OGH 2Ob28/20m

OGH2Ob28/20m29.6.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** W*****, vertreten durch Mag. Klaus Fürlinger und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei M***** S*****, vertreten durch die MUSEY rechtsanwalt gmbH in Salzburg, wegen 17.800 EUR sA und Feststellung (Streitwert 4.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 10. Jänner 2020, GZ 12 R 175/19i‑45, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00028.20M.0629.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Nach ständiger Judikatur ist ein von der Bestimmung des § 333 ASVG erfasster Dienstgeber grundsätzlich auch derjenige, in dessen Betrieb der Verletzte wie ein Arbeitnehmer eingegliedert war (RS0119378). Ein Verhältnis persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit ist keine Voraussetzung für die Qualifizierung als betriebliche Tätigkeit (RS0084172). Selbst derjenige, der unaufgefordert und ohne vorherige Absprache aus eigenem Entschluss helfend eingreift, kann als eingegliedert angesehen werden, soweit er im ausdrücklich oder stillschweigend zum Ausdruck kommenden oder nach der Sachlage zu vermutenden Einverständnis des Unternehmers handelt und zumindest bereit ist, nach den den Arbeitsvorgang bestimmenden Weisungen des Unternehmers, in dessen Interessen die Tätigkeit ausgeübt wird, zu handeln (RS0084209 [T4]).

2. Hält so zum Beispiel der Eigentümer eines Mopeds dieses während der Vornahme von Schweißarbeiten, gehört dies nicht mehr zum üblichen Tätigkeitsbereich eines Mopedbesitzers und ist wegen Einordnung in den Aufgabenbereich des Werkstätteninhabers § 333 Abs 1 ASVG ebenso anwendbar (2 Ob 40/79), wie im Falle der Verletzung eines Landwirts im Zuge des unaufgeforderten Festhaltens eines von einem Tierarzt behandelten unruhigen Pferdes aus bloßer Gefälligkeit (3 Ob 172/97h) oder beim Sturz eines Schifahrers, der auf Ersuchen den defekten Bügel eines Schlepplifts ins Tal befördern wollte (2 Ob 300/68).

Dagegen fehlt es etwa beim bloßen Bewegen eines Tores an einem Minimum an arbeitnehmerähnlicher, betrieblicher spezifischer Tätigkeit und damit an einem inneren ursächlichen Zusammenhang mit einem Unternehmen (2 Ob 243/14w).

3. Ob von der Eingliederung in einen fremden Betrieb auszugehen ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des konkreten Einzelfalls und begründet daher insoweit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0084209 [T9]).

4. Im vorliegenden Fall überlegte die Klägerin zum Unfallzeitpunkt, eine Ausbildung zur Hochtoureninstruktorin zu machen, und war deshalb froh, mit einem erfahrenen Bergführer, wie dem Beklagten, der eine Gruppe am Gletscher führte, unentgeltlich mitgehen zu dürfen, um Erfahrung zu sammeln. Bei der Überquerung eines Gletscherbaches übernahm sie zur zusätzlichen Sicherung eines Gruppenmitglieds vom Beklagten das Seil eines „Seilgeländers“, wobei er ihr erklärte, wie sie es zu halten habe, und dass sie es im Falle eines Sturzgeschehens loslassen solle, um nicht in den Gletscherbach gezogen zu werden. Der Beklagte sicherte selbst das andere Ende des Seils. Beim Sturz eines Gruppenmitglieds befolgte die Klägerin die Anweisung nicht und wurde in den Bach gezogen, wobei sie sich verletzte.

Entgegen der Ansicht der Klägerin fand kein typisches arbeitsteiliges Zusammenarbeiten innerhalb einer Bergsteigergruppe statt, sondern es erfolgte die Seilsicherung für eine Kundin des Beklagten. Die Streitteile übten anlässlich des Unfalls eine geradezu typische Aufgabe im Rahmen der Bergführertätigkeit des Beklagten aus, nämlich die Unterstützung einer alpinistisch unerfahrenen Person bei der Bewältigung einer Gefahrenstelle. Dass die Klägerin diese Tätigkeit nicht selbständig ausführte, sondern den Beklagten unterstützte, spricht entgegen den Ausführungen in der Revision gerade für ihre Eingliederung in dessen Betrieb.

5. Bei dieser Sachlage lässt die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin sei in den Betrieb des Beklagten eingegliedert gewesen, keine Fehlbeurteilung des Einzelfalls erkennen. Die Revision ist daher mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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