OGH 13Os55/20t

OGH13Os55/20t16.9.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. September 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Pöttinger in der Strafsache gegen Michael R***** wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5. März 2020, GZ 56 Hv 115/19v‑15, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0130OS00055.20T.0916.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Michael R***** jeweils mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2013/116 (I) und der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (II) sowie Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (III) und der Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB (IV) schuldig erkannt.

Danach hat er in W***** seine am 19. September 2001 geborene Tochter M***** vom Oktober 2015 bis zum Sommer 2018 jeweils in einer Mehrzahl von Angriffen

(I) mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs und diesem gleichzusetzender Handlungen genötigt, indem er sie packte und festhielt, sich auf sie legte und trotz ihrer Gegenwehr (US 3) mit seinem Penis in ihre Scheide eindrang, teils überdies Oralverkehr an ihr vornahm, teils von ihr an sich vornehmen ließ, sowie

(II) außer den Fällen des § 201 StGB mit Gewalt zur Duldung geschlechtlicher Handlungen genötigt, indem er sie fest packte und an ihren entwickelten Brüsten saugte, ferner

(III) durch die zu I und II beschriebenen Taten geschlechtliche Handlungen mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person teils vorgenommen, teils von dieser an sich vornehmen lassen, und

(IV) durch den wiederholten, zu I beschriebenen Vaginalverkehr mit einer Person, die mit ihm in gerader Linie verwandt ist, den Beischlaf vollzogen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Vorangestellt sei, dass Freispruch oder Schuldspruch stets in Hinsicht auf eine Tat, also auf ein unter Anklage gestelltes historisches Geschehen, nicht auf dessen rechtliche Beurteilung ergehen. Daher ist ein Freispruch bloß von einer seitens des Anklägers für begründet erachteten rechtlichen Kategorie (sogenannter Subsumtions- oder Qualifikationsfreispruch) unzulässig (RIS-Justiz RS0115553, RS0120128, RS0091051; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 563; Lendl , WK-StPO § 259 Rz 1).

Im Zweifel zugunsten des Angeklagten (US 5, 9) ging das Schöffengericht davon aus, dass dieser alle vom – insoweit anklagedifformen (vgl ON 14 S 14 f) – Schuldspruch umfassten Taten „ab Oktober 2015“ (US 3), somit nach Vollendung des 14. Lebensjahres des Opfers (§ 74 Abs 1 Z 1 StGB), begangen hat (vgl RIS-Justiz RS0131758). Demgemäß erachtete es durch die (jeweils mehreren, pauschal individualisierten gleichartigen [dazu RIS-Justiz RS0117436]) Taten laut Schuldspruch I jeweils § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2013/116, § 212 Abs 1 Z 1 StGB und § 211 Abs 1 StGB, nicht aber § 206 Abs 1 StGB, und laut Schuldspruch II jeweils § 202 Abs 1 StGB und § 212 Abs 1 Z 1 StGB, nicht aber § 207 Abs 1 StGB als begründet (US 2, 9).

Weshalb der Beschwerdeführer dennoch „von den wider ihm erhobenen Anschuldigungen des § 206 Abs. 1 StGB und § 207 Abs. 1 StGB gem. § 259 Z 3 StPO freizusprechen“ gewesen wäre, leitet die Beschwerde nicht aus dem Gesetz ab.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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