OGH 15Os92/19x

OGH15Os92/19x5.6.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Juni 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Walter als Schriftführerin in der Straf‑ und Medienrechtssache des Privatanklägers und Antragstellers M* M* gegen den Angeklagten und Antragsgegner DDr. M* B* sowie den belangten Verband und Antragsgegner V* wegen Vergehen der Beleidigung nach § 115 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen sowie wegen § 6 Abs 1 MedienG, AZ 62 Hv 2/17f (52 Hv 104/18h) des Landesgerichts Salzburg, über die von der Generalprokuratur gegen die Urteile des Landesgerichts Salzburg vom 22. September 2017, GZ 62 Hv 2/17f‑60, und vom 12. Juni 2019, GZ 52 Hv 104/18h‑102, und des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 5. September 2018, AZ 10 Bs 85/18y, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes sowie über die Anträge des DDr. M* B* und des V* auf Verfahrenserneuerung gemäß § 363a StPO per analogiam nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wachberger, sowie des Privatanklägers und Antragstellers M* M*, seines Vertreters Dr. Schaffgotsch, des Angeklagten und Auftragsgegners DDr. M* B* sowie seiner Vertreterin und jener des V* Dr. Windhager zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E128379

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

In der Straf- und Medienrechtssache des Privatanklägers und Antragstellers M* M* gegen den Angeklagten und Antragsgegner DDr. M* B* sowie den belangten Verband und Antragsgegner V* verletzen

1./ das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 22. September 2017, GZ 62 Hv 2/17f‑60, § 6 Abs 1 MedienG iVm §§ 111 Abs 1 und Abs 2, 115 Abs 1 StGB sowie §§ 8 Abs 1 und 34 Abs 1 MedienG;

2./ das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 5. September 2018, AZ 10 Bs 85/18y, § 6 Abs 1 MedienG iVm §§ 111 Abs 1 und Abs 2, 115 Abs 1 StGB, § 34 Abs 1 MedienG sowie §§ 489 Abs 1 iVm 471, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO iVm § 281 Abs 1 Z 11 StPO;

3./ das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 12. Juni 2019, GZ 52 Hv 104/18h‑102, §§ 111 Abs 1 und Abs 2, 115 Abs 1 StGB.

Es werden

1./ das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 22. September 2017, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Aussprüchen

a./ der Verpflichtung des DDr. M* B* und des V* zur Urteilsveröffentlichung nach § 34 Abs 1 MedienG,

b./ der Verpflichtung des DDr. M* B* und des V* zur Zahlung von Entschädigungen nach § 6 Abs 1 MedienG;

2./ das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 5. September 2018, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Aussprüchen der Verpflichtung des DDr. M* B* und des V* zur Zahlung von Entschädigungen nach § 6 Abs 1 MedienG

aufgehoben und in diesem Umfang eine neue Verhandlung und Entscheidung angeordnet.

Mit ihren Anträgen auf Erneuerung des Verfahrens gemäß § 363a StPO per analogiam werden DDr. M* B* und der V* auf diese Entscheidung verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

 

Gründe:

I./a./ In der Straf- und Medienrechtssache des Privatanklägers und Antragstellers M*M* (im Folgenden kurz Privatankläger) gegen den Angeklagten und Antragsgegner DDr. M* B* (im Folgenden kurz Angeklagter) sowie den belangten Verband und Antragsgegner (im Folgenden kurz belangter Verband)V* wegen Vergehen der Beleidigung nach § 115 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen sowie § 6 Abs 1 MedienG hat das Landesgericht Salzburg – soweit im Folgenden von Bedeutung – mit (auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche und Antragsabweisungen enthaltendem) Urteil vom 22. September 2017, GZ 62 Hv 2/17f‑60, DDr. M* B* als Medieninhaber des „Gästebuchs“ seiner auf „M* B*“ lautenden Facebook‑Seite und seines Internetblogs w* nach § 6 Abs 1 MedienG in 95 Fällen zu einer Entschädigung von je 400 Euro sowie– uneingeschränkt – nach „§ 34 Abs 1 und Abs 5 MedienG“ zur Urteilsveröffentlichung auf seiner Facebook‑Seite verurteilt, weil auf den genannten Seiten jeweils den objektiven Tatbestand der Beleidigung nach § 115 StGB oder der üblen Nachrede nach § 111 StGB zum Nachteil des Privatanklägers herstellende – im Volltext wiedergegebene – Postings Dritter nicht rechtzeitig gelöscht bzw von ihm selbst derartige Postings wiederveröffentlicht wurden (II./1./ bis 95./).

