OGH 12Os49/20b

OGH12Os49/20b22.7.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Juli 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Supp in der Strafsache gegen Miki S***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 20. November 2019, GZ 38 Hv 47/19d‑50, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Oberstaatsanwalt Dr. Santeler und des Verteidigers Dr. Philipp, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0120OS00049.20B.0722.000

 

Spruch:

 

Das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 20. November 2019, GZ 38 Hv 47/19d‑50, verletzt das Gesetz in § 148 zweiter Fall StGB.

Das genannte Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in der rechtlichen Unterstellung der angelasteten Taten (auch) nach § 148 zweiter Fall StGB, demgemäß auch in der zum Schuldspruch gebildeten Subsumtionseinheit sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.

Der Angeklagte wird mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 20. November 2019, GZ 38 Hv 47/19d‑50, das auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche und ein unbekämpft gebliebenes Adhäsionserkenntnis enthält, wurde Miki S***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Nachgenannte „gewerbsmäßig (§ 70 StGB)“ durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die diese am Vermögen schädigten, wobei er bei den einzelnen Angriffen überwiegend einen 5.000 Euro, insgesamt jedoch 300.000 Euro nicht übersteigenden Schaden herbeiführte und herbeizuführen beabsichtigte, und zwar

A./ am 5. Juni 2012 in V***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einer Mittäterin Verfügungsberechtigten der E***** GmbH durch die Vorspiegelung, ein redlicher Vertragspartner zu sein, insbesondere die von ihm als Darlehensnehmer zu leistenden Raten vertragsgemäß zu bedienen und mit dem zur Besicherung des Darlehens belehnten Pkw Audi A6 vertragskonform zu disponieren, zur Auszahlung eines Darlehensbetrags von 6.500 Euro;

B./ von Februar 2012 bis zum 15. August 2016 in O***** und an anderen Orten „in oftmals wiederholten Angriffen“ DI Alfred S***** durch die Vorspiegelung seiner Redlichkeit als Geschäftspartner und seiner Rückzahlungsbereitschaft und -fähigkeit als Darlehensnehmer sowie durch die tatsachenwidrige Behauptung diverser Notlagen und Investitionsgelegenheiten im Immobilien- und Kfz-Sektor zur Übergabe von insgesamt 240.000 Euro.

Nach den in Ansehung der gewerbsmäßigen Begehungsweise getroffenen Feststellungen lieh sich der Angeklagte von Februar 2012 bis 15. August 2016 – somit in einem Zeitraum von rund viereinhalb Jahren – „in oftmals wiederholten Angriffen“ von DI S***** „Bargeldbeträge von überwiegend mehr als 5.000 Euro pro Angriff“ aus und tätigte „zunächst zumindest teilweise“ Rückzahlungen. Solcherart gelang es ihm, DI S***** zur Übergabe und Überweisung von insgesamt 350.000 Euro zu veranlassen, wovon er „nur mehr 110.000 Euro zurückzahlte“. Dabei kam es dem Angeklagten darauf an, sich durch die wiederkehrende Begehung von Betrügereien „mit einem pro Angriff überwiegend auch 5.000 Euro übersteigenden Schaden über einen längeren Zeitraum, nämlich mehrere Jahre hindurch, eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen“ (US 3 f iVm US 1 f).

Der Angeklagte bekämpft (nur) den Strafausspruch dieses Urteils mit Berufung (ON 52 und 56). Über diese hat das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht (AZ 32 Bs 40/20x) bisher nicht entschieden.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht das obangeführte Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt im Umfang der rechtlichen Unterstellung der Taten (auch) nach § 148 zweiter Fall StGB mit dem Gesetz nicht in Einklang.

Die Qualifikation des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach § 148 zweiter Fall StGB verlangt nach § 70 Abs 1 StGB (in der – entsprechend dem nach §§ 1, 61 StGB anzustellenden Günstigkeitsvergleich auch auf vor dem 1. Jänner 2016 gesetztes Verhalten anzuwendenden – Fassung BGBl I 2015/112), dass der Täter die Absicht hat, sich durch die wiederkehrende Begehung von schwerem Betrug nach § 147 Abs 1 bis 2 StGB längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, das nach einer jährlichen Durchschnittsbetrachtung monatlich den Betrag von 400 Euro übersteigt (§ 70 Abs 2 StGB).

Darüber hinaus muss der Täter bei der Tatbegehung entweder unter Einsatz besonderer Fähigkeiten oder Mittel handeln, die eine wiederkehrende Begehung nahelegen (§ 70 Abs 1 Z 1 StGB), oder zwei weitere „solche Taten“ (im Kontext des § 148 zweiter Fall StGB: schweren Betrug iSd § 147 [Abs 1 bis 2] StGB; vgl RIS‑Justiz RS0130850, RS0130965) schon im Einzelnen geplant haben (§ 70 Abs 1 Z 2 StGB) oder bereits (und zwar innerhalb der in § 70 Abs 3 StGB genannten Zeitspanne von einem Jahr [abzüglich Zeiten behördlicher Anhaltung]) zwei „solche Taten“ begangen haben oder einmal wegen einer „solchen Tat“ verurteilt worden sein (§ 70 Abs 1 Z 3 StGB).

Den dargestellten Erfordernissen entsprechende Sachverhaltsannahmen sind den Entscheidungsgründen (US 3 f) samt dem zur Verdeutlichung heranzuziehenden Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO; US 1 f; vgl RIS‑Justiz RS0114639) nicht zu entnehmen.

Das Urteil enthält somit keine hinreichende Sachverhaltsgrundlage für die Subsumtion (auch) unter § 148 zweiter Fall StGB.

Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen wirkt zum Nachteil des Angeklagten. Der Oberste Gerichtshof sah sich daher veranlasst, die Feststellung der daraus resultierenden Gesetzesverletzung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verbinden (§ 292 letzter Satz StPO).

Die Berufung des Angeklagten ist damit gegenstandslos.

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