European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0130NS00005.20V.0226.000
Spruch:
Die Sache wird dem Oberlandesgericht Wien zur Zuweisung an das zuständige Gericht übermittelt.
Gründe:
Mit Anklageschrift vom 3. Juni 2019 (ON 69) legt die Staatsanwaltschaft Linz dem österreichischen Staatsangehörigen Anto D***** – soweit hier von Bedeutung – ein als Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB beurteiltes Verhalten zur Last, das dieser mit einem Schadensbetrag von jeweils mehr als 50.000 Euro am 23. Juli 2014 in W***** (Faktum A I 2) und im November 2014 in S***** (Faktum A VII), im Übrigen an denselben oder anderen Orten des Bundesgebiets mit einem jeweils darunter liegenden Schadensbetrag gesetzt haben soll.
Die Annahme der örtlichen Zuständigkeit des Landesgerichts Wiener Neustadt (vgl ON 1 S 27 und ON 69 S 1 [auf S 5 der ON 69 als Landesgericht Linz bezeichnet]) wurde von der Staatsanwaltschaft Linz nicht begründet.
Rechtliche Beurteilung
Die Anklageschrift wurde dem Genannten am 17. September 2019 zugestellt (ON 1 S 27 verso), ein Einspruch dagegen liegt nicht vor.
Die Akten wurden von der Vorsitzenden (unter Hinweis auf den zu A I 2 von der Staatsanwaltschaft angenommenen Tatort in W*****, der nach dem Akteninhalt [ON 63 S 173] Ort der maßgeblichen Betrugshandlung sei) wegen Bedenken gegen die örtliche Zuständigkeit des Landesgerichts Wiener Neustadt gemäß § 213 Abs 6 zweiter Satz StPO dem Oberlandesgericht Wien vorgelegt. Dieses ging – nach Verneinen des Bestehens eines der in § 212 Z 1 bis 4 und Z 7 StPO genannten Gründe – gemäß §§ 213 Abs 6 letzter Satz, 215 Abs 4 zweiter Satz StPO mit Vorlage an den Obersten Gerichtshof vor, weil es für möglich hielt, dass ein im Sprengel eines anderen Oberlandesgerichts liegendes Gericht zuständig sei.
Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 31 Abs 3 Z 6a StPO kommt dem Landesgericht als Schöffengericht das Hauptverfahren (unter anderem) wegen des Vergehens des schweren Betrugs (§ 147 Abs 2 StGB) bei einem 50.000 Euro übersteigenden Schaden zu.
Die örtliche Zuständigkeit ist auch bei Subsumtionseinheiten hinsichtlich jeder der zusammenzufassenden Straftaten nach den Kriterien des § 36 StPO zu ermitteln. Möglicher Anknüpfungspunkt für die nach § 37 Abs 2 zweiter und dritter Satz StPO vorzunehmende Beurteilung, welches Gericht für das wegen aller Straftaten gemeinsam zu führende Hauptverfahren örtlich zuständig ist, ist dabei jeder einzelne der Tatorte (weil an jedem eine Ausführungshandlung gesetzt wurde [§ 36 Abs 3 StPO]), es sei denn, eine Qualifikation, welche die sachliche Zuständigkeit eines höherrangigen Gerichts (§ 37 Abs 2 erster Satz StPO) nach sich zieht, wäre nach der Verdachtslage– wie hier – durch eine einzige dieser Straftaten verwirklicht worden (RIS‑Justiz RS0131445; zuletzt 15 Ns 55/19k; Oshidari, WK‑StPO § 37 Rz 5/1 mwN; Nordmeyer, WK‑StPO § 26 Rz 8/1).
Bezugspunkt für die Prüfung der örtlichen Zuständigkeit ist der von der Anklage vorgegebene Prozessgegenstand. Bei der Beurteilung, wo die Straftat begangen wurde, orientiert sich das Gericht – ohne Bindung an die Ortsangaben in der Anklageschrift – an der Aktenlage (vgl RIS‑Justiz RS0131309).
Die Anklageschrift inkriminiert zu A I 2 und zu A VII jeweils für sich betrachtet einen 50.000 Euro übersteigenden Betrugsschaden (A I 2: 95.000 Euro, A VII: 53.098 Euro), lässt aber nicht erkennen (ON 69 S 3 und 10), dass der präsumtive Schadensbetrag zu A VII (entgegen der Verdachtslage zu A I 2, vgl dazu ON 65 S 61 ff, insbesondere S 65 f) nach der Aktenlage nicht durch eine Tathandlung, sondern durch mehrere Angriffe verursacht wurde (vgl dazu die Ausführungen des Zeugen K*****, am 14. November 2014 seien Arbeiten im Wert von 36.500 Euro beauftragt worden, im Laufe der Arbeiten immer neue Aufträge hinzugekommen [ON 2 in ON 14 S 53 ff]).
Hievon ausgehend begründet – wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt – bei isolierter Betrachtung ausschließlich der zu A I 2 erhobene Anklagevorwurf die schöffengerichtliche Zuständigkeit, woraus die örtliche Kompetenz eines im Sprengel des Oberlandesgerichts Wien liegenden Gerichts resultiert (§ 37 Abs 2 erster Satz StPO).
Gemäß §§ 213 Abs 6 letzter Satz, 215 Abs 4 erster Satz StPO wird daher das Oberlandesgericht Wien die Sache dem zuständigen Landesgericht zuzuweisen haben (RIS‑Justiz RS0124585 [insbesondere T2]).
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