Spruch:
A) Im Verfahren AZ 18 U 342/06a des Bezirksgerichts Linz verletzen
das Gesetz
1. das Urteil vom 14. November 2006 (ON 6)
a) im Schuldspruch 2 in § 27 Abs 1 SMG aF sowie in den Schuldsprüchen 5 und 6 in dem aus dem XX. Hauptstück der StPO aF abzuleitenden Grundsatz „ne bis in idem";
b) im Schuldspruch 3, soweit dieser realkonkurrierend neben dem Besitz von Speed auch denjenigen von Cannabisharz umfasst, in dem aus dem XX. Hauptstück der StPO aF abzuleitenden Grundsatz „ne bis in idem";
c) im Einziehungserkenntnis betreffend ein Klappmesser in § 34 SMG, § 26 Abs 1 StGB;
2. der zugleich mit diesem Urteil verkündete Beschluss auf Gewährung von Strafaufschub bis 15. November 2008 unter der Auflage, eine stationäre Therapie zu absolvieren, in § 39 Abs 3 SMG aF. Das Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 14. November 2006, GZ 18 U 342/06a-6, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in den Schuldsprüchen 2, 5 und 6 (zur Gänze) und im Schuldspruch 3, soweit er - tatmehrheitlich - auch den Besitz von Cannabisharz umfasst, sowie demzufolge auch im Strafausspruch - nicht aber im Einziehungserkenntnis - aufgehoben.
B) In Betreff des zu 4 ergangenen Schuldspruchs wird im
außerordentlichen Weg die Wiederaufnahme des Strafverfahrens verfügt und zugleich in der Sache selbst zu Recht erkannt:
Nicole R***** wird von der wider sie erhobenen Anklage, sie habe in Linz den bestehenden Vorschriften zuwider am 11. August 2003 „suchtgifthältige Medikamente der Marke Gewacalm 5 mg konsumiert", gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
C) Hinsichtlich der aufgehobenen Schuldsprüche und betreffend den Strafausspruch wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Linz verwiesen.
Text
Gründe:
Mit (gekürzt ausgefertigtem) Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 14. November 2006, GZ 18 U 342/06a-6, wurde Nicole R***** mehrerer Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und (zu 2 auch) zweiter Fall SMG aF schuldig erkannt.
Danach hat sie
„in Linz zu nachgenannten Zeiten den bestehenden Vorschriften zuwider
Suchtgift erworben und besessen, nämlich:
1. im Zeitraum vom 23. Mai 2005 bis 15. März 2006 unbekannte Mengen Cannabis konsumiert;
2. Mitte März im Lokal C***** von Dietmar L***** Suchtgift erworben und anschließend konsumiert;
3. am 8. August 2003 in der Hofgasse 0,3 Gramm Cannabisharz und Speed konsumiert;
4. am 11. August 2003 suchtgifthältige Medikamente der Marke Gewacalm 5 mg konsumiert;
- 5. am 11. Mai 2004 Cannabisharz besessen;
- 6. am 18. Mai 2004 Cannabisharz besessen."
Nicole R***** wurde hiefür nach § 27 Abs 1 SMG aF unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB sowie unter Bedachtnahme auf das Urteil des Bezirksgerichts Traun vom 12. Juni 2006, GZ 3 U 119/06z-11, zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von vier Wochen verurteilt.
Unter einem wurde ein Klappmesser mit Suchtgiftrückständen „gemäß § 34 SMG iVm § 26 Abs 1 StGB" eingezogen (S 67) und der Verurteilten, gestützt auf § 39 Abs 1 SMG aF, Strafaufschub bis 15. November 2008 unter der Auflage (Abs 3 leg cit) gewährt, „eine stationäre Drogenentzugstherapie zu beginnen" (S 71).
Nach der Aufforderung, „ehestens den Beginn der stationären Drogentherapie nachzuweisen", wurde der Strafaufschub mit Beschluss vom 18. Juni 2007 gemäß § 39 Abs 5 Z 1 SMG aF widerrufen (ON 10). Über eine dagegen erhobene Beschwerde wurde noch nicht entschieden.