Unter einem wurde der V* als Medieninhaber des „Gästebuchs“ seiner auf „Vg*“ lautenden Facebook‑Seite und seiner Homepage „vg*“ nach § 6 Abs 1 MedienG in sechs Fällen zur Zahlung einer Entschädigung von je 400 Euro sowie– ebenfalls uneingeschränkt – nach „§ 34 Abs 1 und Abs 5 MedienG“ zur Urteilsveröffentlichung auf seiner Facebook‑Seite verpflichtet, weil auf den genannten Seiten jeweils den objektiven Tatbestand der Beleidigung nach § 115 StGB zum Nachteil des Privatanklägers herstellende – im Volltext wiedergegebene – Postings Dritter nicht rechtzeitig gelöscht wurden bzw er selbst ein Posting auf seiner Homepage veröffentlichte (III./1./ bis 6./).

Nach den wesentlichen Feststellungen verfügt der Angeklagte über keinen eigenen Facebook-Account (also kein eigenes Benutzerkonto). Die Facebook‑Seite „M* B*“ kann er dennoch wie jeder andere Internetnutzer auch ohne einen solchen Account einsehen. Er besucht und kontrolliert diese Seite auch regelmäßig, zumal sie für ihn ein wichtiges Medium darstellt, um die Öffentlichkeit zu erreichen und bei seinen Anhängern Wut und Zorn im Sinn seiner tierschutzrechtlichen Anliegen, insbesondere gegen die (sogenannte) Gatterjagd zu schüren.

Als Obmann des V* hat der Angeklagte DDr. M* B* die Möglichkeit, durch mehrere Mitarbeiter, die als „Moderatoren“ auf der Facebook-Seite „M* B*“ registriert sind, umgehend selbst Kommentare oder andere Beiträge zu veröffentlichen und ebenso umgehend auch die Löschung von Kommentaren und anderen Beiträgen vornehmen zu lassen. Als Vereinsobmann kann er diesen Mitarbeitern verbindliche Anweisungen erteilen. Nicht festgestellt werden konnte, dass der Angeklagte DDr. M* B* den Mitarbeitern im anklagegegenständlichen Zeitraum die generelle Anweisung erteilt hätte, täglich alle „beleidigenden oder bedrohlich wirkenden“ Einträge zu löschen (US 13).

Der Angeklagte ist zudem Medieninhaber des Internetblogs w*; in diesem Medium kann er selbst, also ohne die Hilfe von Mitarbeitern, Veröffentlichungen und Löschungen vornehmen (US 13).

Der belangte Verband ist Medieninhaber der Facebook-Seite „Vg*“ und seiner Website „vg*“ (US 13 f).

Die im Urteilsspruch zu II./ und III./ angeführten Postings Dritter wurden auf der Facebook‑Seite „M* B*“, auf dem Blog des Angeklagten DDr. M* B* sowie auf der Facebook-Seite und auf der Website des V* veröffentlicht. Teilweise veröffentlichten auch der Angeklagte DDr. M* B* und der V* solche Postings „nochmals selbst“ (US 14).

In einer Tabelle sind im Urteil sämtliche Postings aufgelistet und jeweils das Medium, in dem die Veröffentlichungen erfolgten, und die Zeitpunkte der Veröffentlichungen, der Kenntnisnahme durch den Angeklagten bzw durch den belangten Verband und der Löschung der einzelnen Postings angeführt (US 14 ff).

Der Angeklagte veröffentlichte auf „seiner“ Facebook-Seite im Zeitraum von Jänner bis Mai 2017 regelmäßig insgesamt 119 Texte und Kommentare, darunter solche, die sich auf die Person des Privatanklägers bezogen und gezielt der „Aufstachelung“ der Facebook-Nutzer gegen diesen dienten. Er bezweckte damit, in der Öffentlichkeit Wut und Zorn gegen das Betreiben von Gatterjagden und insbesondere gegen den Privatankläger als Betreiber einer solchen zu schüren. Dabei wusste der Angeklagte DDr. M* B*, dass die diesbezüglich von ihm verfassten Facebook-Eintragungen Gegenstand hetzerischer und beleidigender Äußerungen von Facebook-Nutzern sein würden. Dies nahm er in Kauf, um Wut und Zorn gegen die Gatterjagd zu fördern (US 22 f).

