OGH 4Ob184/20t

OGH4Ob184/20t26.11.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** Gesellschaft mit beschränkter Haftung, *****, vertreten durch Piaty Müller‑Mezin Schoeller Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Graz, gegen die beklagten Parteien 1) GB ***** Ltd, *****, Vereinigtes Königreich, 2) Ing. J***** K*****, und 3) SC***** GmbH, *****, alle vertreten durch Dr. Lukas Fantur, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung, Urteilsveröffentlichung und Feststellung (Streitwert im Sicherungsverfahren 31.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 16. September 2020, GZ 5 R 115/20a‑27, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00184.20T.1126.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin sowie die Erst- und die Drittbeklagte sind in der Branche des Gleitbaus und der Gleitschalung tätig; das wesentlichste Material im Gleitschalungsbau ist der sogenannte Gleitschalungsheber. Die Klägerin ist an sich weltweit tätig, derzeit allerdings nicht im Vereinigten Königreich und Irland. Die Erstbeklagte ist ausschließlich im Vereinigten Königreich und Irland tätig, während die Drittbeklagte ihre Gleitschalungssysteme weltweit anbietet.

[2] Der Zweitbeklagte war (bis 16. 2. 2020) Geschäftsführer der Erstbeklagten; zudem ist er Geschäftsführer der Drittbeklagten und – gemeinsam mit H***** F***** – der S***** GmbH, über deren Vermögen am 3. 12. 2019 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Projekte der S***** GmbH im Vereinigten Königreich und Irland wurden von der Erstbeklagten abgewickelt. Zu diesem Zweck schlossen beide Gesellschaften ein Service‑Agreement, nach dem die S***** GmbH der Erstbeklagten die Miete für das Gleitschalungsmaterial und die Kosten des Bedienungspersonals berechnet. Zur Gegenverrechnung stellt die Erstbeklagte an die S***** GmbH Rechnungen für Lagerplatz, Gebäude, Betriebs- und Fahrzeugkosten, Aufwendungen für Materialanschaffungen und Provisionen für Weitervermietungen aus. Das Service‑Agreement wurde im Rahmen des Insolvenzverfahrens nicht gekündigt.

[3] Die S***** GmbH verfügte über 666 Gleitschalungsheber; 236 davon standen in ihrem Eigentum, 430 waren geleast. Mit Unternehmenskaufvertrag vom 13. 3. 2020 erwarb die Klägerin das schuldnerische Unternehmen der S***** GmbH, darunter auch die in deren Eigentum befindlichen Gleitschalungsheber. Von den durch die S***** GmbH geleasten Gleitschalungsheber erwarb die Klägerin (von dritten Leasinggebern) 350 Stück.

[4] Die Erstbeklagte enthält die in ihrem Lager in Großbritannien befindlichen Gleitschalungsheber (427 Stück) der Klägerin vor und verwendet diese auf ihren eigenen Baustellen. Es kann nicht festgestellt werden, dass auch die Drittbeklagte Gleitschalungsheber oder sonstige Betriebsmittel der Klägerin vorenthält oder solche selbst verwendet. Nach englischem Recht hat ein Verwahrer, in dessen Besitz sich bewegliche Sachen befinden, ein Besitzpfandrecht, das es ihm ermöglicht, die Rückgabe an den Hinterleger zu verweigern, bis die ihm geschuldeten aushaftenden Beträge bezahlt sind. Es kann nicht festgestellt werden, ob und in welchem Umfang die Erstbeklagte Aufwendungen getätigt hat, zu deren Weiterverrechnung an die S***** GmbH sie aufgrund des Service‑Agreements berechtigt wäre.

[5] Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen, auf § 1 Abs 1 Z 1 UWG (Rechtsbruch und Behinderungswettbewerb) gestützten Unterlassungsbegehrens beantragte die Klägerin, der Beklagten mittels einstweiliger Verfügung zu verbieten, zu Zwecken des Wettbewerbs

a) ihr dem Betrieb ihres Unternehmens dienende Betriebsmittel vorzuenthalten, die in ihrem Eigentum stehen oder hinsichtlich derer sie einen Anspruch auf Verschaffung des Eigentums und/oder der Gewahrsame hat, wie insbesondere die in Beilage ./T genannten Gegenstände,

und/oder

b) diese Betriebsmittel bei Erbringung der eigenen Leistungen zu verwenden oder ähnliche Handlungen zu setzen.

[6] Die Vorinstanzen wiesen das Sicherungsbegehren zur Gänze ab. Zwischen der Klägerin und der Erstbeklagten bestehe kein Wettbewerbsverhältnis, weil die Gleichartigkeit des Abnehmerkreises auch von räumlichen Umständen abhänge und örtlich keine überschneidenden Absatzgebiete bestünden, weshalb jede Möglichkeit eines Zusammenstoßes im Wettbewerb auszuschließen sei. Außerdem dürfe durch eine einstweilige Verfügung keine Sachlage geschaffen werden, die im Fall eines die Sicherungsverfügung nicht rechtfertigenden Urteils nicht mehr rückgängig gemacht werden könne. Dies sei hier in Bezug auf das Vorenthalten der Betriebsmittel der Fall. Auch hinsichtlich des Verwendens dieser Betriebsmittel sei das Sicherungsbegehren nicht berechtigt, weil durch das Verwenden der Materialien auf einem Markt, auf dem die Klägerin nicht tätig sei, keine Behinderung des Absatzes eintrete. Die Drittbeklagte habe nach dem bescheinigten Sachverhalt keine Lauterkeitsverstöße begangen.

