European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E129641
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung werden zurückgewiesen.
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Einziehungserkenntnis aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Klagenfurt verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Elischa K* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG schuldig erkannt.
Danach hat er vom Juli 2019 bis zum 10. Jänner 2020 in K* und andernorts mit auf Tatbildverwirklichung in Teilmengen gerichtetem Vorsatz, der auch die kontinuierliche Tatbegehung über einen längeren Zeitraum und den daran geknüpften Additionseffekt umfasste, vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er in einer Vielzahl von Angriffen insgesamt 620 Gramm Heroin (enthaltend 87,42 Gramm Heroin-Base) sowie nicht festzustellende Mengen an Kokain (enthaltend Cocain), Cannabiskraut (enthaltend Delta‑9‑THC und THCA) und Ecstasy (enthaltend MDMA) an verschiedene Abnehmer verkaufte.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen wendet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Das Schöffengericht ging davon aus, dass der Angeklagte zusammen 1.000 Gramm Heroin (mit einem Wirkstoffgehalt von 14,1 % an Heroin-Base) von Gordana J* übernahm und insgesamt 620 Gramm (enthaltend 87,42 Gramm Reinsubstanz) davon in Teilmengen sukzessive verschiedenen Abnehmern verkaufte (US 2 f).
Soweit sich die Mängelrüge deutlich genug auf entscheidende Tatsachen (zum Begriff Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 391, 399; im gegebenen Zusammenhang 13 Os 78/17w) bezieht, strebt sie eine Reduktion der vom Beschwerdeführer überlassenen Quantität auf eine – die Qualifikationsgrenze des § 28a Abs 4 Z 3 SMG unterschreitende – Suchtgiftmenge von 220 Gramm Heroin (des unbekämpft konstatierten Reinheitsgrades) an.
Der (allein) behauptete Begründungsmangel der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) liegt nur dann vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS‑Justiz RS0099431 [T1]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 467 f).
Inhaltlich macht die Rüge dergleichen gar nicht geltend. Sie erschöpft sich vielmehr darin, Beweisergebnisse – insbesondere Aussagen der Zeugin J* zur Frage, in welchem Zeitraum und in welchen zeitlichen Abständen sie dem Beschwerdeführer jeweils welche Suchtgiftmengen überlassen hat (dazu US 3 f) – eigenständig zu bewerten und daraus ihrem Standpunkt günstigere Schlüsse zu ziehen als das Erstgericht. Damit wird bloß die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld bekämpft.
Gleiches gilt, soweit die Beschwerde – unter abschließender Berufung auf den Zweifelsgrundsatz – die tatrichterliche Beurteilung der Glaubhaftigkeit belastender Angaben der genannten Zeugin bezweifelt (RIS‑Justiz RS0102162 und RS0106588).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Mit der Berufung war ebenso zu verfahren, weil der Angeklagte weder bei deren Anmeldung noch in einer rechtzeitig überreichten Berufungsschrift (§ 294 Abs 2 zweiter Satz StPO) erklärt hat, ob er den Strafausspruch, das Konfiskationserkenntnis oder das Einziehungserkenntnis bekämpft (§ 296 Abs 2 StPO iVm § 294 Abs 4 StPO; RIS‑Justiz RS0100395 [insbesondere T2, T3] und RS0100042; Ratz, WK‑StPO § 294 Rz 10 und § 296 Rz 5).
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass das angefochtene Urteil im Einziehungserkenntnis mit nicht geltend gemachter materieller Nichtigkeit behaftet ist, die dem Angeklagten zum Nachteil gereicht und daher von Amts wegen aufzugreifen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).
„Gemäß § 34 SMG und § 26 Abs 1 StGB“ ordnete das Schöffengericht die Einziehung folgender Gegenstände an, bei denen es sich nach den Urteilsfeststellungen (US 3) um instrumenta sceleris handelt: „zwei Stück Tabletten mit Totenkopfprägung (gelb), ein Stück Papierbrief mit einer geringen Menge an weißem Pulver, eine Digitalwaage mit Suchtgiftanhaftungen und eine schwarze Handyschachtel mit einer größeren Anzahl von Steckkapseln“ (US 2).
Während § 34 SMG nur bei Suchtmitteln (§ 1 Abs 2 SMG) anwendbar ist, setzt die Einziehung nach § 26 Abs 1 StGB voraus, dass die vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit des betroffenen Gegenstands geboten ist, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen entgegenzuwirken, wobei das Wort „geboten“ die Deliktstauglichkeit des Gegenstands anspricht (RIS‑Justiz RS0121298). Ob es sich bei den „Tabletten“ und dem „weißen Pulver“ um Suchtmittel (§ 1 Abs 2 SMG) handelt, geht aus dem Ersturteil nicht hervor. Auf dessen Tatsachenbasis ist die Annahme einer (im dargestellten Sinn) „besondere[n] Beschaffenheit“ (US 6) dieser Gegenstände – wie auch des „Papierbrief[s]“, der „Handyschachtel“ und der „Steckkapseln“ – rechtlich verfehlt (Z 11 zweiter Fall; Ratz in WK2 StGB § 26 Rz 12 f, 18).
„Suchtgiftanhaftungen“ können ohne Weiteres entfernt werden (vgl 13 Os 43/08k). Dies (auf eigene Kosten) zu veranlassen hätte dem Berechtigten gemäß § 26 Abs 2 erster Satz StGB Gelegenheit gegeben werden müssen. Mangels diesbezüglicher Feststellungen ist der Ausspruch der Einziehung einer – per se keineswegs besonders deliktstauglichen (RIS‑Justiz RS0107294) – Digitalwaage mit Nichtigkeit aus Z 11 erster Fall belastet (RIS‑Justiz RS0121299 [T1, T2]).
Hinzugefügt sei, dass in Bezug auf diese Gegenstände – nach den Urteilsfeststellungen (US 3) – die in § 19a Abs 1 StGB normierten Voraussetzungen für eine Konfiskation erfüllt wären, deren Ausspruch jedoch zusätzlich eine Verhältnismäßigkeitsprüfung (§ 19 Abs 2 StGB) erfordert hätte.
Die aufgezeigten Rechtsfehler führten zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich (§ 285e StPO iVm § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).
Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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