European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0110OS00077.20P.0819.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte M***** des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB (A./) und des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB idF vor BGBl I 2019/105 (B./) schuldig erkannt.
Danach hat er – verkürzt wiedergegeben – am 30. März 2018 in U*****
A./ mit einer unmündigen Person, nämlich der am ***** 2006 geborenen S***** den Beischlaf und dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er von ihr Oralverkehr an sich vornehmen ließ und sodann mit dem Penis vaginal in sie eindrang, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) des Opfers, nämlich eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung in Gestalt einer posttraumatischen Belastungsstörung, zur Folge hatte;
B./ S***** mit Gewalt, indem er sie an den Haaren zog, am Kopf packte und mit seinem Körpergewicht fixierte, zur Vornahme des Oralverkehrs und Duldung des Beischlafs genötigt.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Die Behauptung der Mängelrüge (Z 5), es wäre dem Urteil nicht deutlich zu entnehmen, „welche entscheidenden Tatsachen zur Qualifikation der schweren Körperverletzung als erwiesen angenommen“ worden seien und „aus welchen Erwägungen diese Intensivierung eine schwere Körperverletzung begründen“ sollte, orientiert sich nicht an den Bezug habenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen (US 5, 8 f) und verfehlt demgemäß die prozessordnungskonforme Ausführung (RIS‑Justiz RS0119370, RS0116504).
Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie sie die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt – wird dadurch nicht eröffnet (RIS-Justiz RS0119583).
Indem die Beschwerde bloß nach Maßgabe eigener Beweiswerterwägungen die vom Erstgericht dem Opfer attestierte Glaubhaftigkeit unter Verweis auf dessen – von den Tatrichtern ohnedies gewürdigtes (US 8) – Auftreten in sozialen Medien und eigenen Schlüssen zur Realitätsbezogenheit bezweifelt und argumentiert, es wäre „wohl denkunmöglich …, dass eine männliche Person reiferen Alters … kurz nach einer Ejakulation eine Erektion zustande bringt, welche ihm eine Penetration einer jungfräulichen Person weiblichen Geschlechts ermöglicht“, weswegen insgesamt „das Erstgericht bei mangelfreier Beweiswürdigung den Angaben des Angeklagten hätte folgen müssen“, verfehlt sie die dargelegten Anfechtungsvoraussetzungen.
Die prozessordnungsgemäße Geltendmachung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes erfordert striktes Festhalten an den tatsächlich getroffenen Urteilskonstatierungen in ihrer Gesamtheit und die auf dieser Grundlage zu führende Darlegung, dass dem Gericht bei Beurteilung des Urteilssachverhalts ein Rechtsirrtum unterlaufen ist. Demgemäß liegt keine prozessordnungsgemäße Darstellung eines derartigen Beschwerdegrundes vor, wenn eine im Urteil konstatierte Tatsache bestritten oder übergangen oder aber ein nicht festgestellter Umstand als gegeben angenommen wird (RIS‑Justiz RS0099810).
Die Subsumtionsrüge (Z 10) behauptet, die den Gegenstand der Schuldsprüche I./ und II./ bildenden, zum Nachteil ein und desselben Opfers verübten Taten seien „in kurzer zeitlicher Abfolge“ erfolgt und von „einem Gesamtvorsatz getragen“ gewesen, daher als ein „fortgesetztes Delikt“ und „dementsprechend als eine tatbestandliche Handlungseinheit“ anzusehen, weshalb das Erstgericht „ausschließlich eine Tat“ und „nicht zwei verschiedene Verbrechen“ verurteilen hätte dürfen. Solcherart legt sie nicht dar, weshalb eine Tat (= Handlung) nicht mehrere strafbare Handlungen begründen sollte (zu Idealkonkurrenz vgl Ratz, WK2 StGB Vor §§ 28–31 Rz 11). Im Übrigen bleibt unklar, weshalb eine in strafgesetzwidriger Weise erfolgte Überwindung des Widerstands einer Unmündigen gegen den geschlechtlichen Missbrauch nicht als hinzutretende Verletzung der freien Selbstbestimmung gesondert nach dem hiefür in Betracht kommenden Tatbestand zu beurteilen sein sollte, somit aufgrund der Verschiedenartigkeit der betroffenen Rechtsgüter nicht echte Idealkonkurrenz von Beischlaf mit Unmündigen (§ 206 StGB) und Vergewaltigung (§ 201 StGB) anzunehmen sei (vgl RIS‑Justiz RS0095581, RS0095615; Philipp in WK² StGB § 201 Rz 50, § 206 Rz 32).
Das weitere Vorbringen, aufgrund einer bereits vor der Tat vorliegenden posttraumatischen Belastungsstörung sei lediglich von einer Verstärkung derselben auszugehen, die „nicht den Kriterien einer schweren Körperverletzung“ entspräche, übergeht die anderslautenden Urteilskonstatierungen (US 5, 8 f), wonach zur bestehenden psychischen Beeinträchtigung intensiviertes selbstverletzendes Verhalten durch „blutig ritzen“ sowie verstärkte Konzentrationsstörungen, negative Gefühle und Gedanken, Essstörungen mit bulimischen Essattacken und selbst induziertes Erbrechen und insbesondere erstmals eine depressive Symptomatik hinzutraten. Auf Basis dieser Urteilsannahmen leitet der Beschwerdeführer prozessordnungswidrig weder aus dem Gesetz ab (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 588), weshalb nicht bereits (alleine) die hinzugetretene, durch die Tat ausgelöste Depression einen pathologischen Wert im Sinn einer schweren Gesundheitsschädigung erreichen sollte (Philipp in WK² § 201 Rz 30, § 206 Rz 15), noch, weshalb die konstatierten zusätzlichen Schädigungen (insgesamt) nicht für die strafrechtliche Zuordnung des Verhaltens für den Erfolg in seiner konkreten Ausprägung ausreichen sollten (RIS‑Justiz RS0091997, RS0089343).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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