Tatsächlich erfolgten als Reaktion auf einige vom Angeklagten im Zeitraum von 12. März 2016 bis 26. Jänner 2017 sowohl auf seiner als auch der Facebook-Seite des V* in diesem Zusammenhang veröffentlichte Einträge jeweils zumindest ein, im Regelfall aber mehrere der inkriminierten Postings Dritter, deren Text vom Erstgericht „nach dem jeweiligen Bedeutungsinhalt“ als „diffamierend“ bzw „ehrverletzend“ „im Sinne des Tatbestands der Beleidigung nach § 115 StGB“ beurteilt wurde. In zwei Fällen, nämlich zu II./90./ und 93./, sah der Einzelrichter den objektiven Tatbestand der üblen Nachrede nach § 111 StGB als erfüllt an (US 23 f, 33 ff).

Ein als objektive Verwirklichung des Tatbestands der Beleidigung nach § 115 StGB beurteiltes Posting erfolgte als Reaktion auf eine vom belangten Verband auf seiner Facebook-Seite vorgenommene Veröffentlichung (III./3./, US 24). Auch die weiteren gegenständlichen, auf der Facebook-Seite bzw Website des V* erfolgten Postings wurden dem objektiven Tatbestand des § 115 StGB unterstellt (III./1./ und 2./ und 4./ bis 6./; US 24, 33 ff).

Die Verpflichtung zur (Urteils‑) „Veröffentlichung“ gründete das Erstgericht jeweils „auf die im Spruch angeführte Gesetzesstelle“.

Ein Schuldspruch des Angeklagten DDr. M* B* wegen der Vergehen der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB und der Beleidigung nach § 115 Abs 1 StGB und ein diesbezüglicher Strafausspruch erfolgten nicht. Ebenso wenig wurde die Verantwortlichkeit des belangten Verbands V* wegen des Vergehens der Beleidigung nach § 115 Abs 1 StGB ausgesprochen und eine Verbandsgeldbuße verhängt.

b./ Mit Urteil vom 5. September 2018, AZ 10 Bs 85/18y, gab das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht – soweit im Folgenden von Bedeutung – der Berufung des Privatanklägers dahin Folge, dass es dem Erstgericht den Auftrag erteilte, (ua) „betreffend II./ und III./“ des angefochtenen Urteils „über die in diesem Umfang erhobene Privatanklage auf schuldangemessene Bestrafung zu entscheiden“ (I./1./ des Berufungsurteils).

In (teilweiser) Stattgebung der Berufungen des Angeklagten und des belangten Verbands hob es die zu II./88./ bis 95./ sowie III./4./ bis 6./ des Ersturteils nach § 6 Abs 1 MedienG erfolgten Verpflichtungen zu Entschädigungszahlungen (ersatzlos) als nichtig (§ 281 Abs 1 Z 11 StPO) auf.

In Ansehung der übrigen unter II./ und III./ des Ersturteils angeführten Aussprüche bestätigte es (im Ergebnis) den Ausspruch des Erstgerichts, wonach (undifferenziert zusammengefasst) der Angeklagte 34.800 Euro und der belangte Verband 1.200 Euro als Entschädigung an den Privatankläger zu zahlen haben (nämlich je 400 Euro pro Posting [BS 23]).

Im Übrigen gab es den Berufungen des Angeklagten und des belangten Verbands nicht Folge (II./ des Berufungsurteils).

c./ Im zweiten Rechtsgang erkannte das Landesgericht Salzburg im Zuge eines (auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthaltenden) „Ergänzungsurteils“ vom 12. Juni 2019, GZ 52 Hv 104/18h‑102, – soweit im Folgenden (noch) relevant – den Angeklagten zu den Punkten II./1./ bis 89./ und 95./ des Urteils des Landesgerichts Salzburg vom 22. September 2017 der Vergehen der Beleidigung als Beteiligter nach den §§ 12 dritter Fall, 115 Abs 1 StGB, zu den Punkten II./91./ bis 92./ und 94./ des genannten Urteils der Vergehen der Beleidigung nach § 115 Abs 1 StGB, zu Punkt II./90./ des genannten Urteils des Vergehens der üblen Nachrede als Beteiligter nach den §§ 12 dritter Fall, 111 Abs 1 und Abs 2 StGB sowie zu Punkt II./93./ des genannten Urteils des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig und verurteilte ihn unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 111 Abs 2 StGB zu einer Geldstrafe von 160 Tagessätzen, im Fall deren Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 80 Tagen, wobei die Höhe des einzelnen Tagessatzes mit 4 Euro bemessen wurde (A./).

