OGH 11Os19/20h

OGH11Os19/20h31.3.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. März 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen C***** wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 2. Dezember 2019, GZ 37 Hv 86/19w‑43, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0110OS00019.20H.0331.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde C***** der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I./), der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II./), der Verbrechen der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB (III./a), eines Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (III./b./), der Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (IV./), jeweils der Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs 1, 15 StGB (V./), des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (VI./), der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (VII./) und des Vergehens des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen nach § 207b Abs 1 StGB (VIII./) schuldig erkannt.

Danach hat er in H***** und andernorts

I./ im Zeitraum von 11. Jänner 2012 bis 11. Jänner 2019 mit einer unmündigen Person, und zwar mit seiner am ***** 2005 geborenen Tochter S***** den Beischlaf und dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er sie mehrfach an ihrer Scheide leckte und küsste, ihr mehrfach seinen Finger vaginal und einmal anal einführte, und ab ihrem 12. Lebensjahr mehrfach durch gewaltsames Auseinanderdrücken ihrer Beine versuchte, seinen erigierten Penis in ihre Vagina einzuführen, wobei ihm dies aufgrund ihrer Gegenwehr nicht gelang;

II./ im Zeitraum von 11. Jänner 2012 bis 11. Jänner 2019 außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an und von einer unmündigen Person, und zwar seiner am ***** 2005 geborenen Tochter S***** vorgenommen und an sich vornehmen lassen, indem er mehrfach ihre entwickelten Brüste knetete, ihre Brustwarzen küsste und zumindest zwei- bis dreimal ihre Hand nahm, um seinen Penis legte und festhielt und derart Masturbationsbewegungen bis zur Ejakulation an sich durchführte und ihr einmal eine feste Ohrfeige versetzte, als sie ihre Hand von seinem Penis wegzog und sie dadurch gewaltsam zwang, weiter zu machen;

III./ S***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, und zwar

a./ im Zeitraum von 2017 bis 11. Jänner 2019, indem er ab ihrem 12. Lebensjahr mehrfach durch gewaltsames Auseinanderdrücken ihrer Beine versuchte seinen erigierten Penis in ihre Vagina einzuführen, wobei ihm dies aufgrund ihrer Gegenwehr nicht gelang,

b./ zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im Zeitraum von 11. Jänner 2019 bis April 2019, indem er ihr zunächst einen Finger vaginal einführte, sie sodann an den Schultern packte und aufs Bett drückte, sich auf sie legte, ihre Beine gewaltsam auseinander drückte, mit seinem erigierten Penis in ihre Vagina eindrang und den Geschlechtsverkehr mit ihr vollzog;

IV./ im Zeitraum von 11. Jänner 2012 bis April 2019 außer den Fällen des § 201 Abs 1 StGB seine Tochter S***** mit Gewalt zur Vornahme einer geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er zumindest zwei- bis dreimal ihre Hand nahm, um seinen Penis legte und festhielt und derart Masturbationsbewegungen bis zur Ejakulation an sich durchführte und ihr einmal eine feste Ohrfeige versetzte, als sie ihre Hand von seinem Penis wegzog und sie dadurch gewaltsam zwang, weiter zu machen;

V./ im Zeitraum von 11. Jänner 2012 bis April 2019 mit einer Person, die mit ihm in gerader Linie verwandt ist, und zwar mit seiner Tochter S*****, den Beischlaf vollzogen, teils zu vollziehen versucht, indem er mehrfach versuchte, mit seinem erigierten Penis in ihre Vagina einzudringen, wobei ihm dies schließlich einmal gelang und er den Geschlechtsverkehr mit ihr vollzog;

VI./ mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person, und zwar mit seiner am ***** 2005 geborenen Tochter S***** eine geschlechtliche Handlung vorgenommen und an sich vornehmen lassen, indem er die unter Punkt I./ bis V./ und (gemeint:) VIII./ beschriebenen Handlungen setzte;

VII./ im Zeitraum von 11. Jänner 2012 bis April 2019 S***** mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung an der Freiheit und einer Verletzung am Körper zum Nachteil von Sympathiepersonen zu einer Unterlassung, und zwar jemandem von den sexuellen Übergriffen zu erzählen, genötigt, indem er ihr eine Ohrfeige versetzte und ihr damit drohte, dass er sie ins Heim schicke und ihr, ihrer Mutter und ihren Geschwistern etwas antue, sollte sie jemandem davon erzählen;

VIII./ am 6. April 2019 an einer Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und aus bestimmten Gründen noch nicht reif genug ist, die Bedeutung des Vorgangs einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, unter Ausnützung dieser mangelnden Reife sowie seiner altersbedingten Überlegenheit eine geschlechtliche Handlung vorgenommen, indem er sich zu seiner alkoholisierten Tochter S*****, der er zuvor Schnaps und Wein zu trinken gegeben hatte, ins Bett legte, ihre Brüste knetete, sie im Scheidenbereich streichelte und küsste und versuchte, mit seinem erigierten Penis in ihre Vagina einzudringen, was ihm jedoch nicht gelang.

