer vom Verbraucher gemeldeten Störung tätig wurde, diese aber gar nicht vorlag, oder zwar vorlag, aber vom Verbraucher zu vertreten war. Der Oberste Gerichtshof sah in der Klausel die Vereinbarung eines nicht auf ein Verschulden abstellenden Schadenersatzanspruchs und qualifizierte sie als Verstoß gegen § 879 Abs 3 ABGB. Dass dies auf die hier zu beurteilende Klausel übertragbar ist, liegt auf der Hand. Nach ihr ist der Verbraucher Ersatzansprüchen auch dann ausgesetzt, wenn er ohne Verschulden ein sich sodann als unberechtigt erweisendes Verbesserungsbegehren erhob. Da der Verbraucher nach dem dispositiven Recht hingegen in einem solchen Fall nicht ersatzpflichtig wäre, haben die Vorinstanzen jedenfalls zutreffend eine Verletzung von § 879 Abs 3 ABGB angenommen. Bei der Abweichung einer Klausel von dispositiven Rechtsvorschriften liegt eine gröbliche Benachteiligung des Vertragspartners im Sinne dieser Bestimmung vor, wenn sie unangemessen ist (RS0016914 [T1]; Bollenberger/P. Bydlinski in KBB 6 § 879 ABGB Rz 23). Dies ist hier der Fall, zumal nicht ersichtlich ist, warum der Verbraucher (auch) Kosten übernehmen soll, die nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge der Unternehmer endgültig zu tragen hätte.

[9] Zumal die Unzulässigkeit einer Klausel wie der hier vorliegenden bereits höchstgerichtlich geklärt ist und sich die Beurteilung der Vorinstanzen im Rahmen der bisherigen Rechtsprechung hält, erweist sich die Revision als nicht zulässig (vgl RS0121516 [T27]).

Stichworte