Den V* erkannte es „gemäß § 3 Abs 1 Z 2 und Abs 2 VbVG iVm § 115 StGB für die unter Punkt III./ des Urteils des Landesgerichts Salzburg vom 22. September 2017 dargestellten Beleidigungen, deren rechtzeitige Löschung der Obmann und Entscheidungsträger DDr. M* B* rechtswidrig und schuldhaft trotz der den Verein treffenden Handlungspflichten nicht veranlasst“ hatte, „verantwortlich“ und verhängte diesbezüglich „unter Anwendung des § 28 StGB nach § 4 VbVG iVm § 115 StGB“ eine Verbandsgeldbuße von acht Tagessätzen zu je 500 Euro (C./).

Nach den Entscheidungsgründen (US 3 ff) sah sich die Einzelrichterin im zweiten Rechtsgang in diesem Umfang an den ihrer Auffassung nach im ersten Rechtsgang ergangenen und in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch betreffend den Angeklagten und den Ausspruch der Verantwortlichkeit des belangten Verbands gebunden und ausschließlich zur Entscheidung über die Strafe berufen. Feststellungen zur Unterstellung des inkriminierten Geschehens unter die angeführten gesetzlichen Tatbestände traf sie daher nicht.

In Stattgebung der dagegen vom Angeklagten DDr. M* B* und vom belangten Verband V* erhobenen Berufungen hob das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht mit Entscheidung vom 19. Februar 2020, AZ 10 Bs 335/19i, das Urteil in seinen Punkten A./ und C./ auf und verwies die Sache an das Landesgericht Salzburg zu neuer Verhandlung und Entscheidung.

II./ Die Urteile des Landesgerichts Salzburg vom 22. September 2017, GZ 62 Hv 2/17f‑60, des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 5. September 2018, AZ 10 Bs 85/18y, und des Landesgerichts Salzburg vom 12. Juni 2019, GZ 52 Hv 104/18h‑102, stehen– wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt – mit dem Gesetz nicht im Einklang:

1./a./ Erfolgen mehrere iSd § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB tatbestandsmäßige Postings Dritter in kurzer zeitlicher Abfolge (quantitative Steigerung einheitlichen Unrechts) aus demselben Anlass, nämlich aufgrund einer sie vorsätzlich hervorrufenden Veröffentlichung des Medieninhabers, der sie thematisch auch zuzuordnen sind (einheitliche Motivationslage), so bilden diese Postings in Bezug auf die Haftung des Medieninhabers bis zu ihrer Löschung nicht nur ein Dauerdelikt, also eine tatbestandliche Handlungseinheit im engeren Sinn (15 Os 129/17k, 15 Os 130/17g), sondern auch eine solche im weiteren Sinn (RIS‑Justiz RS0122006). Der Medieninhaber macht sich daher für einen solchen einmal in ein- und demselben Medium vorsätzlich von ihm ausgelösten sogenannten „Shitstorm“ (nur) eines Vergehens der qualifizierten üblen Nachrede schuldig, wobei sich dessen Unrechtsgehalt fortwährend sowohl durch Zeitablauf als auch durch das Hinzutreten weiterer solcher Postings steigert.

Dies gilt auch, wenn die solcherart vorsätzlich provozierten, im gebotenen zeitlichen und thematischen Zusammenhang erfolgten Postings Dritter den Tatbestand der Beleidigung nach § 115 Abs 1 StGB erfüllen. In den Fällen einer über den Veröffentlichungszeitpunkt hinausreichenden Publizität stellt die Beleidigung ein Dauerdelikt dar.

Sind eines oder mehrere solcher zusammenhängender Postings dem Tatbestand der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB, eines oder mehrere andere aber jenem der Beleidigung nach § 115 Abs 1 StGB zu unterstellen, so liegt in Bezug auf die Tat des Medieninhabers Idealkonkurrenz vor.