Rechtliche Beurteilung

[7] Mit ihrem gegen diese Entscheidung erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage auf:

[8] 1. Vorweg wird festgehalten, dass die Zuständigkeit der angerufenen österreichischen Gerichte rechtskräftig bejaht wurde und die Anwendbarkeit österreichischen Sachrechts nicht mehr strittig ist.

[9] 2. Die geltend gemachten Verfahrensmängel und sekundären Feststellungsmängel liegen – wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat – nicht vor.

[10] 3. Inhaltlich betrifft das Sicherungsbegehren zwei Handlungen, nämlich einerseits das Vorenthalten von Betriebsmitteln (lit a) und andererseits das Verwenden dieser Betriebsmittel durch die Erstbeklagte (lit b).

[11] 3.1 In Bezug auf das „Vorenthalten“ (lit a des Sicherungsbegehrens) ist das Erstgericht davon ausgegangen, dass die einstweilige Verfügung schon deshalb nicht erlassen werden könne, weil die dadurch geschaffene Situation nicht mehr rückgängig gemacht werden könne. Dazu hat das Rekursgericht festgehalten, dass die Klägerin die zugrunde liegende Rechtsansicht des Erstgerichts im Rekurs nicht bekämpft habe, weshalb auf das Sicherungsbegehren zum Vorenthalten der Betriebsmittel nicht mehr einzugehen sei.

[12] Abgesehen davon, dass die Klägerin der in Rede stehenden Rechtsansicht des Erstgerichts auch im außerordentlichen Revisionsrekurs nicht entgegentritt, kann eine im zweitinstanzlichen Verfahren zu einer selbständigen Rechtsfrage unterbliebene Rechtsrüge im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr nachgeholt werden (RIS‑Justiz RS0043573 [T43 und T47]; 4 Ob 137/20f).

[13] 3.2 In Bezug auf das „Verwenden“ der fremden Betriebsmittel hat das Rekursgericht das erstinstanzliche Vorbringen der Klägerin zu ihrem Markteintritt im Vereinigten Königreich als unzureichend qualifiziert und dazu beurteilt, dass die erstmals im Rekurs vorgetragene Behauptung, ohne das sie behindernde Verhalten der Erstbeklagten wäre die Klägerin längst auch im Vereinigten Königreich tätig, gegen das Neuerungsverbot verstoße.

[14] Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, der in der Regel keine erhebliche Bedeutung zukommt (RS0042828; 4 Ob 242/19w).

[15] Die Ausführungen im außerordentlichen Revisionsrekurs bleiben im gegebenen Zusammenhang vage. Mit dem nicht weiter spezifizierten Hinweis auf umfangreiches Vorbringen zur Behinderung des Marktauftritts durch das Verhalten der Erstbeklagten und mit dem ebenfalls nicht näher begründeten Argument, die Erstbeklagte werde durch die Verwendung des Materials der Klägerin immer einen Vorteil erlangen, wenn die Klägerin Leistungen im Vereinigten Königreich und in Irland erbringen wolle, zeigt die Klägerin ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[16] 4. Den Schwerpunkt der Ausführungen im außerordentlichen Revisionsrekurs bilden die Überlegungen zum – von den Vorinstanzen verneinten – Wettbewerbsverhältnis. Dieser Frage kommt allerdings auch deshalb keine Bedeutung zu, weil das Rekursgericht das Vorliegen eines Behinderungswettbewerbs durch das Verwenden der fremden Materialien durch die Beklagte verneint hat.

[17] Bei Einwirkung auf fremde Sachmittel bzw bei Verwendung von solchen (in Verletzung eines Herausgabeanspruchs kraft Eigentums oder zur Eigentumsverschaffung) muss für einen unlauteren Behinderungswettbewerb zwischen der behindernden Wirkung des Eingriffs, möglichen Duldungspflichten des betroffenen Konkurrenten und der Zumutbarkeit eines weniger behindernden Verhaltens für den Störer abgewogen werden. Die Behinderung muss dabei ein wesentliches Motiv des Störers sein (vgl RS0112309; 4 Ob 242/02w), wobei für die Abwägung die Umstände des Einzelfalls maßgebend sind (RS0077524).

[18] Ungeachtet der Frage nach der Wirksamkeit des Besitzpfandrechts der Erstbeklagten war diese aufgrund des Service‑Agreements zur Nutzung der in ihrer Gewahrsame befindlichen Gleitschalungsheber berechtigt. Nach dem bescheinigten Sachverhalt wurde das Service‑Agreement trotz des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des S***** GmbH als Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht gekündigt. Mit ihren allgemein gehaltenen Ausführungen zeigt die Klägerin auch im gegebenen Zusammenhang nicht auf, aufgrund welcher besonderen Umstände das Rekursgericht von den dargelegten Grundsätzen abgewichen sein soll.

[19] 5. Mangels erheblicher Rechtsfrage war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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