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes im Ergebnis zutreffend ausführt, stehen das bezeichnete Urteil des Bezirksgerichts Linz in den Schuldsprüchen 2, 3, 5 und 6 (I./) sowie im Einziehungserkenntnis (II./) und der zugleich mit diesem Urteil gefasste Beschluss, mit dem der Verurteilten unter der erwähnten Auflage Strafaufschub gewährt wurde (III./), mit dem Gesetz nicht im Einklang, während der zu 4 ergangene Schuldspruch erheblichen Bedenken begegnet.
I./ Zu den Schuldsprüchen:
Mit Abwesenheitsurteil des Bezirksgerichts Traun vom 12. Juni 2006, GZ 3 U 119/06z-11, auf welches im Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 14. November 2006, GZ 18 U 342/06a-6, gemäß § 31 StGB Bedacht genommen wurde, wurde Nicole R***** des Vergehens (richtig: mehrerer Vergehen) nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG aF schuldig erkannt, weil sie in Linz unter anderem „in der Zeit von Anfang 2003 bis März 2005, am 4. April 2005, am 23. Mai 2005 und am 29. Jänner 2006" unbekannte Mengen Cannabis erworben und besessen hatte (Urteilspunkt 2.).
Der Schuldspruch 3 bezüglich ([vgl S 43, 55 in ON 5] tatmehrheitlich begangenem Erwerb und Besitz von) Cannabisharz und die Schuldsprüche 5 und 6 des Urteils des Bezirksgerichts Linz vom 14. November 2006, GZ 18 U 342/06a-6, sind demnach mit Blick auf Tatzeiten und Suchtgiftart vom bezeichneten Urteil des Bezirksgerichts Traun nicht in der von § 458 Abs 3 Z 1 iVm § 260 Abs 1 Z 1 StPO verlangten Weise derart abgegrenzt, dass eine Doppelverurteilung ausgeschlossen werden kann (Feststellungsmangel aufgrund des in der Hauptverhandlung vorgekommenen [vgl S 65] Urteils, GZ 3 U 119/06z-11 des Bezirksgerichts Traun [vgl 13 Os 109/07i, 110/07m, EvBl 2008/38] - wäre der Akt nicht vorgekommen, wäre der Fehler übrigens mit Wiederaufnahme zu beseitigen [§§ 353 Z 2, 362 StPO]), womit diesen Schuldsprüchen der aus dem XX. Hauptstück der StPO aF (nun 16. Hauptstück) abzuleitende Grundsatz „ne bis in idem", mithin das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache (vgl auch § 17 StPO; Art 4 des 7. ZPMRK) entgegensteht. Im Schuldspruch 2 fehlt überhaupt ein dem von § 27 Abs 1 SMG aF verwendeten Begriff „Suchtgift" subsumierbares Tatsachensubstrat (§ 458 Abs 3 Z 1 iVm § 260 Abs 1 Z 1 StPO).
Das im Schuldspruch 4 gegenständliche Medikament Gewacalm 5 mg enthält den (im Anhang zur Psychotropenverordnung BGBl II 375/1997 idgF unter Punkt 2. aufgelisteten) psychotropen Stoff „Diazepam". Erwerb und Besitz eines Arzneimittels, das einen psychotropen Stoff enthält, der die (bei „Diazepam" im Anhang zur Psychotropen-Grenzmengenverordnung, BGBl II 378/1997 idgF, mit 4 Gramm festgesetzte) Grenzmenge nicht übersteigt, waren gemäß § 30 Abs 1 iVm Abs 2 Z 1 SMG aF (vgl nun § 30 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 SMG idF BGBl I 110/2007) nur strafbar, wenn sie nicht für den eigenen Gebrauch oder den Bedarf eines Tieres erfolgten, wofür die Aktenlage keine Anhaltspunkte bietet. Insoweit war nach § 362 StPO vorzugehen.