Diese Grundsätze sind auch auf den Entschädigungstatbestand nach § 6 Abs 1 MedienG zu übertragen. Danach hat der Betroffene gegen den Medieninhaber Anspruch auf eine Entschädigung für die erlittene Kränkung, wenn in einem Medium der objektive Tatbestand der üblen Nachrede, der Beschimpfung, der Verspottung oder der Verleumdung hergestellt wird. Die Höhe des Entschädigungsbetrags ist nach Maßgabe des Umfangs und der Auswirkungen der Veröffentlichung, insbesondere auch der Art und des Ausmaßes der Verbreitung des Mediums, zu bestimmen, wobei auf die Wahrung der wirtschaftlichen Existenz des Medieninhabers Bedacht zu nehmen ist. Der Entschädigungsbetrag darf 20.000 Euro, bei einer Verleumdung oder bei besonders schwerwiegenden Auswirkungen einer üblen Nachrede 50.000 Euro nicht übersteigen.

Nach dem Gesagten sind mehrere in kurzer zeitlicher Abfolge aus demselben dem Medieninhaber objektiv zuzurechnenden Anlass im selben Medium zum selben Thema veröffentlichte Postings Dritter, die in objektiver Hinsicht die Tatbestände der üblen Nachrede nach § 111 StGB oder der Beleidigung nach § 115 StGB erfüllen, zu einer Verwirklichung des Entschädigungstatbestands (verbunden mit der Verpflichtung zur Zahlung einer den gesetzlichen Kriterien, insbesondere den Obergrenzen entsprechenden Entschädigung) zusammenzufassen.

Indem das Landesgericht Salzburg (ON 60 S 7) und das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht (ON 82 S 23) auf Zuerkennung einer Entschädigung nach § 6 Abs 1 MedienG von 400 Euro pro einzelnem Posting undifferenziert danach erkannt haben, ob mehrere von diesem Ausspruch erfasste Postings jeweils eine tatbestandliche Handlungseinheit bilden, obwohl dies nach dem oben referierten Urteilssachverhalt indiziert war, verletzen das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 22. September 2017 und das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 5. September 2018 in Ansehung des Medieninhabers DDr. M* B* § 6 Abs 1 MedienG iVm den §§ 111 Abs 1 und Abs 2, 115 Abs 1 StGB.

Da nicht auszuschließen ist, dass diese Gesetzesverletzungen den Medieninhabern DDr. M* B* und V*, welchen nach § 41 Abs 6 MedienG (auch in dieser Funktion) die Rechte des Angeklagten zukommen, zum Nachteil gereichen, waren sie– wie aus dem Spruch ersichtlich – mit konkreter Wirkung zu verbinden (§ 292 letzter Satz StPO).

Anzumerken bleibt, dass die Bildung einer tatbestandlichen Handlungseinheit hier (§ 6 Abs 1 MedienG) – entgegen der Ansicht der Generalprokuratur – nicht den Sanktionsausspruch betrifft. Wird ein Entschädigungsanspruch zuerkannt, entspricht die Bejahung der Anspruchsvoraussetzungen bei gleichzeitiger Verneinung der Ausschlussgründe als Sanktionsanknüpfungspunkt vielmehr einem Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO), der zuerkannte Entschädigungsbetrag aber der verhängten strafrechtlichen Sanktion (§ 260 Abs 1 Z 3 StPO; RIS‑Justiz RS0108866 [T3]).

b./ Nach § 8 Abs 1 (erster Satz) MedienG kann der Anspruch auf einen Entschädigungsbetrag ua nach § 6 MedienG vom Betroffenen im Strafverfahren, an dem der Medieninhaber beteiligt ist, bis zum Schluss der Hauptverhandlung oder Verhandlung geltend gemacht werden.

