European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0150OS00091.20A.0902.000
Spruch:
E***** P***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.
Gründe:
E***** P***** wurde – soweit hier relevant – mit nicht rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 30. Juni 2020, GZ 24 Hv 56/20x-25, des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 2 Z 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.
Nach dem Schuldspruch hat er zwischen 14. und 16. Mai 2020 in S***** fremde bewegliche Sachen in nicht näher bekanntem, 5.000 Euro nicht übersteigendem Wert H***** und U***** K***** mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, durch Einbruch in eine Wohnstätte weggenommen, indem er zwei am Fensterbrett des südseitig und ebenerdig gelegenen Fensters des von H***** und U***** K***** genutzten Wochenendhauses des Dr. N***** K***** an der Außenseite angebrachte Vogelgitter herunterriss, das Fenster mit einem Stemmeisen aufbrach und ins Haus einstieg und einen Möbeltresor, den er mit dem Stemmeisen aus dem Kleiderschrank herausbrach, drei Flaschen Weinbrand eine Dose Bier, eine Bettdecke, drei Leintücher, einen Polster und eine Auflage für eine Sonnenliege in jeweils unbekanntem Wert an sich nahm.
Rechtliche Beurteilung
Mit dem angefochtenen Beschluss (nach Umjournalisierung abweichend vom Vorlagebericht [ON 38] nunmehr ON 34) gab das Oberlandesgericht Graz einer Beschwerde des Angeklagten gegen den vom Landesgericht für Strafsachen Graz am 15. Juli 2020 gefassten Beschluss auf Fortsetzung der am 19. Mai 2020 (ON 5) verhängten Untersuchungshaft nicht Folge (ON 30). Es sprach seinerseits (wie schon das Erstgericht) aus, dass die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b und c StPO fortgesetzt werde.
Hinsichtlich des dringenden Tatverdachts verwies das Beschwerdegericht (wie schon das Erstgericht) auf die am 30. Juni 2020 (ON 25) erfolgte – wenn auch noch nicht rechtskräftige – erstinstanzliche Verurteilung. Gegen diesen Beschluss des Oberlandesgerichts (ON 34) richtet sich die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten (ON 36), die ihr Ziel verfehlt.
Die Dringlichkeit des Tatverdachts ist ab Fällung des Urteils erster Instanz im Grundrechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr zu überprüfen. Die Beurteilung, ob dieses Urteil (ON 25) mit formellen oder materiellen Mängeln behaftet ist und inwieweit Einwände dagegen berechtigt sind, bleibt der Entscheidung im Verfahren über Rechtsmittel gegen das Urteil vorbehalten. Auf Einwendungen gegen den dringenden Tatverdacht war daher nicht weiter einzugehen (vgl RIS‑Justiz RS0061112).
Im Rahmen des Grundrechtsbeschwerde-verfahrens überprüft der Oberste Gerichtshof die rechtliche Annahme der in § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahr (Prognoseentscheidung) darauf, ob sich diese angesichts der vom Beschwerdegericht herangezogenen bestimmten Tatsachen als willkürlich, mit anderen Worten als nicht oder nur offenbar unzureichend begründet darstellt (RIS-Justiz RS0117806).
Seine Einschätzung, der Angeklagte werde auf freiem Fuß ungeachtet des gegen ihn geführten Strafverfahrens weiterhin strafbare Handlungen (jedenfalls mit nicht bloß leichten Folgen) gegen fremdes Vermögen begehen, stützte das Oberlandesgericht auf das getrübte Vorleben des bereits mehrfach einschlägig (ua wegen Diebstahls, Einbruchsdiebstahls und Brandstiftung; ON 34 S 3 iVm ON 23 und ON 25 S 3) vorbestraften Angeklagten, den Rückfall unmittelbar nach der Haftentlassung am 14. Mai 2020 und das Fortbestehen der prekären wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten. Damit hat es bestimmte Tatsachen angeführt, die nach den Kriterien folgerichtigen Denkens und allgemeinen Erfahrungssätzen geeignet sind, die daraus abgeleitete Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b und c StPO zu tragen.
Angesichts der Schwere des maßgeblichen (nämlich des vom Oberlandesgericht auf Basis des Urteils inkriminierten und nicht des vom Angeklagten – gestützt auf eigenständige Beweiswürdigung – angestrebten) Tatvorwurfs und der in erster Instanz verhängten Strafe ist auch der vom Oberlandesgericht gezogene Schluss auf die Verhältnismäßigkeit der im Beschlusszeitpunkt erst rund zweieinhalb Monate dauernden Untersuchungshaft nicht zu beanstanden (vgl RIS-Justiz RS0091237 [T5]).
Mit der Berufung auf die Verantwortung des Angeklagten, auf eine (behauptete) Ausnahmesituation zur Tatzeit, auf das Einverständnis des Angeklagten zu einer „anderen Wohnsitzzuweisung“ und auf dessen Versprechen, „sich in Zukunft an jede Weisungen und Regeln zu halten“, vermag die Beschwerde keine Grundrechtsverletzung durch das Oberlandesgericht aufzuzeigen, welches angesichts der Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten und der Wirkungslosigkeit einer bereits anlässlich der bedingten Entlassung aus einem Maßnahmenvollzug angeordneten Bewährungshilfe davon ausgegangen war, dass allfällige „Auflagen und Regeln“ nicht geeignet wären, die Tatbegehungsgefahr hintanzuhalten.
Der Beschwerdeführer wurde demnach durch den angefochtenen Beschluss im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb seine Beschwerde ohne Kostenzuspruch abzuweisen war (§ 8 GRBG).
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