OGH 11Os137/20m

OGH11Os137/20m26.1.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Jänner 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Nieschlag als Schriftführerin in der Strafsache gegen Sebastian F* wegen des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 46 Hv 66/20s des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss dieses Gerichts vom 16. Oktober 2020 (ON 29 der Hv-Akten) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Schneider LL.M., zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E130536

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Der Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 16. Oktober 2020, GZ 46 Hv 66/20s-29, verletzt §§ 50 Abs 1, 52 Abs 3 StGB sowie § 494 Abs 1 StPO.

Dieser Beschluss wird ersatzlos aufgehoben.

 

Gründe:

[1] Mit gekürzt ausgefertigtem, seit 28. Juli 2020 rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Linz vom 22. Juli 2020, GZ 34 Hv 30/20w-8,wurde Sebastian F* des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB schuldig erkannt und zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenenFreiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt.

[2] Mit (nach allseitigem Rechtsmittelverzicht [ON 27 S 4]) gekürzt ausgefertigtem Urteil vom 16. Oktober 2020, GZ 46 Hv 66/20s-27, verhängte das Landesgericht für Strafsachen Wien über F* wegen am 5. und 8. Juli 2020 begangener Straftaten unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das vorgenannte Urteil des Landesgerichts Linz eine (nicht bedingt nachgesehene) Zusatzfreiheitsstrafe von acht Monaten.

[3] Unter einem ordnete das Landesgericht für Strafsachen Wien mit gesondert ausgefertigtem Beschluss gemäß § 50 Abs 1 StGB „für die Dauer der Probezeit“ demnach ersichtlich bezogen auf die im Vor-Urteil gewährte bedingte Strafnachsicht – Bewährungshilfe an (ON 29).

[4] Mit Beschluss vom 30. November 2020, AZ 23 Bs 321/20d, 23 Bs 322/20a, wies das Oberlandesgericht Wien die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten gegen das Urteil (ON 27) und den Beschluss (ON 29) des Landesgerichts für Strafsachen Wien – zufolge der wirksamen Rechtsmittelverzichtserklärungen – jeweils als unzulässig zurück.

Rechtliche Beurteilung

 

[5] Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht der genannte Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 16. Oktober 2020 (ON 29) mit dem Gesetz nicht im Einklang:

[6] Die Anordnung der Bewährungshilfe zu einem anderen Verfahren aus Anlass einer späteren Verurteilung käme nach § 494a Abs 6 zweiter Halbsatz StPO (soweit hier relevant) nur in Betracht, wenn der Rechtsbrecher wegen einer vor Ablauf der Probezeit nach einer bedingten Nachsicht begangenen strafbaren Handlung neuerlich verurteilt (und beschlussmäßig vom Widerruf der bedingten Nachsicht abgesehen) wird (§ 494a Abs 1 Z 2 iVm Abs 6 StPO; vgl Jerabek, WK-StPO § 494 Rz 2 und § 494a Rz 5, 7). Dies trifft auf die dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 16. Oktober 2020 (ON 27) zu Grunde liegenden, vor dem (dazu im Verhältnis des § 31 StGB stehenden) Urteil des Landesgerichts Linz vom 22. Juli 2020, GZ 34 Hv 30/20w-8, begangenen Taten nicht zu (vgl RIS-Justiz RS0111521 [T4]).

[7] Die Bewährungshilfe kann nachträglich (§ 52 Abs 3 iVm § 50 Abs 1 StGB) nur vom Gericht des Erstverfahrens (hier: dem Einzelrichter des Landesgerichts Linz) angeordnet werden (vgl Schroll in WK2 StGB § 50 Rz 11, § 52 Rz 21; Jerabek,WK-StPO § 494 Rz 1; 12 Os 36/13f [12 Os 37/13b, 12 Os 38/13z] = SSt 2013/15), weshalb sich der Ausspruch der Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien mangels Entscheidungskompetenz als verfehlt erweist.

[8] Da sich die Anordnung der Bewährungshilfe für den Verurteilten nachteilig auswirkt, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, den Beschluss ersatzlos aufzuheben.

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