Im vorliegenden Fall richtete sich der in der Nachtragsanklage vom 24. März 2017 enthaltene Antrag auf Bestrafung und (richtig:) Zuerkennung einer Entschädigung nach § 6 Abs 1 MedienG auch wegen der Postings auf der Facebook-Seite des V* betreffenden Fakten 8 und 9 (Punkte III./1./ und 2./ des Urteils ON 60) ausschließlich gegen den Angeklagten DDr. M* B* (ON 20 S 14 f, 22). Aufgrund dieses Antrags kam aber die Verpflichtung des V* zur Leistung von Entschädigung(en) nach § 6 Abs 1 MedienG von vornherein nicht in Betracht. Vielmehr fehlte es dem diesbezüglichen, den genannten Verein verpflichtenden Ausspruch des Landesgerichts Salzburg im Urteil vom 22. September 2017, Punkt III./1./ und 2./, an der gemäß § 8 Abs 1 MedienG erforderlichen Antragstellung.

Dieser Ausspruch gereicht dem Antragsgegner V* zum Nachteil; der Oberste Gerichtshof sah sich veranlasst, die Feststellung der Gesetzesverletzung mit konkreter Wirkung zu verbinden (§ 292 letzter Satz StPO).

c./ Nach § 34 Abs 1 MedienG – auf den auch § 8a Abs 6 MedienG verweist – ist im Strafurteil wegen eines Medieninhaltsdelikts auf Antrag des Anklägers auf die Veröffentlichung der Teile des Urteils zu erkennen, deren Mitteilung zur Unterrichtung der Öffentlichkeit über die strafbare Handlung und ihre Aburteilung erforderlich ist. Die zu veröffentlichenden Teile des Urteils sind im Urteilsspruch anzuführen. Hiebei kann das Gericht, soweit dies zur leichteren Verständlichkeit des Urteilsinhalts oder zur Beschränkung des Umfangs der Veröffentlichung geboten erscheint, den Wortlaut von Teilen des Urteils durch eine gedrängte Darstellung ersetzen. § 34 Abs 5 MedienG regelt den Fall der Veröffentlichung in einem anderen periodischen Medium, wenn das periodische Medium, in dem das Medieninhaltsdelikt begangen worden ist, nicht mehr besteht oder dieses in einem anderen als einem periodischen oder in einem ausländischen Medium begangen worden ist.

Die Urteilsveröffentlichung ist eine Maßnahme publizistischer Wiedergutmachung und dient dem Schutz vor der Fortwirkung des Delikts in der öffentlichen Meinung (12 Os 135/07f mwN). Sie verfolgt nach dem eindeutigen Normtext und dieser Zielsetzung daher nicht den Zweck, die Öffentlichkeit umfassend über den Ausgang eines Verfahrens, also auch über Freisprüche und Antragsabweisungen zu unterrichten. Die Publikation solcher Verfahrensergebnisse steht dem Medieninhaber vielmehr völlig frei.

Die Anordnung der Urteilsveröffentlichung hat im Übrigen entweder den zu veröffentlichenden Text zu enthalten oder konzis auf diesen – an anderer Stelle des Urteils befindlichen – zu verweisen.

Indem das Landesgericht Salzburg im Urteil vom 22. September 2017 sowohl dem Angeklagten als auch dem belangten Verband (die es im Übrigen nur zu Entschädigungszahlungen nach § 6 Abs 1 MedienG verpflichtete) nach § 34 Abs 1 MedienG – unter überflüssiger Anführung des inhaltlich gar nicht in Rede stehenden Abs 5 leg cit – die nicht eingeschränkte und solcherart auch freisprechende bzw jeweils andere Angeklagte betreffende Teile des Erkenntnisses umfassende Veröffentlichung „des Inhalts des Spruchs“ (II./ betreffend DDr. M* B*) sowie des „obigen Spruchs“ dieses Urteils (III./ betreffend den V*) auftrug, hat es den zuvor referierten gesetzlichen Anordnungen zum Nachteil der Genannten ebenso wenig entsprochen wie das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht, das diese Aussprüche in seinem Urteil vom 5. September 2018 entgegen seiner Verpflichtung zur amtswegigen Wahrnehmung sich aus dem Urteilsinhalt ergebender materieller Nichtigkeitsgründe gemäß den §§ 489 Abs 1 iVm 471, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall iVm § 281 Abs 1 Z 11 StPO unbeanstandet ließ (vgl Lendl, WK‑StPO § 260 Rz 43).

Es waren daher diese Aussprüche aufzuheben und (auch) diesbezüglich ein weiterer Rechtsgang anzuordnen (§ 292 letzter Satz StPO).

