OGH 7Ob47/20t

OGH7Ob47/20t24.4.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A* L*, 2. P* L*, vertreten durch Dr. Karl‑Heinz Götz, Dr. Rudolf Tobler jun., Rechtsanwälte in Neusiedl am See, gegen die beklagte Partei Bmstr. Ing. F* A*, vertreten durch Reif & Partner Rechtsanwälte OG in Graz, wegen 91.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 7. Jänner 2020, GZ 3 R 144/19z‑45, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E128129

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1 Die Ersatzpflicht des Sachverständigen nach §§ 1299 f ABGB ist grundsätzlich auf den aus dem Schuldverhältnis Berechtigten beschränkt (RS0026234, RS0026645). Eine Haftung gegenüber Dritten kommt aber etwa dann in Betracht, wenn ein Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter vorliegt oder die objektiv‑rechtlichen Schutzwirkungen auf den Dritten zu erstrecken sind. Sowohl der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter als auch bei objektiv‑rechtlichen Schutzpflichtverletzungen besteht Subsidiarität. Der Gläubiger hat kein schutzwürdiges Interesse, wenn er kraft eigener rechtlicher Sonderverbindungen mit seinem Vertragspartner einen deckungsgleichen Anspruch auf Schadenersatz hat (7 Ob 38/17i mzwN).

1.2 Die Kläger beauftragten eine Bauunternehmerin mit der Errichtung eines schlüsselfertigen Einfamilienhauses. Die dritte Rate des Werklohns im Ausmaß von 55 % sollte dann fällig werden, wenn Rohbau und Dach des Hauses hergestellt sind und der dritte Bauabschnitt beendet ist. Diese Feststellung sollte ein Sachverständiger aus dem Fachgebiet Hoch‑ und Tiefbau treffen. Der Beklagte bestätigte – als von der Bauunternehmerin – beauftragter Sachverständige in seinem Gutachten die Fertigstellung, obwohl der dritte Bauabschnitt noch nicht fertiggestellt war und – aufgrund einer Sichtprüfung erkennbar – gravierende Mängel vorlagen. Nach Präsentation des unrichtigen Gutachtens des Beklagten zahlten die Kläger die dritte Rate an die Bauunternehmerin. Die Kläger nahmen die Bauunternehmerin, die den Bau in weiterer Folge nicht fortsetzte, auf Zahlung des Deckungskapitals für die Fertigstellungs‑ und Verbesserungsarbeiten in Anspruch. Während der Anhängigkeit dieses Verfahrens wurde über das Vermögen der Bauunternehmerin ein Konkursverfahren eröffnet.

1.3 Der Beklagte wendet sich in seiner Revision nicht gegen die Beurteilung der Vorinstanzen, dass er grundsätzlich für die Unrichtigkeit seines Gutachtens nach beiden Anspruchsgrundlagen (Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter und Erstreckung objektiv‑rechtlicher Schutzwirkungen auf den Dritten) haftet. Er erachtet aber die Rechtsansicht, dass der von den Klägern gegenüber der Bauunternehmerin ohnedies bereits geltend gemachte Anspruch mit dem gegen ihn gerichteten Schadenersatzanspruch nicht deckungsgleich sei, als unzutreffend. Die Deckungsgleichheit sei nicht durch die (nachträgliche) Insolvenz der Bauunternehmerin verloren gegangen.

1.4.1 Der Schädiger hat den geschädigten Dritten grundsätzlich so zu stellen, wie er ohne schuldhaftes Verhalten gestellt wäre. Der Schaden ist durch eine Differenzrechnung zu ermitteln; es ist zunächst der hypothetische heutige Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis zu ermitteln und von diesem Betrag der heutige tatsächliche Vermögenswert abzuziehen (RS0030153).

1.4.2 Der Schadenersatzanspruch gegen den Beklagten resultiert aus dessen voreiliger Annahme des Abschlusses des dritten Bauabschnitts und der daraufhin erfolgten vorzeitigen Auszahlung der dritten Rate durch die Kläger. In diesem Umfang reduzierten sich insbesondere die ihnen für eine anderweitige Fertigstellung des dritten Bauabschnitts zur Verfügung stehenden Vermögenswerte. Damit begründete der Beklagte aber erst den Verlust der an sich bis zur Fertigstellung des 3. Bauabschnitts den Klägern zur Verfügung stehenden Vermögenswerte und die daraus geltend gemachten Ansprüche gegenüber der Bauunternehmerin. Schon vor diesem Hintergrund zeigt der Beklagte im vorliegenden Fall keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung der Vorinstanzen auf. Allein aus der gleichen betraglichen Höhe des gegen den Beklagten geltend gemachten Schadenersatzanspruchs – aufgrund der von ihm verursachten vorzeitigen Auszahlung der dritten Rate – und des gegen die Bauunternehmerin gerichteten vertraglichen Erfüllungsanspruchs auf Leistung des Deckungskapitals für die Fertigstellung des dritten Bauabschnitts folgt keine Deckungsgleichheit.

2. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

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