OGH 11Os37/20f

OGH11Os37/20f15.4.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. April 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl in der Strafsache gegen Boyan S***** und einen anderen Beschuldigten wegen des Verbrechens der Zuhälterei nach § 216 Abs 4 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen, AZ 32 HR 21/20w des Landesgerichts (AZ 16 St 14/20p der Staatsanwaltschaft) Innsbruck, über die Grundrechtsbeschwerde des genannten Beschuldigten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Beschwerdegericht vom 6. März 2020, AZ 11 Bs 50/20w (ON 36 der Ermittlungsakten), nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0110OS00037.20F.0415.000

 

Spruch:

Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

Mit Beschluss vom 18. Februar 2020 (ON 19) verhängte das Landesgericht Innsbruck über Boyan S***** die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht-, der Verdunkelungs- und der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1, Z 2, Z 3 lit b StPO. Der dagegen gerichteten Beschwerde des Genannten gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss nicht Folge und setzte die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht- und der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1, Z 3 lit b StPO fort.

In der Sache erachtete das Beschwerdegericht Boyan S***** dringend verdächtig, er habe in I***** und andernorts Iveta I*****

von 2014 bis zum 17. Februar 2020

(1) der Prostitution zugeführt, indem er vorgab, sie könne auf dem „Straßenstrich“ viel Geld verdienen und er würde ihr ein Haus kaufen, ihr die Arbeitsbedingungen sowie die Preise für sexuelle Dienstleistungen erklärte und ihr den Standplatz zeigte, ferner

(2) mit dem Vorsatz, sich aus ihrer Prostitution eine fortlaufende Einname zu verschaffen, durch Abnahme der Hälfte des Entgelts und von 10 Euro pro Nutzung seiner Wohnung für die Prostitution ausgebeutet, durch Bedrohen mit dem „Umbringen“ und Schläge eingeschüchtert und ihr die Bedingungen der Ausübung der Prostitution dadurch vorgeschrieben, dass er ihr Zeit, Ort und Art der Ausübung und das zu verlangende Entgelt vorgab und sie an verschiedene Bordelle vermittelte, weiters

(3) durch Einschüchterung, nämlich durch Drohung mit dem „Umbringen“ und durch körperliche Gewalt (Schläge), davon abgehalten, die Prostitution aufzugeben, nachdem sie ihm mitgeteilt hatte, nicht mehr als Prostituierte für ihn arbeiten zu wollen, sowie

(4) die in Österreich gewöhnlich aufhältige bulgarische Staatsbürgerin, mag sie auch der Prostitution nachgegangen sein, in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besaß oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, der Prostitution zugeführt, indem er sie zu einem Standplatz in der Schweiz brachte, schließlich

am 4. März 2016

(5) am Körper verletzt, indem er ihr einen Schlag ins Gesicht versetzte, wodurch sie eine Rissquetschwunde an der Lippe erlitt.

In rechtlicher Hinsicht subsumierte das Beschwerdegericht diese Verhaltensweisen als jeweils ein Vergehen des Zuführens zur Prostitution nach § 215 StGB (1), der Zuhälterei nach § 216 Abs 2 StGB (2) und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (5) sowie als jeweils ein Verbrechen der Zuhälterei nach § 216 Abs 4 StGB (3) und des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs 1 erster Fall StGB (4).

 

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Grundrechtsbeschwerde des Boyan S*****, die sich gegen die Annahme des dringenden Tatverdachts wendet.

 

Nach Art einer Aufklärungsrüge (Z 5a) moniert sie (allein), das Oberlandesgericht habe seine „Stoffsammlungspflicht“ verletzt, indem es verabsäumt habe, vor seiner Entscheidung eine Übersetzung aktenkundiger– aus Beschwerdesicht die Glaubhaftigkeit belastender Angaben des Opfers infrage stellender – „bulgarische[r] Chatverläufe“ „anzuordnen“ sowie eine „Sozialversicherungsabfrage“ und eine „Anfrage beim letzten Arbeitgeber“ des Beschuldigten zur „als widersprüchlich bezeichneten Frage des Einkommens“ vorzunehmen.

An sich kann die Begründung des dringenden Tatverdachts im Grundrechtsbeschwerdeverfahren in sinngemäßer Anwendung der Z 5 und der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO angefochten werden (RIS-Justiz RS0110146). Von den beiden Fällen der Z 5a stellt jedoch die – den Aspekt unterlassener Beweisaufnahme betreffende – Aufklärungsrüge der Sache nach eine Verfahrensrüge dar und ist daher nicht Gegenstand der Grundrechtsbeschwerde ( Ratz , ÖJZ 2005, 415 [417 f]; Kier in WK 2 GRBG § 2 Rz 30; RIS-Justiz RS0122321 [T3]).

Hiervon ausgehend verfehlt der Einschreiter von vornherein den Anfechtungsrahmen.

Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) zurückzuweisen.

Stichworte