2./a./ Das im zweiten Rechtsgang ergangene Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 12. Juni 2019 nahm rechtsirrig auf vermeintlich bereits im ersten Rechtsgang ergangene Schuldsprüche des Angeklagten DDr. M* B* Bezug (US 3) und verzichtete seinerseits auf Tatsachenfeststellungen zu den objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen der Vergehen der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB und der Beleidigung nach § 115 Abs 1 StGB, teils als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB.

Tatsächlich hat aber der Einzelrichter des Landesgerichts Salzburg im ersten Rechtsgang unbeschadet diesbezüglich sowohl in objektiver als auch subjektiver Hinsicht getroffener Konstatierungen (ON 60 US 14–24) keine Schuldsprüche gefasst. Da Tatsachenfeststellungen ohne einen diesbezüglich nach § 260 Abs 1 Z 2 StPO erfolgten Ausspruch für sich nicht rechtskraftfähig sind, hätte es im zweiten Rechtsgang in Ansehung des Angeklagten (neuerlicher) Tatsachenfeststellungen zu den jeweiligen Tatbestandsmerkmalen bedurft, um die erforderliche Grundlage für die Schuldsprüche und den Strafausspruch zu A./ zu schaffen. Das Unterbleiben derselben verletzt das Gesetz in der jeweiligen materiell-rechtlichen Vorschrift, und zwar in den §§ 111 Abs 1 und Abs 2, 115 Abs 1 StGB, teils iVm § 12 dritter Fall StGB.

b./ Zu C./ des im zweiten Rechtsgang ergangenen Urteils des Landesgerichts Salzburg vom 12. Juni 2019 gilt sinngemäß das bereits oben zu 1./b./ Gesagte:

In Ansehung der Fakten 8 und 9 (III./1./ und 2./ des Urteils des Landesgerichts Salzburg vom 22. September 2017) mangelt es an einem gegen den belangten Verband gerichteten Verfolgungsantrag (§ 21 Abs 1 VbVG), weil diesbezüglich ausschließlich (die in der Hauptverhandlung vom 12. Juni 2019 verlesene [S 12 des Hv‑Protokolls]) Privatanklage gegen den Angeklagten DDr. M* B* erhoben wurde (ON 20 S 14 f, 22).

III./ Soweit die Generalprokuratur eine Verletzung des § 21 Abs 1 und Abs 3 VbVG geltend macht, ist sie allerdings nicht im Recht.

In ihrer Nichtigkeitsbeschwerde führt sie aus:

„Nach § 3 Abs 1 VbVG ist ein Verband unter den weiteren Voraussetzungen des Abs 2 oder des Abs 3 für eine Straftat verantwortlich, wenn die Tat zu seinen Gunsten begangen worden ist (Z 1) oder durch die Tat Pflichten verletzt worden sind, die den Verband treffen (Z 2). Nach Abs 2 leg cit ist der Verband für Straftaten eines Entscheidungsträgers verantwortlich, wenn der Entscheidungsträger als solcher die Tat rechtswidrig und schuldhaft begangen hat.

Gemäß § 21 Abs 1 VbVG wird das Hauptverfahren durch den – bei nur auf Verlangen des Opfers zu verfolgenden Straftaten vom Privatankläger zu stellenden (§ 13 Abs 2 VbVG) – Antrag auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße eingeleitet. Dieser Antrag ist gemäß § 21 Abs 2 VbVG mit der Anklageschrift oder dem Strafantrag gegen natürliche Personen zu verbinden, wenn die Verfahren gemeinsam geführt werden können (§ 15 Abs 1 VbVG). Kann das Verfahren gegen den belangten Verband nicht gemeinsam mit jenem gegen die natürliche Person geführt werden, so hat der Ankläger gemäß § 21 Abs 3 VbVG einen selbständigen Antrag auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße zu stellen.

Nach dem erklärten Ziel des Gesetzgebers, das Strafverfahren gegen natürliche Personen und das Verfahren gegen den Verband gemeinsam zu führen, muss also der Antrag auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße gegen einen Verband mit Anklage oder Strafantrag gegen zumindest eine natürliche Person verbunden werden. Nur wenn dies ausnahmsweise nicht möglich ist, ist ein selbständiger Antrag auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße zulässig (vgl ErläutRV 994 BlgNR XXII. GP  37). Mangels entsprechender Differenzierung gilt dies auch für den Privatankläger (§ 13 Abs 2 VbVG).

