OGH 25Ds2/19i

OGH25Ds2/19i8.6.2020

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 8. Juni 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Niederleitner und Mag. Dorn sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf in Gegenwart des Schriftführers Bodinger in der Disziplinarsache gegen ***** und *****, Rechtsanwälte in F*****, wegen der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Berufungen der Beschuldigten wegen Schuld und Strafe gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer für Kärnten vom 26. Juni 2019, AZ D 18/17, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Leitner, des Kammeranwalts Dr. Tschurtschenthaler sowie des Verteidigers Dr. Doralt, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0250DS00002.19I.0608.000

 

Spruch:

 

Aus Anlass der Berufungen wird das angefochtene Erkenntnis – das im Übrigen unberührt bleibt – im schuldig sprechenden Teil sowie im Strafausspruch aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:

***** und ***** werden von dem weder sie erhobenen Vorwurf, sie hätten dadurch gegen § 10 Abs 5 RAO verstoßen, dass sie im August 2017 in F***** in einer Zeitungsannonce den (falschen) Eindruck erweckten, gemeinsam eine Rechtsanwalts GmbH („Rechtsanwaltskanzlei *****–GmbH“) zu betreiben, gemäß § 38 Abs 1 erster Fall iVm § 54 Abs 3 DSt freigesprochen.

Mit ihren Berufungen werden die Beschuldigten auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis, welches auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch beider Beschuldigten von einem weiteren Vorwurf enthält, wurden ***** und ***** jeweils der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt und zur Disziplinarstrafe des schriftlichen Verweises (§ 16 Abs 1 Z 1 DSt) verurteilt.

Danach haben sie (zu ergänzen: im August 2017 in F*****) in einer Zeitungsannonce den (zu ergänzen: falschen) Eindruck erweckt, gemeinsam eine Rechtsanwalts GmbH (die „Rechtsanwaltskanzlei *****-GmbH“) zu betreiben.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich die im Wesentlichen inhaltsgleichen Berufungen der Beschuldigten wegen Schuld und Strafe (§ 49 letzter Satz DSt).

Aus deren Anlass war von Amts wegen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) eine dem Erkenntnis anhaftende Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO wahrzunehmen.

Nach den Feststellungen ist der Beschuldigte ***** als niedergelassener Europäischer Rechtsanwalt mit Sitz in F***** eingetragen. Weiters betreibt er als Geschäftsführer eine in Slowenien in Form der ***** d.o.o. (Anmerkung: hiebei handelt es sich um die Kurzbezeichnung für eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach slowenischem Recht) ansässige Rechtsanwaltsgesellschaft, welche auch über eine – ihrerseits in die Liste der niedergelassenen Europäischen Rechtsanwälte eingetragene – Niederlassung in F***** verfügt. Der Beschuldigte ***** ist leitender Anwalt „bzw Zweigstellenleiter“ dieser Filiale (ES 3), welche ihren Sitz am Kanzleisitz des Erstbeschuldigten hat (vgl ES 1).

Beide Beschuldigten schalteten gemeinsame Inserate zum Thema „Reiselust statt Reisefrust“. Diese beinhalteten unter anderem den Hinweis „Die Rechtsanwälte der Rechtsanwaltskanzlei *****-GmbH beraten Sie diesbezüglich gerne und kostenlos …“ (ES 3 f) und vermittelten damit gegenüber „einem größeren Adressatenkreis“ den Eindruck, die beiden Beschuldigten würden gemeinsam die Rechtsanwaltskanzlei *****-GmbH betreiben, obwohl keine GmbH dieses Namens, sondern eine Zweigniederlassung einer slowenischen Rechtsanwaltsgesellschaft bestand (ES 5).

Gemäß § 10 Abs 5 RAO ist dem Rechtsanwalt Werbung (nur) insoweit gestattet, als sie über seine berufliche Tätigkeit wahr und sachlich informiert und mit seinen Berufspflichten in Einklang steht. Eine wahre Information wäre im gegebenen Zusammenhang die korrekte Bezeichnung der Rechtsanwaltsgesellschaft in ihrer slowenischen Rechtsform gewesen (vgl dazu § 16 Abs 2 zweiter Satz EIRAG).

Nach § 3 DSt ist ein Disziplinarvergehen nicht zu verfolgen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und sein Verhalten keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat.

Hiebei hat die bei der vorzunehmenden Schuldgewichtung anzustellende Prüfung hypothetischer Strafzumessungsgründe entsprechend den Grundsätzen der §§ 32 ff StGB zu erfolgen (28 Ds 6/18y). Maßgeblich sind der Handlungsunwert und ein allfälliger Gesinnungsunwert, wobei die – stets anhand der Umstände des Einzelfalls zu gewichtende (RIS-Justiz RS0101393 [T4]) – Schuld sowohl absolut als auch im Vergleich zu typischen Fällen der Deliktsverwirklichung geringfügig sein muss (vgl Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 § 3 DSt Rz 5; RIS‑Justiz RS0089974, RS0056585).

Beiden Beschuldigten kommt ihre im Tatsächlichen geständige Verantwortung – und ***** zusätzlich seine (disziplinarrechtliche) Unbescholtenheit – zugute und es fällt ihnen kein Erschwerungsgrund zur Last. Im Hinblick darauf, dass der durch die Annonce vermittelte Eindruck, sie würden gemeinsam die Rechtsanwaltskanzlei *****-GmbH betreiben, vom festgestellten tatsächlichen Zustand nur geringfügig abweicht, und weil eine vorsätzliche Tatbegehung nicht konstatiert wurde, bleibt der Unwert der Tat erheblich hinter jenem typischer Fälle einer iSd § 10 Abs 5 RAO unzulässigen Werbung zurück, sodass bloß geringfügiges Verschulden vorliegt.

Die Folgen der vorliegenden Tathandlung beschränkten sich auf die bloße Kenntnisnahme der Inserate durch Dritte und den – eben beschriebenen – dadurch vermittelten Eindruck, weshalb sie als unbedeutend anzusehen sind.

Nach Lage des Falles sind daher alle Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 3 DSt erfüllt.

Es war daher das angefochtene Erkenntnis im schuldig sprechenden Teil und im Strafausspruch aufzuheben und mit Freispruch vorzugehen.

Mit ihren Berufungen waren die Beschuldigten auf diese Entscheidung zu verweisen.

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