OGH 504Präs7/20v

OGH504Präs7/20v24.2.2020

Die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs fasst in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwältin in Wien, AZ D 258/17 des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien, über den Antrag auf Ausschließung des Vorsitzenden des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien wegen Befangenheit den

Beschluss:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:504PRA00007.20V.0224.000

 

Spruch:

Der Antrag wird abgewiesen.

 

Begründung:

Vorauszuschicken ist, dass Gegenstand des anhängigen Disziplinarverfahrens ausschließlich eine an das „LKA-Ermittlungsdienst EB 04“ gerichtete Eingabe der Disziplinarbeschuldigten vom 16. 8. 2017 ist. In dieser Eingabe, die sich auf ein Ermittlungsverfahren gegen den Verwalter einer Wohnungseigentumsanlage bezieht, verwies die Disziplinarbeschuldigte als Privatbeteiligtenvertreterin des Geschädigten darauf, dass der Verteidiger des Verwalters mit einer näher bezeichneten Richterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien verheiratet sei.

Wörtlich führte sie aus:

“Da nach § 3 StPO jeder Anschein der Befangenheit zu vermeiden ist, wird Befangenheitsantrag gestellt und ersucht, die Rechtssache einem anderen Gerichtssprengel zuzuweisen. Schon zu ….StA Wien (EUR 56.400) hat...(der Verwalter) nach Vertretung durch mehrere andere Verteidiger nach dem Wechsel zur Fa….(Familienname des nunmehrigen Verteidigers) die Einstellung erreicht, dem Vernehmen nach auch betreffs die Sachverhaltsdarstellungen von Gesellschafterebene...“

Nach dem Schlussbericht des Untersuchungskommissärs fasste der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Wien unter dem Vorsitz seines Präsidenten am 13. 2. 2019 den Einleitungsbeschluss. Die mündliche Disziplinarverhandlung wurde für 24. 1. 2020 anberaumt. Die Disziplinarbeschuldigte ersuchte mit E-Mail vom 21. 1. 2020 um Vertagung wegen Erkrankung und legte die Kopie einer Arbeitsunfähigkeitsbestätigung eines Allgemeinmediziners vom 20. 1. 2020 vor. Die Verhandlung wurde auf den 31. 1. 2020 verlegt, wobei der Präsident des Disziplinarrats festhielt, dass die unspezifizierte Behauptung, erkrankt zu sein, belegt durch eine „Arbeitsunfähigkeitsbestätigung“, in Hinkunft nicht als Nachweis der Verhinderung akzeptiert werde.

Mit Schriftsatz vom 28. 1. 2020 lehnte die Disziplinarbeschuldigte den Vorsitzenden wegen Ausgeschlossenheit ab. Abgesehen von für das Verfahren nicht relevanten Ausführungen zu einer „Irrläuferanzeige“ wirft die Disziplinarbeschuldigte dem Präsidenten des Disziplinarrats mit ihren umfangreichen Ausführungen erkennbar zusammengefasst vor, nicht gemäß § 29 Abs 1 DSt vorgegangen zu sein. Es sei unhaltbar, einen Befangenheitsantrag mit dem Vorwurf eines amtsmissbräuchlichen bzw standeswidrigen Verhaltens (gemeint: des gesamten Gerichtssprengels) gleichzusetzen. Ein Anschein der Befangenheit genüge. Auf ein Verschulden des befangenen Organs käme es nicht an. Die Disziplinaranzeige wäre daher ohne Bestellung eines Untersuchungskommissärs sogleich einem Senat vorzulegen gewesen. Die Unterstellung im Einleitungsbeschluss, die Disziplinarbeschuldigte habe ihren Befangenheitsantrag nur auf die Ehe des Vertreters des Verwalters gestützt, sei unzutreffend.

Der abgelehnte Vorsitzende erklärte sich in seiner Stellungnahme für nicht befangen. Der gefasste Einleitungsbeschluss bedeute nicht, dass die Disziplinarbeschuldigte als „schuldig“ angesehen werde, sondern nur, dass die Vorwürfe in mündlicher Verhandlung zu prüfen seien. Diese Vorgehensweise entspreche dem Disziplinarstatut und bedeute keine Vorverurteilung. Es entspreche vielmehr der Erfahrung, dass Disziplinarbeschuldigte in der mündlichen Verhandlung häufig freigesprochen würden. Der Vertagungsbitte sei entsprochen worden. Dass die ärztliche Bestätigung als zu wenig aussagekräftig angesehen werde, begründe keine Besorgnis der Befangenheit. Der Vorsitzende stehe der Disziplinarbeschuldigten völlig neutral gegenüber.

Rechtliche Beurteilung

Der Antrag, über den gemäß § 26 Abs 5 Satz 2 DSt die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs zu entscheiden hat, ist unberechtigt.

Wenngleich zur Annahme einer Befangenheit grundsätzlich schon der Anschein genügt, Organe des Disziplinarrats könnten an die von ihnen zu entscheidende Sache nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit herantreten, so setzt ein solcher Anschein aber nach ständiger Rechtsprechung jedenfalls voraus, dass konkrete Umstände dargetan werden, die aus der Sicht eines objektiven Beurteilers bei diesem den Eindruck erwecken, der Abgelehnte könnte sich aus persönlichen Gründen bei seiner Entscheidung von anderen als sachlichen Erwägungen leiten lassen; auf eine bloß subjektive Besorgnis einer Befangenheit kann eine Ablehnung nicht mit Erfolg gestützt werden. Befangenheit ist entweder eine tatsächliche Hemmung der unparteiischen Entschließung durch unsachliche psychologische Motive oder aber eine besondere Fallgestaltung, die einen unbefangenen Außenstehenden begründeter Weise an der unparteiischen Entscheidungsfindung zweifeln lassen können. (23 Ns 1/16y mwN).

Dass sich die Rechtsansicht des abgelehnten Vorsitzenden nicht mit jener der Disziplinarbeschuldigten deckt, ist per se nicht geeignet, seine Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen ( Lässig , WK-StPO § 43 Rz 12 mwN). Weder die Mitwirkung an der Fassung des Einleitungsbeschlusses (vgl RIS-Justiz RS0056935) noch die Mitteilung an die Disziplinarbeschuldigte über die nach Ansicht des Vorsitzenden unzureichende Entschuldigung betreffend die Teilnahme an der ursprünglich für 24. 1. 2020 anberaumten Disziplinarverhandlung, die im Übrigen dem Ersuchen der Disziplinarbeschuldigten entsprechend ohnedies vertagt wurde, ist geeignet, objektiv gerechtfertigte Zweifel an der Unparteilichkeit des Vorsitzenden zu erwecken.

Der Antrag ist daher abzuweisen.

 

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