Dem vorliegend – der Sache nach – gegen den belangten Verband V* erhobenen Antrag des Privatanklägers auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße mangelt es in Ansehung der Fakten 108, 114, 124 und 126, auf die sich der Ausspruch zu C./ des Urteils des Landesgerichts Salzburg vom 12. Juni 2019 iVm den Punkten III./3./ bis 6./ des Urteils des Landesgerichts Salzburg vom 22. September 2017 bezieht, jeweils an einem diesbezüglichen, also faktenidenten Verfolgungsantrag (in Form der Privatanklage) gegen den Angeklagten DDr. M* B* als Obmann und damit Entscheidungsträger des belangten Verbands (ON 102 US 4), obwohl eine solche Anklage – wie in den übrigen Fällen der gegenständlichen Privatanklage – nach dem in der Hauptverhandlung vom 12. Juni 2019 verlesenen Akteninhalt (S 12 des Hv‑Protokolls) möglich gewesen wäre (ON 26 S 20, ON 32 S 13 und ON 43 S 40). Der Privatankläger hat fallbezogen vielmehr betreffend die einzelnen Fakten entweder den Angeklagten DDr. M* B* oder den belangten Verband V* zur Anklage gebracht, was in Betreff der natürlichen Person unproblematisch ist, in Ansehung des belangten Verbands aber nur unter der hier nicht gegebenen Voraussetzung mangelnder gleichzeitiger Verfolgbarkeit der natürlichen Person, für deren Verhalten der belangte Verband strafrechtlich einzustehen hat, zulässig wäre.“

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 21 Abs 2 VbVG ist der Antrag auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße mit der Anklageschrift oder dem Strafantrag gegen natürliche Personen zu verbinden, wenn die Verfahren gemeinsam geführt werden können (§ 15 Abs 1 VbVG). Kann das Verfahren gegen den belangten Verband nicht gemeinsam mit jenem gegen die natürliche Person geführt werden, so hat der Ankläger einen selbständigen Antrag auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße zu stellen (§ 21 Abs 3 VbVG).

Das – von der Nichtigkeitsbeschwerde angesprochene – Ziel des Gesetzgebers war es, das Strafverfahren gegen die natürliche Person und das Verfahren gegen den Verband wegen jener Straftat seines Entscheidungsträgers oder Mitarbeiters, für die er verantwortlich sein soll, zu verbinden. Die Regelung des § 21 Abs 2 VbVG hat denselben Zweck wie die §§ 26 und 37 StPO und dient der Verfahrensökonomie. Mit Blick auf die sich überdeckenden Tatfragen ist es prozessökonomisch, ein gemeinsames Beweisverfahren zu führen (Oberressl, Besonderheiten des Haupt- und des Rechtsmittelverfahrens nach dem VbVG, ÖJZ 2020 [im Druck]; E. Steininger, Lehrbuch VbVG2 Rz 16). Ein darüber hinausgehender Zweck ist den von der Generalprokuratur zitierten Gesetzesmaterialien (ErläutRV 994 BlgNR XXII. GP  37) nicht zu entnehmen.

Aus § 21 VbVG kann demnach nicht abgeleitet werden, dass im Fall der Möglichkeit der Einbringung eines Strafantrags oder einer Anklageschrift gegen die natürliche Person eine solche Einbringung Voraussetzung eines korrespondierenden Antrags auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße wäre.

Die von der Generalprokuratur vertretene Sicht hätte im – hier vorliegenden – Privatanklageverfahren zur Folge, dass der Privatankläger der natürlichen Person nicht verzeihen dürfte, ohne sein Antragsrecht gegenüber dem Verband zu verlieren (vgl jedoch § 71 Abs 2 StPO iVm §§ 13 Abs 2, 14 Abs 1 VbVG).

Die Anordnung des § 21 Abs 2 VbVG und die entsprechenden Zuständigkeitsnormen des § 15 VbVG greifen also nur, wenn Anklage gegen eine natürliche Person und ein entsprechender Antrag gegen einen Verband tatsächlich eingebracht werden. Der von der Beschwerdeführerin gezogene Schluss der zwingenden Verbindung des Antrags auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße mit einer Anklage gegen eine natürliche Person findet weder im Wortlaut noch im Gesetzeszweck eine Grundlage.

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