 

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wies das Erstgericht den Antrag auf Einholung eines Gutachtens aus dem Fachgebiet der Urologie zum Beweis dafür, dass „der Angeklagte zu einer Erektion nicht in der Lage ist, dies im Hinblick auf die vorliegende erektile Dysfunktion sowie zum Beweise dafür, dass aus diesem Grund eine Penetration ebenso wenig möglich ist, wie von der Zeugin geschilderte Masturbationshandlung, die letztlich zu einem Ejakulat habe führen sollen,“ ohne Verletzung von Verteidigungsrechten ab (ON 35 S 21, 23; ON 42 S 8) weil keine der aufgrund des Angeklageworfwurfs (ON 29) in Betracht kommenden gesetzlichen Bestimmungen eine

Erektion des Gliedes des Täters voraussetzen (RIS‑Justiz RS0090720 [insbesondere T2, T3], RS0095114).

Im Übrigen betreffen die geltend gemachten Beweisthemen angesichts der Anschuldigung (auch) digitaler und oraler Penetration und mehrerer beischlafsähnlicher bzw geschlechtlicher Handlungen im Rahmen einer gleichartigen Verbrechensmenge (RIS‑Justiz RS0119552 – Schuldspruchpunkte I./ und II./) keine erheblichen Tatsachen (§ 55 Abs 2 Z 2 StPO; RIS‑Justiz RS0116503 [insbesondere T9]). Eine Erektion des Gliedes des Täters ist daher weder für die Schuld- noch für die Subsumtionsfrage – und im Übrigen auch nicht für die die Strafbemessung betreffende Abgrenzung von Versuch und Vollendung (RIS‑Justiz RS0122138) – bedeutsam (vgl RIS‑Justiz RS0116987).

Zu Recht der Abweisung verfielen auch die Anträge auf Vernehmung des Zeugen Christian Thalhammer zum Beweis dafür, „dass keine Rufe der Zeugin nach ihrer Mutter und auch kein Stöhnen des Angeklagten, wie von dieser geschildert und auch sonst keine Auffälligkeiten resultierend aus den angeklagten Handlungen aus dem Zimmer“ des Opfers gedrungen sind (ON 35 S 21, 23; ON 42 S 8) und der Ehefrau des Angeklagten zum Beweis dafür, dass die „erektile Dysfunktion vorliegt und zwischen den Eheleuten Geschlechtsverkehr seit zumindest zwei Jahren nicht stattgefunden hat“ (ON 42 S 8), weil zum ersten nicht dargelegt wurde, aus welchem Grund die beantragte Beweisaufnahme das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erwarten lasse (RIS‑Justiz RS0118444; neuerlich auch § 55 Abs 2 Z 2 StPO), und zum zweiten das Beweisthema – wie dargelegt – unerheblich ist.

Der weitere Antrag (ON 35 S 22) auf Erörterung des als „widersprüchlich und inhaltlich unrichtig“ bezeichneten aussagepsychologischen Gutachtens (ON 24)– das nach Abweisung des Antrags mit Zustimmung des Beschwerdeführers „erörternd vorgetragen“ wurde (ON 42 S 10) – konnte schon deshalb abgewiesen werden (ON 35 S 23 f),

weil

er nicht erkennen ließ, weshalb diese

Erörterung zur Klärung der Vorwürfe geeignet sein sollte, zumal der vom Beschwerdeführer als aufklärungsbedürftig genannte „Widerspruch“ nicht aus dem Gutachten, sondern der Aussage des Opfers abgeleitet wird (RIS‑Justiz RS0099841, RS0099353). Gleiches gilt für den Eventualantrag „eines weiteren aussagepsychologischen Gutachtens“.

Das ergänzende Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde unterliegt dem sich aus dem Wesen des Nichtigkeitsgrundes der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO ergebenden Neuerungsverbot und ist demnach unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618, RS0099117).

Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen zu entscheidenden Tatsachen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt – wird dadurch nicht eröffnet (RIS‑Justiz RS0119583).

Indem die Beschwerde bloß nach Maßgabe eigener Beweiswerterwägungen ins Treffen führt, dass „wider jeglicher Lebenserfahrung“ keine DNA-Spuren (vgl dazu im Übrigen RIS‑Justiz RS0118444 [T 16]) im Bereich des Bettes des Opfers aufgefunden wurden, es noch über „ein intaktes Hymen verfüge“, und neuerlich auf eine Erektionsstörung hinweist, verfehlt sie die dargelegten Anfechtungsvoraussetzungen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher (bei nichtöffentlicher Beratung) gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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