II./ Zum Einziehungserkenntnis:
Ebenso verfehlt ist der Ausspruch über die Einziehung des Klappmessers mit Suchtgiftrückständen „gemäß § 34 SMG iVm § 26 Abs 1 StGB". Während § 34 SMG nur bei Einziehung von Suchtmitteln (§ 1 Abs 2 SMG) anwendbar ist, setzt die Einziehung nach § 26 Abs 1 StGB voraus, dass die vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit des betroffenen Gegenstandes geboten ist, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen entgegenzuwirken, wobei das Wort „geboten" die Deliktstauglichkeit des Gegenstandes direkt anspricht (RIS-Justiz RS0121298; Ratz in WK² § 26 Rz 6, 12). Eine solche Deliktstauglichkeit weist das in Rede stehende Klappmesser (das ohne sonstige besondere Eigenschaften nicht dem Waffenbegriff des § 1 WaffG subsumierbar ist; 11 Os 112/07s) nicht auf. Hinsichtlich der der Klinge anhaftenden Suchtgiftspuren fehlt ein das Erfordernis einer Deliktstauglichkeit tragender Zusatz, sodass insoweit ein Rechtsfehler mangels Feststellungen vorliegt (Ratz in WK2 § 26 Rz 18). Zwar wird ein solcher Zusatz von § 458 Abs 3 Z 1 StPO nicht verlangt, weil § 270 Abs 2 Z 4 StPO in Betreff des Sanktionsausspruchs nur die Anführung der Sanktion, anders als beim Schuldspruch nicht aber der diese tragenden entscheidenden Tatsachen verlangt. Liefert aber schon die (jedenfalls erforderliche; § 260 Abs 1 Z 3 StPO) Bezeichnung des eingezogenen Gegenstands konkrete Hinweise auf dessen mangelnde Deliktstauglichkeit oder sonstige der Einziehung entgegenstehende Tatumstände, bedarf es bei sonst zulässiger (hier wegen der Vernichtung des Messers unterlassener) Aufhebung dieses Erkenntnisteils aufgrund einer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde der entsprechenden Klarstellung. Bleibt anzumerken, dass die Suchtgiftspuren ohne weiteres zu entfernen gewesen wären, wozu der Beschuldigten - bei sonstiger Nichtigkeit aus Z 11 zweiter Fall des § 281 Abs 1 (§ 468 Abs 1 Z 4) StPO - aber hätte Gelegenheit gegeben werden müssen (Ratz in WK² § 26 Rz 15).
III./ Zum Strafaufschub:
§ 39 Abs 3 SMG aF ermöglichte dem Gericht, einen Strafaufschub nach § 39 Abs 1 SMG aF von der Bereitschaftserklärung des Verurteilten abhängig zu machen, sich einer im § 39 Abs 3 erster Satz SMG aF näher bestimmten gesundheitsbezogenen Maßnahme zu unterziehen. Zudem konnte das Gericht den Aufschub von der Bereitschaft des Verurteilten abhängig machen, in eine anerkannte Einrichtung oder Vereinigung stationär aufgenommen zu werden, und zwar dann, wenn dieser durch mindestens einen - mit Fragen des Suchtmittelmissbrauchs hinreichend vertrauten - Sachverständigen aus dem Gebiet der Psychiatrie oder klinischen Psychologie untersucht worden war. Die Bereitschaft des Verurteilten, eine stationäre Behandlung zu absolvieren, war demnach gesetzlich ebenso zwingend wie die Untersuchung durch einen iSd § 39 Abs 3 zweiter Satz SMG aF besonders qualifizierten Sachverständigen. Weder Bereitschaft noch Untersuchung aber sind dem Aufschubsbeschluss zu entnehmen (13 Os 86/07g, EvBl 2007/180).
Die Gesetzesverletzungen wurden gemäß § 292 letzter Satz StPO im aufgezeigten Umfang mit konkreter Wirkung verknüpft. Im nachfolgenden Rechtsgang wird in Betreff des Verfolgungshindernisses bereits entschiedener Sache zu beachten sein, dass sich Zweifel in Richtung der Missachtung des Gebots, also zu Gunsten der Verurteilten auswirken (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 268). Der zugleich mit dem Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 14. November 2006, GZ 18 U 342/06a-6, verkündete und von dessen Strafausspruch abhängige Beschluss auf Gewährung von Strafaufschub gilt damit gleichfalls als beseitigt (RIS-Justiz RS0100444).
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